Entscheidungsstichwort (Thema)
Interessenausgleich mit Namensliste. Kündigung wegen Betriebsübergang. Massenentlassungsanzeige
Leitsatz (redaktionell)
1. Eine Kündigung ist nur dann wegen eines Verstoßes gegen § 613a Abs. 4 BGB unwirksam, wenn der Betriebsübergang der Beweggrund für die Kündigung gewesen ist (Anschluss an BAG, Urteil v. 17.06.2003 – 2 AZR 134/02).
2. Kündigungen, die vor Bekanntwerden des Urteils des EuGH vom 27.01.2005 [Junk] ausgesprochen wurden, können wegen des Grundsatzes des Vertrauensschutzes nicht wegen Verstoßes gegen § 17 KSchG unwirksam sein.
Normenkette
KSchG § 17; BGB § 613a Abs. 4
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 02.08.2005; Aktenzeichen 9 Ca 660/04) |
Tenor
Die Berufung der Klägerin gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 02. August 2005 – 9 Ca 660/04 – wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten um den Fortbestand des zwischen ihnen geschlossenen Arbeitsverhältnisses.
Die 1975 geborene, ledige Klägerin ist seit dem 12. September 2000 bei der Beklagten als Arbeiterin in der Produktion zu einem durchschnittlichen Monatsverdienst von 1470,– EUR brutto beschäftigt (Arbeitsvertrag, Anl. K 1, Bl. 3ff d.A.).
Die Beklagte beschäftigte im Jahre 2004 etwa 110 Mitarbeiter, von denen der größte Teil wie die Klägerin in der Produktion beschäftigt war. In ihrem Produktionsbetrieb stellte die Beklagte verschiedene Lachsprodukte, Salate, Marinaden und andere Fischerzeugnisse her. Die Klägerin wurde in der Lachsschneideabteilung eingesetzt.
Die Beklagte schloss am 25. November 2004 mit dem bei ihr bestehenden Betriebsrat einen Interessenausgleich mit Namensliste (Anl. B 1, Blatt 15 bis 18 der Akte), auf dem auch der Name der Klägerin enthalten ist. In dem Interessenausgleich heißt es u.a.:
„§ 1 Nr. 3. Räucherei und Lachsschneideabteilung
Aufgabe der Eigenproduktion von weiten Teilen der so genannten Heißrauch-Produkte durch Fremdbezug und Anpassung an geänderte Produktionsvolumina führt zu einer Personalreduktion um 4 Stellen”
Insgesamt wurden so 22 Stellen abgebaut.
Mit einem Schreiben vom 26. November 2004 (Anl. B 3, Blatt 22 der Akte) hörte die Beklagte den Betriebsrat zu einer beabsichtigten Kündigung der Klägerin an. Am 30. November 2004 stimmte der Betriebsrat der beabsichtigten Kündigung zu.
Mit dem unter dem 29. November 2004 datierten Schreiben (Anl. K 3, Blatt 6 der Akte) nach der Zustimmung des Betriebsrates auf den Weg gebracht und der Klägerin am 30. November 2004 zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis aus betriebsbedingten Gründen zum 31. Dezember 2004.
Am 30. November 2004 zeigte die Beklagte der Agentur für Arbeit, dort zugegangen am 6. Dezember 2004, die beabsichtigten Entlassungen an. Mit Bescheid vom 9. Dezember 2004 (Anl. B 4, Blatt 27 der Akte) teilte die Agentur für Arbeit mit, dass die beantragten Entlassungen u.a. zum 31. Dezember 2004 nicht der Anzeigepflicht nach § 17 KSchG unterliegen. Dem war ein Gespräch der Prokuristin der Beklagten, Frau H., zusammen mit dem jetzigen Prozessbevollmächtigten der Beklagten bei der Agentur für Arbeit in H. mit dem Behördenleiter vorangegangen, der die Anzeige empfohlen hatte.
Mit ihrer am 6. Dezember 2004 beim Arbeitsgericht Hamburg eingegangenen Klage macht die Klägerin die Unwirksamkeit der ausgesprochenen Kündigung geltend.
Mit Schreiben vom 29. März 2005 teilte die Beklagte der Klägerin mit, dass sie die wesentlichen Teile ihres Unternehmens an die Fa. „N. GmbH” verkauft habe und informierte die Klägerin über ihre Rechte gemäß § 613 a BGB (Anl. K 4, Bl. 32 d.A.).
Die Klägerin hat vorgetragen, die Kündigung sei bei Berücksichtigung der Rechtsprechung des EuGH in seinem Urteil vom 27. Januar 2005 wegen Verstoßes gegen § 17 KSchG unwirksam. Die Kündigung sei darüber hinaus erfolgt, um einen Betriebsübergang auf ein Nachfolgeunternehmen möglichst unbelastet zu bewerkstelligen.
Die Klägerin hat beantragt,
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien nicht durch die Kündigung vom 29. November 2004 aufgelöst worden ist
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Durch das der Klägerin am 31. August 2005 zugestellte Urteil vom 2. August 2005, auf das zur näheren Sachdarstellung Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht die Klage abgewiesen. Hiergegen richtet sich die am 16. September 2005 beim Landesarbeitsgericht Hamburg eingelegte und zugleich begründete Berufung der Klägerin.
Die Klägerin trägt vor, die Kündigung sei gemäß § 17 Kündigungsschutzgesetz unwirksam, da die Entlassung erst nach Zugang der Kündigung der Agentur für Arbeit angezeigt worden sei. Die Beklagte könne sich jedenfalls nach der Vorlageentscheidung des Arbeitsgerichts Berlin vom 30. April 2003 auch nicht auf einen Vertrauensschutz berufen.
Die Klägerin beantragt,
unter Abänderung des Urteils des Arbeitsgerichts Hamburg vom 2. August 2005 – 9 Ca 660/04 –
festzustellen, dass das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigung vom 29. November 2004 nicht zum 31. Dezember 2004 beendet wu...