Entscheidungsstichwort (Thema)

Mitbestimmung bei der Betriebsrentenanpassung aufgrund einer Gesamtbetriebsvereinbarung mit Anpassungsvorbehalt. Zahlungsklage auf wiederkehrende Leistungen bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zu den finanziellen Gründen ihrer Anpassungsentscheidung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Sieht eine Gesamtbetriebsvereinbarung zur betrieblichen Altersversorgung vor, dass die dort geregelte Gesamtversorgung entsprechend der Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung steigen soll, und ist gleichzeitig zugunsten der Arbeitgeberin ein Anpassungsvorbehalt vorgesehen, wonach etwas anderes beschlossen werden darf, sofern die grundsätzlich vorgesehene Steigerung "für nicht vertretbar" gehalten wird, so erfordert das Gebrauchmachen dieses Anpassungsvorbehalts das Vorliegen hinreichender wirtschaftlicher Gründe.

2. Ist nach der Gesamtbetriebsvereinbarung die Erhöhung der Gesamtversorgungsbezüge geregelt, so verstößt die Entscheidung der Arbeitgeberin, nur einen Bestandteil der Gesamtversorgungsbezüge zu erhöhen, gegen die Verteilungsgrundsätze der Gesamtbetriebsvereinbarung und ist damit unwirksam. Gleichzeitig verstößt die Arbeitgeberin gegen das Mitbestimmungsrecht aus § 87 Abs. 1 Nr. 10 BetrVG, da sich das Mitbestimmungsrecht in Bezug auf die Verteilungsgrundsätze auch auf ausgeschiedene Mitarbeiter erstreckt.

 

Normenkette

BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 10, § 77 Abs. 4 S. 1; ZPO § 258

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Entscheidung vom 15.09.2016; Aktenzeichen 7 Ca 212/16)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 25.09.2018; Aktenzeichen 3 AZR 364/17)

 

Tenor

Auf die Anschlussberufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 15. September 2016 (7 Ca 212/16) teilweise abgeändert und zur Klarstellung insgesamt wie folgt neu gefasst:

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger € 329,85 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf einen Betrag von jeweils € 36,65 brutto seit dem 1.8.2015, 1.9.2015, 1.10.2015, 1.11.2015, 1.12. 2015, 1.1.2016, 1.2.2016, 1.3.2016 und 1.4.2016 zu zahlen.

Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger ab dem 1.4.2016 monatlich € 36,65 brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz auf diesen Betrag jeweils ab dem 01. des Folgemonats zu zahlen.

Die Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.

Die Beklagte trägt die Kosten des Rechtsstreits.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten um einen Anspruch auf höhere Rentenanpassung.

Die Beklagte ist ein Lebensversicherungsunternehmen, das in den deutschen A.-Konzern eingebunden ist.

Der Kläger war bis zum 31.12.2008 bei der B. AG beschäftigt, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Das Arbeitsverhältnis begann vor dem 31.03.1985. Er bezieht seit dem 01.01.2009 betriebliche Versorgungsleistungen durch die Beklagte.

Die B. errichtete in den 60iger Jahren eine betriebliche Altersversorgung, die als "Betriebliches Versorgungswerk" (kurz: BVW) bezeichnet wird.

Unter dem 8. Juli 1987 schlossen der Gesamtbetriebsrat und die B. AG die Betriebsvereinbarung "Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes" (Anl. K1 - i.d.F. vom 19.4.2002, Bl. 7 ff d.A.). Diese Betriebsvereinbarung gliedert sich in Grundbestimmungen, Ausführungsbestimmungen und Übergangsbestimmungen.

Die als Gesamtversorgungsbezüge bezeichnete Leistung (vgl. §§ 4 und 5 der Ausführungsbestimmungen, im Folgenden: AusfBest BVW) ergibt sich daraus, dass zunächst ein bestimmtes Versorgungsniveau ermittelt wird (vgl. hierzu § 4 der AusfBest BVW). Sodann wird unter Berücksichtigung der in § 5 der Ausführungsbestimmungen genannten Leistungen (im Wesentlichen gesetzliche Rentenleistungen und Rentenleistungen einer konzerneigenen Versorgungskasse) bestimmt, ob das Versorgungsniveau erreicht wird. Ergibt sich eine Differenz, wird diese mittels der Betriebsrente, auch als Pensionsergänzungsrente bezeichnet, ausgeglichen (vgl. § 5 AusfBest BVW). Auf den Abrechnungen werden die Leistungen der konzerneigenen Versorgungskasse als "V1-Altersrente" und die Pensionsergänzungsrente als "V2-Rente" bezeichnet.

Bis zum 30. Juni 2015 erhielt die klagende Partei, die aus dem Betrieblichen Versorgungswerk unstreitig anspruchsberechtigt ist, monatlich eine V1-Altersrente in Höhe von € 1.069,94 und eine V2-Rente in Höhevon € 883,78 (vgl. Anl. K 4, Bl. 38 d.A.).

Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge ist in § 6 der AusfBest BVW wie folgt geregelt:

"§ 6 Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse

1. Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst. (...)

2. Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.

3. Hält der Vorstand die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte/des Gesamtbetriebsrates dem Aufsi...

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