Entscheidungsstichwort (Thema)
„Vorzeitige” Kündigung zum Ausschluß einer tariflichen Sonderzahlung
Normenkette
BGB § 162 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 05.06.1997; Aktenzeichen 27 Ca 178/97) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 5. Juni 1997 – 27 Ca 178/97 – wird zurückgewiesen.
Die Beklagte trägt die Kosten des Berufungsverfahrens.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der nachfolgende Tatbestand enthält in Anwendung der §§ 543 Abs. 2 ZPO. 64 Abs. 6 ArbGG eine gedrängte Darstellung des Sach- und Streitstandes auf der Grundlage der mündlichen Vorträge der Parteien; von der Möglichkeit der Bezugnahme auf das angefochtene Urteil sowie auf Schriftsätze, Protokolle und andere Unterlagen wird Gebrauch gemacht.
Die Parteien streiten über eine tarifliche Sonderzahlung in rechnerisch unstreitiger Höhe. Sie sind tarifgebunden im Sinne des Manteltarifvertrages für die Arbeitnehmer in den alten Bundesländern und Berlin-West (im folgenden: MTV). Gem. § 13 Zi. 1 erhalten Arbeitnehmer, die am 1. Dezember eines Kalenderjahres eine ununterbrochene Betriebszugehörigkeit von 11 Monaten haben und sich an diesem Tag im ungekündigten Arbeitsverhältnis befinden, eine Jahres-Sonderzuwendung.
Die Beklagte kündigte sämtliche Arbeitsverhältnisse in ihrem Betrieb wegen einer zum 31.3.1997 geplanten Betriebsstillegung im Oktober/November. Gegenüber der Klägerin, hätte die Beklagte gem. § 622 Abs. 2 Nr. 2 BGB erst im Januar 1997 zu kündigen brauchen.
Hinsichtlich des vom Arbeitsgericht als unstreitig zugrundegelegten Sachverhalts sowie des streitigen Sachvortrages und der Anträge der Parteien im ersten Rechtszug wird im übrigen auf den Tatbestand des angefochtenen Urteils (Bl. 31 f. d.A.,) Bezug genommen.
Das Arbeitsgericht hat der Klage stattgegeben und dies im wesentlichen damit begründet, die Beklagte müsse sich nach § 162 Abs. 1 BGB so behandeln lassen, als sei das Arbeitsverhältnis am 1.12.1996 noch nicht gekündigt gewesen. Die Beklagte habe nach ihrem eigenen Vortrag das Arbeitsverhältnis jedenfalls wesentlich deshalb gekündigt, um der Klägerin die Sonderzahlung nicht gewähren zu müssen, weil sie darin eine unangemessenen Bevorzugung der Klägerin gesehen hätte. Auf den Gleichbehandlungsgrundsatz könne die Beklagte sich nicht berufen, weil dieser nicht anspruchsmindernd wirke. Schließlich ergebe sich aus der Betriebsvereinbarung „Prämiensystem” kein materieller Vorteil für die Klägerin. Die Sonderzuwendung sei eine Gratifikation mit Betriebstreuecharakter, während nach der Betriebsvereinbarung Anwesenheitstage und die Erfüllung bestimmter Produktionsplanvorgaben prämiiert werden sollten.
Mit ihrer statthaften und auch im übrigen zulässigen Berufung verfolgt die Beklagte ihr Ziel der Klagabweisung weiter. Sie stützt sich dabei im wesentlichen auf Rechtsausführungen; auf die Berufungsbegründung vom 25.09.1997 sowie ihren Schriftsatz vom 06.11.1997 (Bl. 45–50 sowie 60–62 d.A.) wird Bezug genommen.
Die Beklagte beantragt,
das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 05.05.1997 zum A. 27 Ca 178/97 aufzuheben und die Klage abzuweisen.
Der Kläger beantragt,
die Berufung zurückzuweisen.
Er verteidigt das angefochtene Urteil ebenfalls im wesentlichen mit Rechtsausführungen. Auf die Schriftsätze vom 16.10.1997 sowie 13.11.1997 (Bl. 52–56 sowie 63–65 d.A. wird verwiesen.
Entscheidungsgründe
Die folgenden Entscheidungsgründe beschränken sich in der gebotenen Anwendung des § 313 Abs. 3 ZPO auf eine kurze Zusammenfassung der Erwägungen, auf denen das Urteil in tatsächlicher und rechtlicher Hinsicht beruht.
Die Berufung der Beklagten ist unbegründet.
Das Arbeitsgericht hat dem Kläger zu Recht die tarifliche Sonderzahlung für 1996 zugesprochen.
Zwischen den Parteien ist außer Streit, daß der Kläger am 1.12.1996 mehr als 11 Monate im Arbeitsverhältnis zur Beklagten stand. Auf den Umstand, daß das Arbeitsverhältnis der Klägerin zu diesem Zeitpunkt bereits gekündigt war, kann sich die Beklagte gem. § 162 Abs. 2 BGB nicht berufen.
Grundsätzlich folgt die Kammer der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts (seit BAG v. 04.09.1985, AP Nr. 123 zu § 611 BGB Gratifikation = EzA § 611 BGB Gratifikation, Prämie Nr. 76), nach der Klauseln in einem Tarifvertrag, die den Anspruch auf eine Sonderzuwendung von dem Bestehen eines ungekündigten Arbeitsverhältnisses an einem bestimmten Stichtag abhängig machen, auch für den Fall einer betriebsbedingten Kündigung gelten. Solche Stichtagsregelungen sind wirksam. Ein widersprüchliches oder treuwidriges Verhalten kann dem Arbeitgeber im Falle der betriebsbedingten Kündigung nicht ohne weiteres unterstellt werden, weil die betriebsbedingte Kündigung – jedenfalls im Anwendungsbereich des Kündigungsschutzgesetzes – nur unter den von der Rechtsprechung aufgestellten Voraussetzungen ausgesprochen werden kann. Die Voraussetzungen des § 162 BGB sind erst gegeben, wenn dem Arbeitgeber ein konkretes treuwidriges Verhalte...