Entscheidungsstichwort (Thema)

Betriebsvereinbarung. Gesamtzusage. Auslegung

 

Leitsatz (amtlich)

Die Frage, ob eine sowohl vom Arbeitgeber als auch vom Betriebsrat unterschriebene Verlautbarung an die Arbeitnehmer eine Betriebsvereinbarung beinhaltet oder eine Gesamtzusage, hat nach den zu §§ 133, 157 BGB entwickelten Auslegungsgrundsätzen zu erfolgen.

 

Normenkette

BGB §§ 133, 157

 

Verfahrensgang

ArbG Hamburg (Urteil vom 18.08.2005; Aktenzeichen 13 Ca 95/05)

 

Nachgehend

BAG (Urteil vom 11.12.2007; Aktenzeichen 1 AZR 869/06)

 

Tenor

1. Auf die Berufung des Klägers wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 18.08.2005 (13 Ca 95/05) abgeändert.

Es wird festgestellt, dass die Beklagte verpflichtet ist, an den Kläger über den 07.04.2004 hinaus einen Essensgeldzuschuss gemäß ihrem Schreiben vom 16.07.1990 zu gewähren.

2. Die Kosten des Verfahrens hat die Beklagte zu tragen.

3. Die Revision wird zugelassen.

 

Tatbestand

Die Parteien streiten über die Zahlung eines Essensgeldzuschusses.

Der Kläger ist bei der Beklagten, die ca. 1000 Arbeitnehmer/innen beschäftigt, seit dem 25.07.1997 tätig. Bei der Beklagten besteht ein Betriebsrat.

Die Beklagte zahlte ihren Arbeitnehmer/innen seit ca. 1961 einen Essensgeldzuschuss, zu Anfang in Form eines Zuschusses zu Essensportionen, die von einer Fremdfirma in den Betrieb geliefert wurden, seit 1978 in Form von Essensmarken. Bis Ende August 1982 gab es neun Gruppen von Arbeitnehmern/Arbeitnehmerinnen, denen Zuschüsse zwischen DM 1,00 und DM 1,70 gezahlt wurden. Wegen der Einzelheiten wird auf das Schreiben der Beklagten an alle Abteilungen und Betriebe betreffend „Richtlinien für die Bestellung und Abrechnung von Essensportionen” vom 06.09.1972 (Anl. K 5, Bl. 26 d. A.) Bezug genommen.

Mit Schreiben vom 16.08.1982 (Anl. B 1, Bl. 32) teilte die Beklagte allen Betrieben (außer der Verwaltung) Folgendes mit:

”Die Geschäftsführung hat auf Vorschlag des Betriebsrates beschlossen, ab 01.09.1982 den Essensgeldzuschuss für Beschäftigte, die ein warmes Mittagessen einnehmen, von bisher DM 1,50 auf DM 1,80 zu erhöhen. Dadurch soll eine bessere Qualität des warmen Mittagessens erreicht werden.

Beschäftigte, die keine warme Malzeit einnehmen, erhalten weiterhin den bisherigen Essensgeldzuschuss von DM 1,50.”

Mit dem zum 01.01.1990 in Kraft getretenen Steuerreformgesetz 1990 wurden die bis dahin steuerfreien Essensgeldzuschüsse der Steuerpflicht unterworfen. Mit Schreiben vom 21.06.1990 (Anl. B 2, Bl. 33 d. A.) teilte die Beklagte dem Betriebsrat Folgendes mit:

”Vor dem Hintergrund der Steueränderungen zum Jahresbeginn 1990 überreichen wir Ihnen anliegend einen Vorschlag zur Änderung des Essensgeldzuschusses.

Gleichzeitig befristen wir unsere Zusage, das bisherige Verfahren der Essensgeldzuschusszahlung bis zur Neuregelung weiterlaufen zu lassen und für diese Zeit eine Steuerpauschalierung auf Kosten des Unternehmens durchzuführen, bis zum 31.07.1990.

Als Gesprächstermin für die gemeinsame Erörterung der neuen Essensgeldzuschussregelungen schlagen wir vor:

Donnerstag, 05.07.1990, 08:00 Uhr beim BR.”

Dem Schreiben war der Vorschlag der Beklagten zur Änderung des Essensgeldzuschusses (Anl. K 1, Bl. 7 – 9 d. A.) beigefügt. Der Vorschlag endet unter Ziffer 5 mit folgendem Antrag:

„Der Betriebsrat wird gebeten, der vorgeschlagenen Neuregelung des Essensgeldzuschusses ab 01.08.1990 zuzustimmen.”

Der Betriebsrat stimmte dem Vorschlag der Beklagten zur Änderung des Essensgeldzuschusses zu. Die Änderung wurde der Belegschaft per Mitteilung vom 16.07.1990 (Anl. K 2, Bl. 10. d. A.) bekannt gegeben, die sowohl von der Geschäftsleitung als auch vom Betriebsrat unterschrieben worden war. Die Mitteilung lautete:

1. „Essensgeldzuschuss

Sehr geehrte Mitarbeiterinnen, sehr geehrte Mitarbeiter,

Aufgrund des Steuerreformgesetzes 1990 waren wir gezwungen, ein neues System der Essensgeldzuschüsse zu entwickeln. Die Neuregelung soll ab 1. August 1990 in Kraft treten. Wir trennen uns in diesem Zusammenhang von einem aufwendigen Verwaltungsverfahren. Konkret bedeutet dies, daß es von diesem Zeitpunkt an keine Essensmarken mehr geben wird.

Statt dessen gewähren wir Ihnen – zusammen mit ihrer monatlichen Vergütung – für jeden Arbeitstag mit mehr als 5stündiger Anwesenheit – einen täglichen Essensgeldzuschuss in Höhe von DM 1,80 brutto. Diese Regelung gilt dann für alle Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter. Auszubildende erhalten DM 2,80 brutto.

Gezahlt wird dieser Betrag jeweils zusammen mit der nächstfälligen Vergütung im Folgemonat. Wir wenden hier das gleiche Verfahren an wie z. B. im Falle der Bezahlung von Überstunden. Einen Haken hat die Sache allerdings, wie die meisten von Ihnen ohnehin schon wissen: Der Essensgeldzuschuss gehört aufgrund der Neuregelung durch das Steuerreformgesetz 1990 seit dem 1. Januar. d. J. zum steuerpflichtigen Einkommen.

Ab 1 August 1990 heißt das für die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in R., daß ihre freundliche Kassiererin in unserer Kantine nur noch Bargeld annimmt.

Auch die Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter in a...

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