Entscheidungsstichwort (Thema)
Zugangsfiktion für Einschreiben mit Rückschein. Unwirksame Kündigung bei fehlendem Nachweis des Zugangs eines Kündigungsschreibens
Leitsatz (amtlich)
1. Bei einem Einschreiben mit Rückschein ersetzt der Zugang des Benachrichtigungsscheins nicht den Zugang des Einschreibens.
2. Soll ausnahmsweise der Zugang nach Treu und Glauben fingiert werden, müssen drei Voraussetzungen kumulativ vorliegen: (1) Es muss ein Benachrichtigungsschein in den Machtbereich des Empfängers gelangt sein; (2) der Empfänger musste ausnahmsweise mit dem Zugang einer schriftlichen Willenserklärung rechnen und deshalb Empfangsvorkehrungen treffen; (3) nach Kenntnis des nicht erfolgten Zugangs muss der Erklärende unverzüglich einen erneuten Versuch unternehmen, die Erklärung zuzustellen.
Normenkette
BGB §§ 242, 130 Abs. 1 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 29.08.2014; Aktenzeichen 13 Ca 233/14) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Teilurteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 29. August 2014 - 13 Ca 233/14 - wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten u.a. um die Frage, ob ihr Arbeitsverhältnis im Juni 2014 endete.
Der am xxx 1984 geborene Kläger war seit dem 1. September 2013 für die Beklagte als Bauhelfer tätig (Arbeitsvertrag vom 14. August 2013 Anl. K 1, Bl. 4 d.A.). Er verdiente ca. € 2.400,- brutto monatlich.
Am 30. Mai 2014 endete der Urlaub des Klägers. Am Montag, dem 2. Juni 2014 erschien der Kläger nicht zur Arbeit. Nachdem er auch an den folgenden Tagen fehlte, übersandte ihm die Beklagte am Freitag, den 6. Juni 2014 per Einschreiben mit Rückschein (Anl. B 1, Bl. 15 d.A.) die fristgemäße Kündigung zum 20. Juni 2014 (Anl. B 2, Bl. 22 d.A.). Der Kläger wurde nicht angetroffen, das Einschreiben bei der Post hinterlegt, dort vom Kläger nicht abgeholt und an die Beklagte, dort eingehend am 20. Juni 2014, zurückgeschickt.
Mitte Juli 2014 erhielt der Kläger die Abrechnung für den Monat Juni 2014 (Anl. K 2, Bl. 6 d.A.) mit einem dort angegebenen Austrittsdatum 20. Juni 2014. Dieses Datum findet sich in der zugleich übersandten Meldebescheinigung zur Sozialversicherung (Anl. K 4, Bl. 8 d.A.).
Mit der am 17. Juni 2014 bei Gericht eingegangenen Klage begehrt der Kläger u.a. die Feststellung, dass das Arbeitsverhältnis nicht zum 20. Juni 2014 beendet wurde.
Eine weitere Kündigung wurde von der Beklagten unter dem 3. September 2014 ausgesprochen, die - da nicht angefochten - das Arbeitsverhältnis jedenfalls zum 16. September 2014 beenden würde.
Der Kläger hat vorgetragen, er habe sich für die Zeit nach seinem Urlaub bei der Beklagten krankgemeldet. Er habe stets seinen Briefkasten geleert. Einen Benachrichtigungsschein habe er nicht vorgefunden. Die Beendigung des Arbeitsverhältnisses habe ihn überrascht.
Der Kläger hat beantragt,
1. festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis des Klägers mit der Beklagten nicht zum 20. Juni 2014 beendet ist, sondern fortbesteht;
2. die Beklagte zu verurteilen, an ihn € 1.218,25 brutto nebst Zinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat vorgetragen, ihr Polier und seine Kollegen hätten in der Woche ab dem 2. Juni 2014 mehrfach vergeblich versucht, den Kläger telefonisch zu erreichen. Ihr Polier habe den Kläger sogar am 5. Juni 2014 unter seiner Privatanschrift aufgesucht und nicht angetroffen. Eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung habe sie nicht erhalten. Es sei typisch, dass der Kläger es nicht als notwendig erachtet habe, das Einschreiben abzuholen. Die Beklagte hat die Rechtsauffassung vertreten, der Zugang des Einschreibens mit der Kündigung sei zu fingieren, die Drei-Wochen-Frist zur Klagerhebung daher abgelaufen.
Durch das der Beklagten am 26. September 2014 zugestellte Teilurteil vom 29. August 2014, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht dem Feststellungsantrag stattgegeben.
Hiergegen richtet sich die am Montag, 27. Oktober 2014 eingelegte und mit am 25. November 2014 beim Landesarbeitsgericht Hamburg eingegangenem Schriftsatz begründete Berufung der Beklagten.
Die Beklagte wiederholt, dass eine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung ihr nicht vorgelegen habe. Der Kläger habe somit unentschuldigt gefehlt. Er hätte deshalb mit einer arbeitsrechtlichen Maßnahme der Beklagten rechnen müssen. Es sei ein Benachrichtigungsschein bei ihm eingegangen (Beweis: Zeugnis eines instruierten Vertreters der Deutschen Post).
Die Beklagte beantragt,
unter Abänderung des Teilurteils des Arbeitsgerichts Hamburg vom 29. August 2014 - 13 Ca 233/14 -
die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt die angefochtene Entscheidung unter Wiederholung seines Vorbringens.
Hinsichtlich des weiteren Vorbringens der Parteien, ihrer Beweisantritte und der von ihnen überreichten Unterlagen sowie ihrer Rechtsausführungen wird ergänzend auf den gesamten Akteninhalt Bez...