Entscheidungsstichwort (Thema)
Tarifliche Änderung der Ruhegeldbezüge. Normenklarheit. Rückwirkung
Leitsatz (redaktionell)
1. Tarifvertragsparteien können eine Tarifnorm sowohl zugunsten als auch zum Nachteil der betroffenen Arbeitnehmer ändern. Für tarifliche Regelungen gilt aufgrund der grundsätzlich als paritätisch zu charakterisierenden Verhandlungssituation eine vermutete Richtigkeitsgewähr. Angesichts des grundrechtlichen Schutzes der Tarifautonomie in Art. 9 Abs. 3 GG unterliegen die Gerichte bei der Kontrolle von Tarifverträgen einer dem Grundrecht entsprechenden Zurückhaltung. Die Gerichte haben Tarifverträge nur daraufhin zu überprüfen, ob sie gegen das Grundgesetz oder anderes höherrangiges Recht verstoßen, nämlich zwingendes Gesetzesrecht, gegen die guten Sitten oder gegen tragende Grundsätze des Arbeitsrechts.
2. Es gelten für die Zulässigkeit rückwirkender Verschlechterungen von Tarifverträgen die gleichen Regeln wie nach der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts bei der Rückwirkung von Gesetzen.
Normenkette
TKT § 30; GG Art. 9 Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 06.11.2003; Aktenzeichen 4 Ca 265/03) |
Tenor
Die Berufung des Klägers gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 06. November 2003 – 4 Ca 265/03 –wird kostenpflichtig zurückgewiesen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Der 1941 geborene Kläger war in der Zeit vom 1. Oktober 1965 bis zum 31. August 1999 bei der Beklagten aktiv beschäftigt auf der Basis des Arbeitsvertrages vom 1. Juni 1965 (Anlage B 1, Bl. 41 f. d. A.).
Auf das Arbeitsverhältnis der Parteien finden die zwischen der Beklagten und den Gewerkschaften abgeschlossenen Tarifverträge, u.a. der Manteltarifvertrag (TKT) in der jeweils gültigen Fassung Kraft arbeitsvertraglicher Vereinbarung Anwendung.
Mit Wirkung zum 1. September 1999 wurde der Kläger nach § 30 Abs. 2 TKT beurlaubt.
Die tarifliche Regelung sieht vor:
§ 30
Beurlaubung aus betrieblichen oder persönlichen Gründen bis zum Eintritt des Versorgungsfalles.
…
(2) Erklärt ein/e unkündbare/r Angestellte/r mit Gesamtversorgungsansprüchen nach Anlage 6 a) TKT, der das 58. Lebensjahr (als Schwerbehinderter mit einem GdB von mindestens 50 % das 57. Lebensjahr) vollendet hat, dass er/sie dauernd außerstande sei, die ihm obliegenden Aufgaben in vollem Umfang zu erfüllen und können ihm andere seiner Vergütungsgruppe entsprechende Aufgaben nicht übertragen werden, kann ihn/sie der Arbeitgeber auf seinen/ihren Antrag, wenn ihm/ihr außerdem Rente wegen Berufs- oder Erwerbsunfähigkeit abgelehnt worden ist, bis zum Eintritt des Versorgungsfalles beurlauben.
(3) Die Beurlaubung endet mit einem Bezug von Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung, die zum frühestmöglichen Zeitpunkt zu beantragen ist.
(4) Der/die beurlaubte Angestellte erhält bis zum Eintritt des Versorgungsfalles ein Gesamtruhegeld nach Anlage 6 a) TKT.
Die betriebliche Altersversorgung für Mitarbeiter der Beklagten, die vor dem 1. Mai 1977 in deren Dienste eingetreten sind, ist in der Anlage 6 a) zum TKT geregelt. Die hier einschlägigen Regelungen lauten wie folgt (Anlage K 2, Bl. 11 ff. d.A.):
Nr. 8
Zuschuss an Angestellte
Die Kasse gewährleistet dem Angestellten als Gesamtruhegeld je nach Dauer der Beschäftigungszeit einen nach Nr. 9 ermittelten Vomhundertsatz des nach Nr. 10 festgesetzten ruhegeldfähigen Gehalts. Auf das Gesamtruhegeld werden die in Nr. 11 angeführten Bezüge angerechnet; der verbleibende Differenzbetrag wird als Zuschuss von der Kasse gezahlt.
Nr. 9
Höhe des Gesamtruhegeldes
Das Gesamtruhegeld beträgt nach erfüllter Wartezeit (Nr. 6 Ziffer 4) 35 v.H. des ruhegeldfähigen Gehalts (Nr. 10). Es erhöht sich
vom 6. bis 10. Beschäftigungsjahr um je 3,0 v.H.,
vom 11. bis 20. Beschäftigungsjahr um je 1,5 v.H.,
vom 21. bis 25. Beschäftigungsjahr um je 1,0 v.H.
und für die folgenden Beschäftigungsjahre um je 0,5 v.H.
bis höchstens 75 v.H. des ruhegeldfähigen Gehalts.
Für die Berechnung der Beschäftigungsjahre sind die Zeiten nach Nr. 6 nach Jahren und Tagen zusammenzuzählen; ein Rest von mehr als 182 Tagen gilt als vollendetes Beschäftigungsjahr.
Nr. 10
Ruhegeldfähiges Gehalt
Das Gesamtruhegeld wird vom Bruttogehalt (Anlage 2 TKT) und der Stellenzulage (§ 10 TKT) des Monats berechnet, in dem das Beschäftigungsverhältnis endet (ruhegeldfähiges Gehalt); wenn es für den Angestellten günstiger ist, wird jedoch der Durchschnittsverdienst der letzten 5 Jahre zugrunde gelegt ….
Nr. 11
Anzurechnende Bezüge
Auf das Gesamtruhegeld werden angerechnet
- die Rente aus der gesetzlichen Rentenversicherung in voller Höhe…;
sonstige Bezüge nach der RVO … oder von einem Träger der gesetzlichen Krankenversicherung,
- die Rente von der Versorgungsanstalt des Bundes und der Länder ….
- Ändern sich die nach Ziffer 1. anzurechnenden Bezüge, wird der Zuschuss der Kasse (Nr. 8) neu festgesetzt.
Nr. 13
Weihnachtsgeld
1. Der Anspruchsberechtigte (Nr. 5) erhält nach einer Beschäftigungszeit (Nr. 6) von 10 Jahren in jedem Jahr ein Weihnachtsgeld in Höhe des am 15. November maßgeblichen Gesamtruh...