Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsbedingte Kündigung. Sozialauswahl. Gemeinschaftsbetrieb. Hafenarbeiter. Massenentlassung

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Bei Bestehen eines Gemeinschaftsbetriebs ist eine unternehmensübergreifende Sozialauswahl dann ausgeschlossen, wenn ein Gemeinschaftsbetrieb zwar im Kündigungszeitpunkt noch besteht, aber bereits feststeht, dass er zu einem bestimmten Zeitpunkt aufgelöst sein wird.

2. Führt der Arbeitgeber vor Ausspruch der Kündigung das Interessenausgleichsverfahren und das Verfahren zur Aufstellung eines Sozialplans durch, so verstößt eine Kündigung nicht gegen die Vorgaben der Massenentlassungenrichtlinie (MERL) 75/129/EWG in der Fassung der Richtlinie 92/56/EWG.

 

Normenkette

KSchG § 1 Abs. 2-3, § 17 Abs. 2; BetrVG § 102 Abs. 1; BGB § 613a Abs. 4

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 19.02.2002; Aktenzeichen 20 Ca 13/01)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 18.09.2003; Aktenzeichen 2 AZR 139/03)

 

Tenor

Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 19. Februar 2002 – 20 Ca 13/01 – wird zurückgewiesen.

Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

In der Berufungsinstanz streiten die Parteien noch darüber, ob das Arbeitsverhältnis der Parteien durch die Kündigungen der Beklagten zum 31. Dezember 2001 beendet worden ist. Der Kläger begehrt zudem von der Beklagten die Weiterbeschäftigung als Hafenarbeiter.

Der 1950 geborene Kläger ist seit dem 02. Mai 1974 bei der Beklagten bzw. deren Rechtsvorgängerin als Hafenarbeiter beschäftigt. Auf das Arbeitsverhältnis finden die Tarifverträge für die Hafenarbeiter der Deutschen Seehafenbetriebe Anwendung. Im Betrieb der Beklagten ist ein Betriebsrat gewählt worden.

Mit Schreiben vom 28. Dezember 2000 (Anlage K 1), dem Kläger am gleichen Tag zugegangen, kündigte die Beklagte das Arbeitsverhältnis zum nächstmöglichen Zeitpunkt, ihrer Auffassung nach zum 31. Januar 2001. Die Beklagte hatte zuvor mit Schreiben vom 18. Dezember 2000 nebst Anlagen (Anlagenkonvolut B 3) den Betriebsrat zu der beabsichtigten Kündigung angehört.

Im Zeitpunkt des Zugangs der Kündigung vom 28. Dezember 2000 bestand kein Sozialplan. Nach Abschluss eines Sozialplanes am 27. April 2001 kündigte die Beklagte mit Schreiben vom 30. Mai 2001 erneut zum nächstmöglichen Zeitpunkt, ihrer Auffassung nach zum 30. Juni 2001 (Anlage K 1 in dem verbundenen Verfahren 20 Ca 137/01). Zuvor hatte die Beklagte den Betriebsrat mit Schreiben vom 22. Mai 2001 nebst Anlagen (Anlagenkonvolut B 1 in dem verbundenen Verfahren 20 Ca 137/01) zur beabsichtigten Kündigung angehört.

Die Beklagte ist ein Tochterunternehmen der Firma G. AG & Co.. Sie gehört zur sog. B.-Gruppe, zu der unter anderem auch die Unternehmen Firma BH GmbH (im Folgenden: BH) und Firma W. GmbH (im Folgenden: W.) gehören.

Die Beklagte führte bislang am K. Terminal im H. Freihafen einen Umschlagbetrieb, in dem zuletzt ca. 100 Arbeitnehmer beschäftigt waren. Neben ca. 60 Hafenarbeitern beschäftigte die Beklagte Handwerker zur Instandhaltung und Reparatur von Geräten und Gebäuden, kaufmännische Angestellt für Vertrieb, Controlling, Buchhaltung und Abrechnung sowie ca. 20 technische Angestellte für die Einteilung und Aufsicht.

Geschäftsführer der Beklagten sind Herr G. und Herr R., der bis April 1997 alleiniger Geschäftsführer war. Bis Februar oder März 2000 war Herr D. anstelle von Herrn G. Geschäftsführer der Beklagten. Herr R. ist auch alleiniger Geschäftsführer der Firma W.. Herr K. ist Leiter der Controlling der Beklagten und außerdem kaufmännischer Leiter bei der Firma W..

Bei der Beklagten entstanden wegen des besonders hohen Anteils an dem konventionellen Stückgutgeschäft über viele Jahre hinweg erhebliche Verluste. Bereits Ende 1998 war das Eigenkapital nahezu vollständig aufgezehrt. Auch in 1999 und 2000 entstanden Verluste in Millionenhöhe. Vor diesem Hintergrund entschied sich die Beklagte mit Beschluss der Gesellschafterversammlung vom 09. August 2000 (Anlage B 11), den Umschlagbetrieb stillzulegen und sich künftig nur noch mit der Vermietung von Schuppen und Freiflächen des K. Terminals zu befassen.

Im August 2000 nahm die Beklagte Verhandlungen mit dem Betriebsrat über eine Stilllegung ihres Umschlagbetriebes auf. Am 18. Dezember 2000 wurde im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens ein Interessenausgleich vereinbart (Anlagenband BI. 126).

Der bisher von der Beklagten ausgeführte Greiferumschlag wird nunmehr von der Firma BH durchgeführt. Dem Greiferumschlag liegt ein Vertrag zwischen der Firma N. AG und der Beklagten zugrunde. Die Firma BH wird als Subunternehmerin der Beklagten tätig. Der Kläger war bei der Beklagten nicht im Greiferumschlag tätig. Die Firma BH stellte fünf Kranführer ein, die vorher bei der Beklagten beschäftigt waren. Die Firma BH ist wie die Beklagte vorwiegend im konventionellen Umschlag tätig. Ende 1999 wurden von der Firma BH 19 betriebsbedingte Kündigungen ausgesprochen, die unter anderem damit begründet wurden, dass verschiedene Reedereien von der Firma BH zur Beklagten gewechselt s...

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