Entscheidungsstichwort (Thema)

Urlaubsberechnung für Vollkonti-Mitarbeiter. Zeitlich gleichwertiger Urlaub

 

Leitsatz (amtlich)

Die Zahl der Urlaubstage gemäß § 12 II MTV-Chemie errechnet sich für Vollkonti-Mitarbeiter nach den vom Bundesarbeitsgericht aufgestellten Grundsätzen (Urteile vom 22. Oktober 1991 und vom 18. Februar 1997, AP Nr. 6 zu § 3 BUrlG und EzA BUrlG § 3, 20).

Mangels konkreter Anhaltspunkte kann nicht angenommen werden, daß der Arbeitgeber, der bereits vor der Entsch. vom 22. Oktober 1991 nach einer anderen Formel und für den Arbeitnehmer günstiger die Urlaubstage errechnete, nicht lediglich (entsprechend seinem Verständnis) Tarifurlaub gewähren wollte.

Setzt der Arbeitgeber auch nach der Entscheidung vom 22. Oktober 1991 seine bisherige Handhabung fort, kann der Arbeitnehmer nicht darauf vertrauen, daß ihm nunmehr übertariflicher Urlaub gewährt werden soll, daß der Arbeitgeber ihm mithin bewußt eine tariflich nicht geschuldete Leistung erbringen will.

Es spricht vor allem nicht zu Lasten des Arbeitgebers der erste Anschein dafür, daß er sogleich Kenntnis von der höchstrichterlichen Rechtsprechung zur Urlaubsberechnung für Vollkonti-Mitarbeiter in der Chemischen Industrie erhalten hat.

Die Behauptung, der Arbeitgeber habe trotz Kenntnis von der (neuen) Rechtsprechung an seiner bisherigen Berechnung bewußt festgehalten, ist prozessual unbeachtlich, weil „ins Blaue” hinein aufgestellt, wenn der klagende Arbeitnehmer seine Behauptungen nicht plausibel machen kann, zumindest keinerlei Anhaltspunkte für die Richtigkeit seiner Behauptung nennt.

 

Normenkette

MTV-Chemie § 12 Abschn. II; BUrlG § 3

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 15.11.2000; Aktenzeichen 12 Ca 128/00)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 05.11.2002; Aktenzeichen 9 AZR 470/01)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 15. November 2000 – 12 Ca 128/00 – wird auf seine Kosten zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten darüber, wie sich angesichts der vollkontinuierlichen Wechselschicht die Anzahl der dem Kläger tariflich zustehenden Urlaubsschichten errechnet.

Die Beklagte, ein Unternehmen der Chemischen Industrie, erzeugt im Wege der Schmelzflußelektrolyse Aluminium, das sie zu Halbzeugprodukten vergießt. Sie beschäftigt etwa 550 Arbeitnehmer, die ca. zur Hälfte in vollkontinuierlicher Wechselschicht arbeiten. Für den Betrieb der tarifgebundenen Beklagten gilt der MTV für die Chemische Industrie (MTV-Chemie). Die Dauer einer Schicht beträgt für Vollkonti-Mitarbeiter laut Tarif 8 Stunden ohne Pause. Die tarifliche Wochenarbeitszeit beträgt 37,5 Stunden. Nach § 12 MTV besteht ein Tarifurlaub von 30 Urlaubstagen. Wer überwiegend in vollkontinuierlicher Wechselschicht arbeitet, hat Anspruch auf drei Tage Zusatzurlaub. Die tarifliche Norm hat folgenden Wortlaut:

㤠12 Urlaub

I.

II.

Urlaubsdauer

1. Der Urlaub beträgt 30 Urlaubstage.

2. Arbeitnehmer, die im Urlaubsjahr überwiegend in vollkontinuierlicher Wechselschicht eingesetzt sind und die deshalb regelmäßig nach ihrem Schichtplan Sonntagsarbeit leisten, erhalten einen Zusatzurlaub von 3 Urlaubstagen; Arbeitnehmer, die nicht überwiegend, aber mindestens 3 Monate im Urlaubsjahr in vollkontinuierlicher Wechselschicht eingesetzt sind, erhalten einen Zusatzurlaub von 1 Urlaubstag.

Arbeitnehmer, die nicht regelmäßig nach ihrem Schichtplan Sonntagsarbeit leisten, deren Arbeitsplatz aber gem. § 4 Abschnitt III Ziff. 1 als vollkontinuierlich gilt, erhalten einen Zusatzurlaub von 2 Urlaubstagen.

3. Amtlich anerkannte Schwerbehinderte erhalten den gesetzlichen Zusatzurlaub.

4. Für die Berechnung des sich aus den Ziffern 1, 2 und 3 ergebenden Urlaubs zählen als Urlaubstage grundsätzlich die Arbeitstage mit Ausnahme der Sonntage und der gesetzlichen Feiertage.

Für Arbeitnehmer, die regelmäßig in 5-Tage-Woche mit einem arbeitsfreien Werktag, insbesondere mit arbeitsfreiem Samstag beschäftigt sind, zählen als Arbeitstage die Tage, an denen der Arbeitnehmer auf Grund der regelmäßigen tariflichen wöchentlichen Arbeitszeit zu arbeiten hätte.

Arbeitnehmern, deren regelmäßige Arbeitszeit auf mehr oder weniger als 5 Werktage in der Woche verteilt ist, ist ein zeitlich gleichwertiger Urlaub zu gewährleisten; das gilt insbesondere für Arbeitnehmer in regelmäßiger Schichtarbeit, Arbeitnehmer mit Arbeitsbereitschaft und für Teilzeitbeschäftigte. Der Urlaub dieser Arbeitnehmer gilt dann als zeitlich gleichwertig, wenn er unter Einrechnung der in die Urlaubszeit fallenden arbeitsfreien Werktage ebenso viele Werktage umfaßt wie bei der Urlaubsberechnung nach Absatz 2; hierbei sind die jeweiligen Schichtpläne und die danach anfallenden arbeitsfreien Werktage zu berücksichtigen.

Bei einer ungleichmäßigen Verteilung der Arbeitszeit muß sichergestellt werden, daß der Urlaub zeitlich und in bezug auf ausfallende Arbeitszeit gleichwertig ist.

Näheres kann durch Betriebsvereinbarung geregelt werden. Dabei müssen die tariflichen Urlaubsansprüche – einschließlich der Ansprüch...

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