Entscheidungsstichwort (Thema)

Interessenausgleich. Namensliste. Betriebsübergang. Änderung der maßgeblichen Umstände

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Die Vermutungswirkung des § 1 Abs. 5 KSchG erstreckt sich auch darauf, dass eine Weiterbeschäftigung auf einem anderen Arbeitsplatz in einem Gemeinschaftsbetrieb nicht möglich ist und ein dringender betrieblicher Grund im Sinne von § 1 Abs. 2 KSchG vorliegt.

2. Für die Frage, ob sich nach Abschluss des Interessenausgleichs die Sachlage im Sinne von § 1 Abs. 5 S. 3 KSchG wesentlich verändert hat, ist der Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung maßgeblich.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 5; BetrVG § 111; BGB § 613a

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 15.12.2004; Aktenzeichen 23 Ca 66/04)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 15. Dezember 2004 – 23 Ca 66/04 – wird zurückgewiesen.

Der Kläger hat die Kosten der Berufung zu tragen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer von der Beklagten ausgesprochenen ordentlichen betriebsbedingten Kündigung.

Der im Zeitpunkt der Kündigung 52 Jahre alte Kläger war bei der Beklagten seit dem 16. Oktober 1980 als gewerblicher Arbeitnehmer in der Produktion als Produktionshelfer beschäftigt. Sein durchschnittliches Bruttomonatseinkommen betrug zuletzt EUR 2.500,00. Der Kläger ist seiner Ehefrau und einem Kind gegenüber unterhaltsverpflichtet. Die Beklagte beschäftigte zum Kündigungszeitpunkt regelmäßig mehr als 300 Mitarbeiter.

Unter dem Datum 03. März 2004 vereinbarte die Beklagte mit dem in ihrem Betrieb gewählten Betriebsrat einen Interessenausgleich (Anl. B 1, Bl. 15 ff. d.A.) und einen Sozialplan (Anl. B 2, Bl. 22 ff. d.A.).

In § 1 des Interessenausgleichs heißt es unter der Ziff. 1:

„Die Produktion von Fischerzeugnissen in HA wird spätestens zum Ende März 2005, abhängig von den noch zu erfüllenden Lieferverpflichtungen, sukzessive oder in einem Schritt aufgegeben und stillgelegt. Die Logistik und Kommissionierung am Standort HA wird ebenfalls eingestellt. Der verbleibende Betrieb, bestehend aus Vertrieb und der Verwaltung, werden nach HL verlagert.”

In § 2 des Interessenausgleichs heißt es wie folgt:

  1. „Bis zum Zeitpunkt der Stilllegung der Produktion wird die Produktion in dem Rahmen gewährleistet sein, dass noch bestehende Lieferverpflichtungen – auch unter Berücksichtigung von Zukäufen – bedient werden können. Deshalb wird die zeitliche Umsetzung der personellen Einzelmaßnahmen – betriebsbedingte Kündigungen – in Abhängigkeit der Produktionsanforderungen und der Saisonanforderungen erfolgen.
  2. Auf Grund der Stilllegung der Produktion und der Kommissionierung/Logistik verlieren sämtliche in diesem Bereich beschäftigten Mitarbeiter/innen ihren Arbeitsplatz aus betriebsbedingten Gründen. Diese betriebsbedingt zu kündigenden Mitarbeiter/innen werden wie folgt namentlich bezeichnet:

    Sie scheiden auf Grund betriebsbedingter Kündigung unter Einhaltung der ordentlichen Kündigungsfrist und/oder an deren Stelle auf Grund Aufhebungsvereinbarung aus dem Arbeitsverhältnis mit der G. KG aus. Die Kündigungen sollen – sofern möglich und vertretbar – an einem Stichtag ausgesprochen werden. ….”

In der Auflistung der Namen der zu kündigenden Mitarbeiter/innen (§ 2 Ziff. 2 des Interessenausgleichs) findet sich auf Seite 5 an vorletzter Stelle der Name des Klägers.

Der Sozialplan sieht unter § 2 Abs. 2 a einen Abfindungsanspruch für Mitarbeiter, die am 31. März 2004 eine Betriebszugehörigkeit von weniger als 10 Jahren aufgewiesen haben, von 100,00 EUR je Beschäftigungsjahr vor, und für Mitarbeiter mit einer längeren Betriebszugehörigkeit von EUR 225,00 je Beschäftigungsjahr.

Mit Schreiben vom 23. März 2004 hörte die Beklagte den Betriebsrat zur beabsichtigten fristgemäßen Kündigung des Klägers an (Anl. B 4, Bl. 27 d.A.). Zu diesem Schreiben gab der Betriebsrat am 29. März 2004 eine abschließende Stellungnahme ab (Anl. B 5, Bl. 28 d.A.), mit der er der beabsichtigten betriebsbedingten Kündigung ausdrücklich zustimmte.

Die Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis des Klägers mit Schreiben vom 29. März 2004 (Anl. K 1, Bl. 4 d.A.), dem Kläger zugegangen am 31. März 2004, fristgerecht zum 31. Dezember 2004, hilfsweise zum nächstmöglichen Termin. Auch die übrigen im Interessenausgleich aufgelisteten Arbeitnehmer erhielten fristgemäße Kündigungen. Nicht im Interessenausgleich aufgelistet und nicht entlassen wurden die acht Arbeitnehmer der Beklagten, die als Betriebsratsmitglieder besonderen Kündigungsschutz genießen.

Auf eine erste Massenentlassungsanzeige der Beklagten vom 15. April 2004 erging ein Bescheid der Bundesagentur für Arbeit vom 15. April 2004 (Anl. B 3, Bl. 26 d.A.), auf den Bezug genommen wird. Für die zum 31. Dezember gekündigten Arbeitnehmer der Beklagten, zu denen der Kläger gehört, erfolgte ausweislich des von der Beklagten als Anlage B 9 (Bl. 232 d.A.) zu Akte gereichten Zustimmungsbescheids der Bundesagentur für Arbeit vom 14. Dezember 2004 eine Massenentlassungsanzeige d...

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