Entscheidungsstichwort (Thema)
Bindung des Landesarbeitsgerichts an die rechtliche Beurteilung durch das Bundesarbeitsgericht. Keine Altersdiskriminierung bei Änderung tariflicher Kündigungsfristen durch einen Sozialplan. Unionsrechtliche Konformität einheitlicher kürzerer Kündigungsfristen
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Landesarbeitsgericht hat die rechtliche Beurteilung, die der Aufhebung seines früheren Berufungsurteils durch das Bundesarbeitsgericht zugrunde gelegen hat, seiner neuen Entscheidung zugrunde zu legen, damit ein "Hin- und Herschieben" des Rechtsstreits zwischen zwei Instanzgerichten ausgeschlossen ist (§§ 563 Abs. 2 ZPO, 72 Abs. 5 ArbGG).
2. Sieht ein Tarifvertrag vor, dass "bei Anwendung von Sozialplänen" eine einheitliche Kündigungsfrist von einem Monat zum Monatsende gilt, die sonst längeren Kündigungsfristen für ältere Arbeitnehmer also nicht anwendbar sind, liegt darin keine Benachteiligung "in besonderer Weise" wegen des Alters i.S.d. § 3 Abs. 2 Hs. 1 AGG. Denn die Tarifvorschrift betrifft nicht typischerweise Arbeitnehmer eines bestimmten, höheren Lebensalters, sondern alle Personen einer bestimmten Altersgruppe im Vergleich zu anderen Altersgruppen gleichmäßig.
3. Der Europäische Gerichtshof hat zu Art. 2 Abs. 2 Buchst. b) RL 2000/78/EG festgestellt, dass der Begriff "in besonderer Weise benachteiligen" bedeutet, dass für die Frage einer unmittelbaren oder mittelbaren Diskriminierung ausschließlich auf eine quantitative Betrachtungsweise abzustellen ist. Diese Betrachtung kann bei einem Sozialplan, der wegen Betriebsschließung alle Arbeitnehmer, keinesfalls aber "quantitative" Gruppen von Älteren oder anderen geschützten Personen betrifft, nicht durchgreifen.
Normenkette
RL 2000/78/EG Art. 2 Abs. 2 Buchst. b); AEUV Art. 267; KSchG § 6 Abs. 1; ZPO § 563 Abs. 2; ArbGG § 72 Abs. 5; AGG § 3 Abs. 2 Hs. 1; RTV Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe § 21 Nr. 1 Abs. 2 Fassung: 2001-09-12, Abs. 5 Fassung: 2001-09-12
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 24.05.2017; Aktenzeichen 24 Ca 246/16) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 24. Mai 2017 - 24 Ca 246/16 - wird auch zurückgewiesen, soweit sie sich gegen die Abweisung des Klageantrages zu 1. nebst Hilfsantrag richtet.
Die Kosten des Berufungsverfahrens und des Revisionsverfahrens beim Bundesarbeitsgericht - 2 AZR 577/18 - hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten in der Berufungsinstanz nach Zurückverweisung durch das Bundesarbeitsgericht nur noch über den Zeitpunkt der Beendigung ihres Arbeitsverhältnisses.
Der am XX. XX. XXXX geborene und verheiratete Kläger war seit dem 01. Januar 1991 zunächst bei Rechtsvorgängern der Beklagten und später bei dieser als Hafenarbeiter zu einer monatlichen Vergütung von zuletzt 4.867,03 € brutto beschäftigt.
Die Beklagte betrieb im Hamburger Hafen einen Terminalbetrieb. Sie beschäftigte regelmäßig mehr als zehn Arbeitnehmer mit einer wöchentlichen Arbeitszeit von mehr als 30 Stunden ohne die zu ihrer Berufsbildung Beschäftigten.
Es bestand ein Betriebsrat.
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien fand der "Rahmentarifvertrag für die Hafenarbeiter der deutschen Seehafenbetriebe" vom 13. September 2001 (künftig: RTV-Hafenarbeiter) in Verbindung mit den "Sonderbestimmungen für den Hamburger Hafen" vom 26. November 2014 Anwendung. Dies haben die Parteien zweitinstanzlich ausdrücklich unstreitig gestellt (Sitzungsprotokoll des Landesarbeitsgerichts vom 14. November 2020 - 5 Sa 25/20 -, Bl. 652 [653] d.A.). Der RTV-Hafenarbeiter regelt:
"§ 21
Kündigung
1. [1] Zwischen dem Hafeneinzelbetriebsarbeiter und dem Hafeneinzelbetrieb sowie zwischen dem Gesamthafenarbeiter und dem zuständigen Verwaltungsträger des Gesamthafenbetriebes beträgt die Kündigungsfrist für beide Seiten 4 Wochen.
[2] Hat das Arbeitsverhältnis einschließlich der Ausbildungszeit bei demselben Arbeitgeber 5 Jahre bestanden, so erhöht sich diese Kündigungsfrist auf einen Monat zum Monatsende.
[3] Hat das Arbeitsverhältnis einschließlich der Ausbildungszeit bei demselben Arbeitgeber 10 Jahre bestanden, so erhöht sich diese Kündigungsfrist auf 3 Monate zum Ende eines Kalendervierteljahres.
[4] Hat das Arbeitsverhältnis einschließlich der Ausbildungszeit 15 Jahre bei demselben Arbeitgeber bestanden, beträgt diese Kündigungsfrist 6 Monate zum Ende eines Kalendervierteljahres; hat das Arbeitsverhältnis einschließlich der Ausbildungszeit 15 Jahre bei demselben Arbeitgeber bestanden und hat der Hafenarbeiter das 50. Lebensjahr vollendet, beträgt diese Kündigungsfrist 9 Monate zum Ende eines Kalenderhalbjahres.
[5] Bei Anwendung von Sozialplänen regeln sich die Kündigungsfristen nach Abs. 2 dieser Ziffer."
Ihr Betriebsgelände hatte die Beklagte gemietet. Der Mietvertrag war befristet bis zum Ablauf des 31. Dezember 2016. Ende 2015 stellte sich heraus, dass weder eine Laufzeitverlängerung erreicht noch eine Ersatzfläche gefunden werden konnte.
Mit Gesellschafterbeschluss ...