Entscheidungsstichwort (Thema)
Unwirksame Entziehung höherwertiger Aufgaben und einer Vorgesetztenstellung. Unwirksame Formularklausel zur Zulagengewährung für die Dauer der Prokura. Feststellungsantrag der Arbeitnehmerin bei rechtwidriger Überschreitung des formularmäßig erweiterten Weisungsrechts
Leitsatz (amtlich)
1. Eine vertragliche Regelung, durch die das Direktionsrecht des Arbeitgebers in zulässiger Weise erweitert wird, berechtigt nicht zur Entziehung höherwertiger Aufgaben und einer Vorgesetztenstellung.
2. Eine vom Arbeitgeber vorformulierte Vertragsbestimmung, nach der dem Arbeitnehmer eine Zulage nur für die Dauer des Fortbestandes der Prokura gewährt wird, ist unwirksam. Eine solche Vertragsbestimmung weicht von wesentlichen Grundgedanken der Regelung in § 52 Abs. 1, 2. Halbsatz HGB ab, ohne dass dies durch begründete und billigenswerte Interessen des Arbeitgebers gerechtfertigt ist.
Normenkette
ZPO § 253 Abs. 2 Nr. 2, § 256 Abs. 1; GewO § 106 Abs. 1; BGB §§ 305, § 305 ff.; TzBfG § 14 Abs. 1, § 21; HGB § 52 Abs. 1; BGB § 307 Abs. 1 S. 1, § 310 Abs. 3 Nr. 2, § 611 Abs. 1; GewO § 106 S. 1; HGB § 52 Abs. 1 Hs. 2
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 10.01.2013; Aktenzeichen 7 Ca 367/12) |
Tenor
Auf die Berufung der Klägerin wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 10. Januar 2013 - Az. 7 Ca 367/12 - teilweise abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Es wird festgestellt, dass die Weisung der Beklagten unwirksam ist, mit der der Klägerin folgende Aufgaben entzogen worden sind:
- Betreuung der Gesamtfirmenbuchhaltung
- Betreuung der finanziellen Angelegenheiten der K.-eigenen Objekte inklusive O. L. (GmbH & Co. KG) einschließlich Darlehensverwaltung
- Personalangelegenheiten
- ständige Plausibilitätsberechnungen der Verwaltungsgebühren.
Es wird festgestellt, dass der Entzug der Vorgesetztenfunktion für die Mitarbeiter T., G., H., K1 und W. unwirksam ist.
Die Beklagte wird verurteilt, an die Klägerin Euro 9.000,00 brutto zu zahlen nebst Verzugszinsen in Höhe von 5 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit dem 01.11.2011 auf Euro 1.000,00 sowie auf je weitere Euro 1.000,00 seit dem 01.12.2011, 01.1.2012, 01.02.2012, 01.03.2012, 01.04.2012, 01.05.2012, 01.06.2012 und 01.07.2012.
Im Übrigen wird die Klage abgewiesen.
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 10. Januar 2013 - 7 Ca 367/12 - wird zurückgewiesen.
Die Klägerin hat 62/100, die Beklagte hat 38/100 der Kosten des erstinstanzlichen Verfahrens zu tragen. Von den Kosten des Berufungsverfahrens hat die Klägerin 8/100, die Beklagte 92/100 zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Die Revisionsfrist und die Revisionsbegründungsfrist beginnen mit dem Tage der von Amts wegen erfolgten Zustellung des in vollständiger Form abgefassten Urteils des Landesarbeitsgerichts, spätestens aber mit Ablauf von fünf Monaten nach der Verkündung.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Wirksamkeit einer Weisung der Beklagten, mit der diese der Klägerin bestimmte Arbeitsaufgaben entzogen hat. Weiterhin begehrt die Klägerin die Feststellung, dass ihr in unrechtmäßiger Weise ihre Vorgesetztenposition gegenüber anderen Arbeitnehmern der Beklagten genommen worden sei und macht Vergütungsansprüche geltend.
Die Klägerin ist bei der Beklagten, einem Immobilienverwaltungsunternehmen, seit dem 01.04.1981 beschäftigt. Dem Arbeitsverhältnis liegt der Arbeitsvertrag vom 05.03.1981 (Anlage A 1, Bl. 9 d.A.) zugrunde, der eine Beschäftigung der Klägerin als Sachbearbeiterin für die Grundstücksverwaltung vorsieht. Das Einstiegsgehalt der Klägerin betrug 2.400,00 DM.
Mit Vereinbarung vom 01.12.1983 wurde der Klägerin die Zuständigkeit für den EDV-Bereich der Beklagten sowie der H1 H2. K2 und R. G1 KG übertragen (Anlage A 2, Bl. 12 d.A.). Zugleich wurde das Arbeitsentgelt der Klägerin zum 01.01.1984 auf 3707,00 DM brutto angehoben.
Im Januar 1991 wurde der Klägerin Handlungsvollmacht erteilt und ihr zugleich die Verantwortung für den Bereich Rechnungswesen der Firmengruppe eingeräumt (Anlage A 3, Bl. 15 d.A.). Die als "Verantwortung für den Bereich Rechnungswesen" bezeichnete Aufgabe beinhaltet jedenfalls die Bearbeitung der Bankkonten der Verwaltungskunden einschließlich der Sammlung und Ordnung von Kontoauszügen und Belegen, die Prüfung auf Plausibilität sowie die zeitgerechte Übermittlung der Buchführungsunterlagen an das Steuerberatungsbüro. Zu den Aufgaben der Klägerin gehörte auch die Verfolgung von Forderungen der Firmengruppe durch Mahnungen, ggf. mit anwaltlicher Hilfe. Nachdem das Gehalt zwischenzeitlich zum 01.01.1990 auf 4.750,00 DM brutto angehoben worden war, erfolgte im Zusammenhang mit der Übertragung der Verantwortung für den Bereich Rechnungswesen eine weitere Gehaltserhöhung von 300,00 DM brutto monatlich.
Weitere Gehaltserhöhungen erfolgten zum 1.1.1993 (auf 6.000,00 DM, siehe Anlage B5, Bl. 66 d.A.) und zum 01.04.1995 (auf 6.600,00 DM, siehe Anlage B 6, Bl. 87 d. A.).
Im Zusammenhang mit der Übernahme weiterer Zuständigkei...