Entscheidungsstichwort (Thema)
Abweichung von der Betriebsrentenanpassung aus gravierenden wirtschaftlichen Gründen. Darlegungslast des Versorgungsschuldners für die wirtschaftlichen Gründe einer abweichenden Betriebsrentenanpassung
Leitsatz (amtlich)
1. Sieht eine Versorgungsordnung eine Steigerung von Leistungen betrieblicher Altersversorgung entsprechend der Entwicklung gesetzlicher Renten vor und ist festgelegt, dass davon abgewichen werden darf, wenn eine solche Steigerung nicht für vertretbar gehalten wird, kommt eine abweichende Steigerung nur in Betracht, wenn die Veränderung der Renten entsprechend der gesetzlichen Rentenentwicklung und damit die sich hieraus ergebende langfristige Steigerung der Kostenbelastung nicht hinnehmbar ist.
2. Zum Umfang der Darlegungslast für eine solche Nichtvertretbarkeit.
Normenkette
BGB § 315; BetrAVG § 16; TV VO § 6 Nr. 1 Fassung: 1987-07-08, Nr. 4 Fassung: 1987-07-08
Verfahrensgang
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 13. Dezember 2016 - 9 Ca 396/16 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger beginnend mit dem 01. August 2016 über den Betrag von 3.123,08 € hinaus jeweils zum 01. eines Monats einen Betrag in Höhe von 167,87 € brutto zu zahlen.
Die Beklagte wird verurteilt, an den Kläger einen Betrag in Höhe von 749,39 € brutto nebst Zinsen in Höhe von fünf Prozentpunkten über dem Basiszinssatz ab dem Tag nach Rechtskraft der Entscheidung zu zahlen.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die weitergehende Berufung der Beklagten wird zurückgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits hat die Beklagte zu tragen.
Die Revision wird nicht zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der Anpassung einer der klagenden Partei von der Beklagten gewährten Betriebsrente.
Die klagende Partei war bis zum 30. September 2010 bei der Beklagten - einem in den deutschen A.-Konzern eingebundenen Unternehmen - tätig. Sie bezieht seit dem 01. Oktober 2010 von der Beklagten Leistungen der betrieblichen Altersversorgung nach dem am 08. Juli 1987 abgeschlossenen und zum 01. April 1985 in Kraft getretenen "Tarifvertrag über die betriebliche Versorgungsordnung - 01.04.1985 -" idF vom 01. Januar 1999 (im Folgenden TV VO). Dieser lautet auszugsweise:
"§ 1 Geltungsbereich
1. Diese Versorgungszusage gilt für die Arbeitnehmer der B.-Unternehmensgruppe; ...
...
§ 2 Voraussetzungen und Leistungsarten
1. Gewährt werden
- Altersrenten (Ziffer 4) ...
...
§ 3 Anrechnungsfähige Dienstzeit
1. Als anrechnungsfähige Dienstzeit zählt die in der B.-Unternehmensgruppe zurückgelegte, durch Arbeitsvertrag anerkannte Dienstzeit ...
...
3. Nach einer 10jährigen anrechnungsfähigen Dienstzeit wird der Arbeitnehmer, der das 55. Lebensjahr noch nicht vollendet hat, im Invaliditätsfall so gestellt, als hätte er bis zur Vollendung seines 55. Lebensjahres bei der B. gearbeitet. Zeiten der Berufsausbildung in der Unternehmensgruppe werden für die geforderte 10jährige Wartezeit ab Vollendung des 18. Lebensjahres berücksichtigt.
...
§ 5 Höhe der Renten
1. Altersrente
1.1 Für jedes anrechnungsfähige Dienstjahr wird eine Altersrente von 1 % des pensionsfähigen Arbeitsentgelts gewährt.
...
§ 6 Anpassung der Renten
1. Die Renten werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst.
2. Die Anpassung der Renten erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.
3. Die Renten werden angepasst, wenn der Versorgungsfall vor dem 01.12. des Vorjahres eingetreten ist.
4. Hält der Vorstand die Veränderung der Renten nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte/des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll.
Die Beschlussfassung ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1."
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten des TV VO wird auf die Anlage K 1 (Bl. 15 ff d.A.) verwiesen.
Zum 01. Juli 2015 wurden die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung um 2,09717 % erhöht. Die Beklagte nahm keine Anpassung der Versorgungsbezüge im Umfang dieser gesetzlichen Rentenerhöhung vor, sondern fasste nach der vor dem 01. Juli 2015 eingeleiteten Anhörung des Gesamtbetriebsrats und gegen deren ausdrücklichen Wunsch durch ihre Geschäftsführung und Aufsichtsrat den Beschluss, die Rentenanpassung zum 01. Juli 2015 in Höhe von 0,5 % vorzunehmen. Dementsprechend wurde die Rente der klagenden Partei, die sich bis zum 30. Juni 2015 auf 3.092,08 € brutto belief, zum 01. Juli 2015 auf 3.107,54 € brutto erhöht.
Zum 01. Juli 2016 wurden die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung um 4,2451 % erhöht. Nach Anhörung der örtlichen Betriebsräte und des Gesamtbetrieb...