Entscheidungsstichwort (Thema)
Soziale Rechtfertigung einer betriebsbedingten Änderungskündigung aufgrund der Zusammenlegung zweier Abteilungen bei gleichzeitiger Einführung einer neuen Führungsstruktur
Leitsatz (amtlich)
1. Eine unternehmerische Entscheidung, die eine Zusammenlegung zweier Abteilungen bei gleichzeitiger Einführung einer neuen Führungsstruktur umfasst, ist geeignet, die betriebsbedingte Änderungskündigung einer der bisherigen Abteilungsleitungen sozial zu rechtfertigen.
2. Aufgrund der Einführung einer neuen Abteilungs- und Führungsstruktur handelt es sich nicht um eine Situation, in der Organisationsentscheidung und Kündigungsentschluss des Arbeitgebers praktisch deckungsgleich sind.
3. Eine solche unternehmerische Entscheidung bietet strukturell keinen Anlass zu überprüfen, ob eine Überforderung oder Benachteiligung des Personals eintritt oder ob die behauptete unternehmerische Entscheidung nur ein Vorwand ist, bestimmte Arbeitnehmer aus dem Betrieb zu drängen.
4. Sollte es bei der Zuweisung der konkreten Aufgaben zunächst zu Ungereimtheiten oder einer Ungleichbelastung kommen, wird hierdurch nicht die Existenz der eigenständigen unternehmerischen Organisationsentscheidung in Frage gestellt.
5. Ein Arbeitgeber ist nicht verpflichtet, dem Arbeitnehmer durch ein entsprechendes Änderungsangebot eine Weiterbeschäftigung auf einem bestimmten Arbeitsplatz zu ermöglichen, wenn der Arbeitnehmer die vom Arbeitgeber zulässigerweise festgelegten Anforderungen für diesen Arbeitsplatz nicht erfüllt.
Normenkette
KSchG § 2
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 24.02.2016; Aktenzeichen 16 Ca 257/15) |
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts vom 24. Februar 2016 - Az. 16 Ca 257/15 - abgeändert.
Die Klage wird abgewiesen.
Der Kläger hat die Kosten des Rechtsstreits zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer ordentlichen Änderungskündigung.
Bei der Beklagten handelt sich um eine staatliche L.-Gesellschaft, deren Alleingesellschafterin die Freie und Hansestadt Hamburg ist. Im Betrieb der Beklagten sind ca. 100 Arbeitnehmer beschäftigt.
Der Kläger absolvierte vom 1. August 1987 bis zum 6. Juli 1990 bei der Beklagten eine Ausbildung zum Bürokaufmann. Seit dem 7. Juli 1990 besteht zwischen den Parteien ein Arbeitsverhältnis. Das durchschnittliche monatliche Bruttoeinkommen des Klägers beträgt € 6.666,75.
Ab Dezember 1995 übernahm der Kläger die selbstständige Betreuung mehrerer Produkte als Produktmanager. Im Juli 1997 wurde ihm zunächst die Abwesenheitsvertretung, im Januar 2000 dann die Stellvertretung des damaligen Abteilungsleiters Marketing und Vertrieb übertragen. Anfang Januar 2003 übernahm er zusätzlich die Leitung des Fachbereichs Produktmanagement. Im Jahr 2006 betreute er im Rahmen eines Patenmodells für neue Mitarbeiter den neu eingestellten Fachbereichsleiter Vertrieb Herrn W.. Nach Aufspaltung der Abteilung Marketing und Vertrieb in die Abteilungen Marketing einerseits und Vertrieb andererseits ab Januar 2007 übernahm der Kläger die Position des Leiters Marketing mit den Fachbereichen Produktmanagement und Kundenservice. Mit Wirkung ab dem 1. Januar 2009 wurde er zum Abteilungsleiter Marketing befördert. Dies wurde ihm mit Schreiben der Beklagten vom 19. Dezember 2008 bestätigt, auf dessen Inhalt verwiesen wird (Anlage K 5, Bl. 9 d.A.). Zugleich war der Kläger von Januar 2007 bis einschließlich Dezember 2013 ständiger Vertreter des Abteilungsleiters Vertrieb. Angaben zur beruflichen Entwicklung des Klägers finden sich auch im Zwischenzeugnis vom 31. Juli 2009. Für den Inhalt des Zwischenzeugnisses wird auf die Anlage K 11, Bl. 65 ff. d.A. Bezug genommen.
Während seiner Tätigkeit für die Beklagte absolvierte der Kläger eine dreijährige berufsbegleitende Weiterbildung zum staatlich geprüften Betriebswirt an der Beruflichen Schule für Wirtschaft Hamburg-1. Zu dieser Weiterbildung enthält der Internetauftritt der Schule (Anlage K 12, Bl. 115 d.A.) u a. folgende Angaben:
"...Die dreijährige Weiterbildung zum / zur Staatlich gepr. Betriebswirt/in ist praxisnäher und weniger theoretisch als das Studium an einer Hochschule, ist aber nach dem deutschen Qualifikationsrahmen (DQR) auf der Niveaustufe 6 dem Bachelor gleichgestellt.
Im Vergleich zum/zur IHK-Betriebswirt/in ist die dreijährige Weiterbildung zum/zur Staatl. Gepr. Betriebswirt/in wesentlich umfangreicher (Regelstundenzeit 2.400). Sie ist von Anfang an branchen- und funktionsübergreifend angelegt, und sie endet mit einer staatlichen Prüfung. ..."
Bei der Beklagten werden drei Vertriebswege unterschieden: das Abonnement, das Internet und der stationäre Handel (Annahmestellen). Hierbei werden das Abonnement und das Internet unter dem Begriff "Direktmarketing" zusammengefasst. In der Vergangenheit war der Kläger als Abteilungsleiter Marketing für diese beiden Vertriebswege zuständig, die insgesamt rund 15 % des Umsatzes erwirtschaften. Für den terrestrischen Vertrie...