Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsrentenanpassung aufgrund einer Gesamtbetriebsvereinbarung mit Anpassungsvorbehalt. Zahlungsklage auf wiederkehrende Leistungen bei unzureichenden Darlegungen der Arbeitgeberin zu den finanziellen Gründen ihrer Anpassungsentscheidung und Missachtung der Verteilungsgrundsätze
Leitsatz (amtlich)
1) Ist in einer Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehen, dass der Vorstand von einer in der Vereinbarung vorgesehenen Erhöhung der Betriebsrente entsprechend der Erhöhung der gesetzlichen Altersrente absehen kann, wenn er diese nicht für vertretbar hält, bedarf dieses auf das Unternehmen bezogener wirtschaftlicher und in der Regel finanzieller Gründe.
2) Ist in der Gesamtbetriebsvereinbarung vorgesehen, dass durch die betriebliche Altersversorgung erreicht werden soll, dass die Altersversorgung insgesamt einen bestimmten Anteil der ehemaligen Bezüge ausmacht, hält sich eine Entscheidung des Vorstandes, die dieses Prinzip nicht beachtet, nicht im Rahmen des nach § 315 BGB bestehenden Regelungsspielraumes.
Normenkette
BetrAVG § 16; BetrVG § 77; BetrAVG § 16 Abs. 1; BGB § 315; ZPO § 258
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 21.12.2016; Aktenzeichen 28 Ca 146/16) |
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 21. Dezember 2016 (28 Ca 146/16) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Klägerin verlangt eine höhere Anpassung ihrer Betriebsrente zum 1. Juli 2015 und 1. Juli 2016.
Die Klägerin war in Hamburg bei der B. AG beschäftigt, deren Rechtsnachfolgerin die Beklagte ist. Das Arbeitsverhältnis bestand vom 1. Juli 1980 bis zum 28. Februar 2007. Seitdem bezieht die Klägerin betriebliche Versorgungsbezüge, die jeweils im Voraus für den laufenden Monat gezahlt werden.
Die Versorgungsbezüge richten sich nach den durch Betriebsvereinbarungen geregelten Bestimmungen des Betrieblichen Versorgungswerkes in der Fassung vom 19. April 2002 einschließlich deren Ausführungsbestimmungen. Die Beklagte leistet an die Klägerin danach Versorgungsbezüge, die sich unter Berücksichtigung der Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung aus der sog. Pensionsergänzung und einer sog. V1 Altersrente zusammensetzen.
Zur Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge ist unter § 6 der Ausführungsbestimmungen des betrieblichen Versorgungswerkes (im Folgenden BVW) unter der Überschrift "Anpassung der betrieblichen Versorgungsbezüge an veränderte wirtschaftliche Verhältnisse" Folgendes geregelt:
"1. Die Gesamtversorgungsbezüge werden jeweils entsprechend der gemäß § 49 AVG vorgegebenen Entwicklung der Renten der gesetzlichen Rentenversicherung angepasst. (Der § 49 AVG ist durch Artikel Ziffer 1 §§ 65 und 68 SGB (VI) neu gefasst worden. Die Änderung ist am 01.01.1992 in Kraft getreten).
2. Die Anpassung der Gesamtversorgungsbezüge erfolgt zum gleichen Zeitpunkt, zu dem die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung verändert werden.
3. Hält der Vorstand die Veränderung der Gesamtversorgungsbezüge nach Ziffer 1 nicht für vertretbar, so schlägt er nach Anhören der Betriebsräte / des Gesamtbetriebsrates dem Aufsichtsrat zur gemeinsamen Beschlussfassung vor, was nach seiner Auffassung geschehen soll. Der Beschluss ersetzt die Anpassung gemäß Ziffer 1."
Zum 1. Juli 2015 wurden die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung um 2,09717 % erhöht. Im Zeitraum Juni 2014 bis Juni 2015 erhöhte sich der Verbraucherpreisindex (VPI) von 106,719 auf 107,0. Zum 1. Juli 2016 wurden die Renten der gesetzlichen Rentenversicherung um 4,24512 % erhöht.
Die Beklagte nahm keine Anpassungen der Versorgungsbezüge im Umfang der gesetzlichen Rentenerhöhungen vor, sondern fasste nach Anhörung der örtlichen Betriebsräte, des Gesamt- und des Konzernbetriebsrats - und gegen deren ausdrücklichen Wunsch - durch ihren Vorstand und Aufsichtsrat konzernweit die Beschlüsse, die Rentenanpassungen nach BVW zum 1. Juli 2015 und zum 1. Juli 2016 jeweils in Höhe von 0,5 % vorzunehmen. Tatsächlich wurden bei der Klägerin und allen anderen Betriebsrentnerinnen und -rentnern nur die Pensionsergänzungen, nicht aber die V1-Renten um jeweils 0,5 % erhöht.
Die Klägerin verlangt mit ihrer Klage eine Anpassung ihrer bisherigen Gesamtversorgung im Umfang der Erhöhung der gesetzlichen Renten zum, 1. Juli 2015 und zum 1. Juli 2016 unter Anrechnung der von der Beklagten vorgenommenen Erhöhungen.
Die Klägerin ist der Auffassung, die Beklagte schulde die volle Anpassung der Versorgungsbezüge gemäß § 6 Abs. 1 BVW. Die Regelung in § 6 Abs. 3 BVW sei unwirksam, weil sowohl unklar als auch unverhältnismäßig. Sie verstoße ferner gegen § 87 Abs. 1 Nrn. 8 und 10 BetrVG. Die Anpassungsentscheidung im Jahre 2015 sei im Übrigen zu spät erfolgt, nämlich erst nach dem Anpassungstermin. Jedenfalls seien die Anpassungsentscheidungen unbillig.
Die Klägerin hat beantragt,
1. die Beklagte zu verurteilen, an die klagende Partei beginnend mit dem 01. November 2016 über den Betrag von 1.102,77 € (der sich aus 355,66 und 747,11 € ...