Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsbedingte Kündigung eines ausländischen Arbeitgebers. Anwendbarkeit des KSchG. Weiterbeschäftigung in einem ausländischen Betrieb
Leitsatz (amtlich)
Der Erste Abschnitt des Kündigungsschutzgesetzes ist nur auf in Deutschland gelegene Betriebe anwendbar. Vom Gekündigten benannte Weiterbeschäftigungsmöglichkeiten in einem im Ausland gelegenen Betrieb eines ausländischen Unternehmens bleiben bei der Prüfung der sozialen Rechtfertigung einer Kündigung nach Stilllegung des inländischen Betriebs ebenso unberücksichtigt wie die Frage, ob nach Verteilung von im inländischen Betrieb angefallener Arbeit auf den ausländischen Betrieb dort Beschäftigte zu überobligatorischen Leistungen veranlasst werden.
Normenkette
KSchG § 1 Abs. 1-2, § 23
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts H. vom 20. Oktober 2010 – 3 Ca 203/10 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer betriebsbedingten Kündigung.
Die Klägerin, geboren am 18. Mai 1957, war bei der Beklagten seit dem 1. September 1998 zuletzt als Sales Manager zu einem durchschnittlichen Bruttomonatsgehalt (einschließlich 13. Monatsgehalt und Urlaubsgeld) von zuletzt EUR 3.078,54 im Büro der Beklagten am Standort H. beschäftigt. Unter Ziffer 9.1. des Arbeitsvertrages (Anlage K 1, Bl. 8 d. A.) vereinbarten die Parteien eine beiderseitige Kündigungsfrist von sechs Wochen zum Quartalsende.
Die Beklagte ist eine Kapitalgesellschaft ungarischen Rechts mit Hauptsitz in B., die eine Fluglinie betreibt. Sie beschäftigte in Büros in Deutschland zuletzt in H. drei Arbeitnehmer, darunter die Klägerin, in Berlin zehn Arbeitnehmer, in S. und F. am Main jeweils einen Arbeitnehmer und in München zwei Arbeitnehmer, wobei das Büro in F. am Main bereits im Jahr 2006 geschlossen wurde. Ein Betriebsrat besteht nicht.
Unter dem 8. September 2009 fasste der Vorstand der Beklagten vor dem Hintergrund der Weltwirtschaftskrise den Beschluss, alle ausländischen Büros in Europa außerhalb Ungarns zu schließen (Anlage B 1, Bl. 27 d. A.). Die Beklagte kündigte mit Schreiben vom 22. April 2010 die Arbeitsverhältnisse sämtlicher Mitarbeiter in Deutschland mit Ausnahme der sich in Elternzeit befindenden und schwerbehinderten Mitarbeiter. Die Mietverhältnisse über die Büros in Deutschland wurden Ende April/ Anfang Mai 2010 gekündigt. Die notwendig vor Ort zu erledigenden Tätigkeiten wurden am 1. Mai 2010 auf den externen Dienstleister A. übertragen. Während die Parteien im ersten Rechtszug noch darüber stritten, ob dies ein Betriebsübergang nach § 613a BGB sei, gehen die Parteien im zweiten Rechtszug übereinstimmend davon aus, dass kein Betriebsübergang vorgelegen habe, sondern der Hauptanteil der zuvor von den deutschen Mitarbeitern der Beklagten ausgeübten Verkaufstätigkeiten zukünftig vom Geschäftssitz der Beklagten in B. ausgeführt werde.
Mit Schreiben vom 22. April 2010 (Anlage K 3, Bl. 11 d. A.) kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis mit der Klägerin „aus betriebsbedingten Gründen fristgerecht zum nächstzulässigen Termin” und berechnete diesen auf den 31. August 2010. Das Kündigungsschreiben wurde am 29. April 2010 durch einen Kurier an eine Frau St. übergeben, welche das Kündigungsschreiben am 13. Mai 2010 an die Klägerin aushändigte.
Mit der am 19. Mai 2010 beim Arbeitsgericht H. eingegangenen, der Beklagten am 27. Mai 2010 zugestellten Klage hat die Klägerin Kündigungsschutz und Weiterbeschäftigung begehrt. Sie ist der Auffassung gewesen, dass die Kündigung, die ihr erst am 13. Mai 2010 zugegangen sei, sozial ungerechtfertigt sei. Es hätte der Durchführung einer Sozialauswahl bedurft. Zudem hätte sie in B. weiterbeschäftigt werden können, da nicht davon auszugehen sei, dass die Mitarbeiter der Beklagten in B. nunmehr zusätzliche Dienstleistungen ohne Mehrarbeit würden verrichten können. Die Beklagte hätte vor Ausspruch einer Beendigungskündigung eine Änderungskündigung als milderes Mittel aussprechen müssen. Außerdem hat sie vorgetragen, dass der Dienstleister A. nunmehr die Vermarktung und den Verkauf von Tickets vornehme, die Kündigung daher auch unwirksam sei, da sie wegen eines Betriebsübergangs erfolgte.
Sie, die Klägerin, hat zunächst beantragt,
- festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung der Beklagten, datiert auf den 22.04.2010, der Klägerin zugegangen am 13.05.2010, nicht aufgelöst wird, sondern fortbesteht,
- die Beklagte zu verurteilen, die Klägerin über den Ablauf der Kündigungsfrist hinaus zu unveränderten Bedingungen als „Sales Manager” weiter zu beschäftigen.
Im Gütetermin am 18. Juni 2010 ist für die Beklagte niemand erschienen, so dass der Klägervertreter ein Versäumnisurteil zu seinen Gunsten erwirkt hat (vgl. Versäumnisurteil vom 18. Juni 2010 – 3 Ca 203/10 – Bl. 16-18 d. A.). Das Versäumnisurteil vom 18. Juni 2010 ist der Beklagten am 22. Juni 2010 zugestellt worden. Mittels eines am 25. Juni 2010 bei Gericht eing...