Entscheidungsstichwort (Thema)
Mitbestimmung bei der Betriebsrentenanpassung aufgrund einer Gesamtbetriebsvereinbarung mit Anpassungsvorbehalt. Zahlungsklage auf wiederkehrende Leistungen bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zu den finanziellen Gründen ihrer Anpassungsentscheidung
Leitsatz (amtlich)
1. Sieht eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung vor, dass die dort geregelte Gesamtversorgung entsprechend der Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung steigen soll, und ist gleichzeitig zugunsten der Arbeitgeberin ein Anpassungsvorbehalt vorgesehen, wonach etwas anderes beschlossen werden darf, sofern die grundsätzlich vorgesehene Steigerung "für nicht vertretbar" gehalten wird, so erfordert das Gebrauchmachen dieses Anpassungsvorbehalts das Vorliegen hinreichender wirtschaftlicher Gründe.
2. Ist nach der Gesamtbetriebsvereinbarung die Erhöhung der Gesamtversorgungsbezüge geregelt, so verstößt die Entscheidung der Arbeitgeberin, nur einen Bestandteil der Gesamtversorgungsbezüge zu erhöhen, gegen die Verteilungsgrundsätze der Gesamtbetriebsvereinbarung und ist damit unwirksam. Gleichzeitig verstößt die Arbeitgeberin gegen das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, da sich das Mitbestimmungsrecht in Bezug auf die Verteilungsgrundsätze auch auf ausgeschiedene Mitarbeiter erstreckt.
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10, § 77 Abs. 4 S. 1; ZPO § 258
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 03.11.2016; Aktenzeichen 29 Ca 588/15) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 3. November 2016 (29 Ca 588/15) wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um einen Anspruch auf höhere Rentenanpassung.
Die Beklagte ist ein Lebensversicherungsunternehmen, das in den deutschen A.-Konzern eingebunden ist.
Die klagende Partei war vom 1.07.1974 bis zum 30.06.2011 bei einem Unternehmen des B.-Konzerns tätig, dessen Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Sie bezieht seit dem 1.07.2011 betriebliche Versorgungsleistungen.
Die B. errichtete in den 60iger Jahren eine betriebliche Altersversorgung, die als "Betriebliches Versorgungswerk" (kurz: BVW) bezeichnet wird.
Unter dem 8. Juli 1987 schlossen der Gesamtbetriebsrat und die B. AG die Betriebsvereinbarung "Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes" (Anl. K1 - i.d.F. vom 19.4.2002, Bl. 9 ff d.A.). Diese Betriebsvereinbarung gliedert sich in Grundbestimmungen, Ausführungsbestimmungen und Übergangsbestimmungen.
Die als Gesamtversorgungsbezüge bezeichnete Leistung (vgl. §§ 4 und 5 der Ausführungsbestimmungen, im Folgenden: AusfBest BVW) ergibt sich daraus, dass zunächst ein bestimmtes Versorgungsniveau ermittelt wird (vgl. hierzu § 4 der AusfBest BVW). Sodann wird unter Berücksichtigung der in § 5 der Ausführungsbestimmungen genannten Leistungen (im Wesentlichen gesetzliche Rentenleistungen und Rentenleistungen einer konzerneigenen Versorgungskasse) bestimmt, ob das Versorgungsniveau erreicht wird. Ergibt sich eine Differenz, wird diese mittels der Betriebsrente, auch als Pensionsergänzungsrente bezeichnet, ausgeglichen (vgl. § 5 AusfBest BVW). Auf den Abrechnungen werden die Leistungen der konzerneigenen Versorgungskasse als "V1-Altersrente" und die Pensionsergänzungsrente als "V2-Rente" bezeichnet.
Bis zum 30. Juni 2015 erhielt die klagende Partei, die aus dem Betrieblichen Versorgungswerk unstreitig anspruchsberechtigt ist, monatlich eine V1-Altersrente in Höhe von € 811,34 und eine V2-Rente in Höhevon € 1.285,51 (vgl. Anl. K 3, Bl. 37 d.A.).
Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge ist in § 6 der AusfBest BVW wie folgt geregelt:
"§ 6 Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse
1. Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst. (...)
2. Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.
3. Hält der Vorstand die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte/des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll.
Der Beschluss ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1.
4. Eine Erhöhung der Pensionsergänzungszahlung kann im Einzelfall nicht durchgeführt werden, soweit und solange die nach § 5 der Ausführungsbestimmungen anzurechnenden Bezüge und die nach § 4 der Ausführungsbestimmungen. vorgesehenen Gesamtversorgungsbezüge, erreichen oder überschreiten.
Betriebsangehörige, die ein Pensionsergänzung zu den Leistungen der Versorgungskasse zunächst nicht bekommen haben, weil ihre anzurechnenden Bezüge die vorgesehenen Gesamtversorgungsbezüge erreichen oder überschreiten, erhalten gegebenenfalls bei Veränderung nach der Ziffer 1 oder 3 später eine Pensionsergänzun...