Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsrentenanpassung aufgrund einer Gesamtbetriebsvereinbarung mit Anpassungsvorbehalt. Zahlungsklage auf wiederkehrende Leistungen bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zu den finanziellen Gründen ihrer Anpassungsentscheidung und Missachtung der Verteilungsgrundsätze
Leitsatz (amtlich)
1) Ist in einer Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehen, dass der Vorstand von einer in der Vereinbarung vorgesehenen Erhöhung der Betriebsrente entsprechend der Erhöhung der gesetzlichen Altersrente absehen kann, wenn er diese nicht für vertretbar hält, bedarf dieses auf das Unternehmen bezogener wirtschaftlicher und in der Regel finanzieller Gründe.
2) Ist in der Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehen, dass durch die betriebliche Altersversorgung erreicht werden soll, dass die Altersversorgung insgesamt einen bestimmten Anteil der ehemaligen Bezüge ausmacht, hält sich eine Entscheidung des Vorstandes, die dieses Prinzip nicht beachtet, nicht im Rahmen des nach § 315 BGB bestehenden Regelungsspielraumes.
Normenkette
BetrAVG § 16; BetrVG § 77 Abs. 4 S. 1; BGB § 315; ZPO § 258
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 16.12.2016; Aktenzeichen 21 Ca 217/16) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 16. Dezember 2016 (21 Ca 217/16) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über die Höhe der Anpassung von Versorgungsbezügen zum 1. Juli 2015 und 1. Juli 2016.
Der Kläger war zuletzt in Hamburg vom 1. Juli 1982 bis zum 31. März 2011 bei einem Unternehmen des B.-Konzerns tätig, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Seit dem 1. April 2011 bezieht der Kläger eine betriebliche Altersversorgung auf der Grundlage der Bestimmungen des betrieblichen Versorgungswerkes der B.. Versorgungsschuldnerin ist die Beklagte.
Die Versorgungsbezüge des Klägers richten sich nach den durch Betriebsvereinbarungen geregelten Bestimmungen des betrieblichen Versorgungswerkes (nachfolgend BVW) in der Fassung vom 19. April 2002 einschließlich der Ausführungsbestimmungen (Anlage K1). Nach §§ 4 und 5 der Ausführungsbestimmungen leistet die Beklagte an den Kläger Gesamtversorgungsbezüge, die sich unter Berücksichtigung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aus Leistungen der Versorgungskasse (auf den Abrechnungen und nachfolgend bezeichnet als V1-Altersrente) sowie aus der sog. Pensionsergänzung (auf den Abrechnungen und nachfolgend bezeichnet als V2-Rente) zusammensetzen.
Die Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge richtet sich nach § 6 der Ausführungsbestimmungen des BVW. Darin ist unter der Überschrift "Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse" folgendes geregelt:
"1. Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst.
(Der § 49 AVG ist durch Artikel Ziffer 1 §§ 65 und 68 SGB (VI) neu gefasst worden. Die Änderung ist am 01.01.92 in Kraft getreten).
2. Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.
3. Hält der Vorstand die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte/des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll.
Der Beschluß ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1.
4. (...)"
Die Rente der gesetzlichen Rentenversicherung wurde zum 1. Juli 2015 um 2,09717 Prozent erhöht.
Die Beklagte nahm allerdings keine Anpassung der Versorgungsbezüge im Umfang der gesetzlichen Rentenerhöhung vor, sondern fasste nach der vor dem 1. Juli 2015 eingeleiteten Anhörung der örtlichen Betriebsräte, des Gesamt- und des Konzernbetriebsrats - und gegen deren ausdrücklichen Wunsch - durch ihren Vorstand und Aufsichtsrat nach dem 1. Juli 2017 konzernweit den Beschluss, die Rentenanpassung nach dem BVW nur in Höhe von 0,5 % vorzunehmen. Dabei erfolgte tatsächlich nur eine Erhöhung der V2 Rente, nicht hingegen der V1-Rente.
Dementsprechend wurden die Versorgungsbezüge des Klägers, die sich bis zum 30. Juni 2015 auf 3.160,72 € brutto (2.464,51 € brutto V2-Rente und 696,21 € brutto V1-Rente) beliefen, zum 1. Juli 2015 auf 3.173,04 € brutto (2476,83 € brutto V2-Rente und 696,21 € brutto V1-Rente) erhöht.
Die klagende Partei verlangt mit ihrer Klage für die Zeit vom 1. Juli 2015 bis zum 30. Juni 2016 eine Anpassung um weitere 53,97 € brutto pro Monat. Dabei handelt es sich um Differenzbetrag, der sich nach Ansicht der klagenden Partei errechnet, wenn die Beklagte die Rentenanpassung im Umfang von 2,0972 % auf die von der Beklagten geleisteten Versorgungsbezüge vorgenommen hätte.
Zum 1. Juli 2016 wurden die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung um 4,24512 % erhöht. Die Beklagte nahm erneut keine Anpassung der Versorgungsbezüge im Umfang der gesetzliche...