Entscheidungsstichwort (Thema)

Zweifel an der Prozessfähigkeit bei Führung einer Vielzahl aussichtsloser Verfahren wegen Benachteiligung. Unzulässige Klage einer Stellenbewerberin bei fehlender Bereitschaft zur Begutachtung durch einen gerichtlichen Sachverständigen

 

Leitsatz (amtlich)

1. Von ausgeprägtem Querulantenwahn kann ausgegangen werden, wenn die Vorstellungen eines Klägers von einer eindeutigen Beeinträchtigung eigener Rechte sich weiter intensivieren und Zweifel an der Rechtmäßigkeit der eigenen Position nicht mehr zugelassen werden, absolute Uneinsichtigkeit und Selbstgerechtigkeit sich mit einer Ausweitung des Kampfes vom ursprünglichen Gegner auf andere Menschen und Instanzen verbindet und ein Kläger nicht mehr in der Lage ist, die verfahrensmäßige Behandlung seiner Ansprüche durch die Gerichte nachzuvollziehen (vgl. Saarländisches Oberlandesgericht Saarbrücken, Beschluss vom 12. Januar 1998 - 5 W 9/97 - 8 -, juris; BGH, Urteil vom 04. November 1999 a.a.O.).

2. Für einen Ausschluss der Steuerungsfähigkeit kann auch sprechen, dass ein Kläger eine große Zahl von aussichtslosen Verfahren wegen angeblicher Diskriminierung führt und damit Gerichts- und Anwaltskosten gegen sich in einer Höhe verursacht, die seine wirtschaftliche Existenz auf Dauer jedenfalls erheblich bedrohen.

3. Bestehen erhebliche Zweifel an der Prozessfähigkeit, hat die fehlende Bereitschaft eines Klägers zur Mitwirkung an der Feststellung seiner Prozessfähigkeit zur Folge, dass insofern nach Beweislast zu entscheiden und von der Prozessunfähigkeit des Klägers auszugehen ist (im Anschluss an BAG, Urteil vom 20. Januar 2000 - 2 AZR 733/98, juris).

 

Normenkette

ZPO § 51; AGG § 15; ZPO § 52; BGB § 104 Nr. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 13.03.2014; Aktenzeichen 17 Ca 427/13)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 11.01.2018; Aktenzeichen 8 AZA 83/17)

 

Tenor

Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 13. März 2014 - 17 Ca 427/13 - wird zurückgewiesen.

Die Klägerin hat die Kosten des Berufungsverfahrens zu tragen.

Die Revision wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

Die Klägerin verlangt von der Beklagten die Zahlung einer Entschädigung wegen behaupteter Benachteiligung im Bewerbungsverfahren.

Im Juli 2013 schrieb die Beklagte eine bei ihr zu besetzende Stelle aus. Der Ausschreibungstext lautete:

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Die Klägerin bewarb sich unter Verwendung des von der Beklagten zur Verfügung gestellten Online-Bewerbungsformulars auf die ausgeschriebene Stelle.

Mit E-Mail vom 22. Juli 2013 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie die Bewerbung der Klägerin sorgfältig geprüft, die Entscheidung aber leider nicht zu Gunsten der Klägerin getroffen habe.

Mit E-Mail vom 9. September 2013 machte die Klägerin gegenüber der Beklagten Ansprüche nach dem AGG geltend und verlangte eine Entschädigung von € 14.000,00.

Die Klägerin hat mit ihrer am 9. September 2013 beim Arbeitsgericht eingegangenen Klage die Auffassung vertreten, dass sie die fachlichen Anforderungen der ausgeschriebenen Stelle erfülle und sich zudem ernsthaft auf sie beworben habe. Ihre Nichtberücksichtigung durch die Beklagte benachteilige sie mehrfach wegen ihres Alters, ihres Geschlechts und ihrer russischen Herkunft.

Die Klägerin hat beantragt,

die Beklagte zu verpflichten, der Klägerin mindestens 4 Bruttomonatsgehälter, € 14.000,00, ne...

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