Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 23.09.1992; Aktenzeichen 6 Ca 415/91) |
Nachgehend
Tenor
Die Berufung der Beklagten gegen das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 23. September 1992 – 6 Ca 415/91 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, daß die Beklagte verurteilt wird, der Klägerin für die Dauer von 24 Stunden Arbeitsbefreiung unter Fortzahlung des Arbeitsentgelts zu gewähren.
Die Beklagte trägt die Kosten der Berufung.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten darüber, ob die Beklagte der Klägerin Freizeitausgleich im Umfang von 24 bezahlten Arbeitsstunden im Zusammenhang mit der Ausübung des Betriebsratsamtes schuldet.
Die Klägerin ist bei der Beklagten als Verkäuferin beschäftigt. Sie arbeitet in Teilzeitbeschäftigung an den Wochentagen Dienstag, Mittwoch und Freitag je 8,5 Stunden (25,5 Stunden wöchentlich). Die tarifliche Arbeitszeit im Einzelhandel beträgt zur Zeit 37,5 Wochenstunden. Die Klägerin erhielt zuletzt ein monatliches Gehalt von DM 2.300,– brutto.
Die Klägerin ist ordentliches Mitglied des bei der Beklagten bestehenden fünfköpfigen Betriebsrates. Bei den Betriebsratsmitgliedern handelt es sich ausschließlich um weibliche Beschäftigte der Beklagten. Zwei Betriebsratsmitglieder sind vollzeitbeschäftigt, drei teilzeitbeschäftigt.
In der Woche vom 23. bis 27. September 1991 und in der Woche vom 25. bis 28. November 1991 nahm die Klägerin aufgrund eines Beschlusses des Betriebsrates an Betriebsräteschulungen teil. Wegen der Thematik und der zeitlichen Lage und Dauer der beiden Seminare wird auf die in der mündlichen Verhandlung vom 29. April 1993 von der Klägerin überreichten Programme (Bl. 134–136 d.A.) Bezug genommen.
Die Klägerin hat die Beklagte auf Freizeitnachgewährung von vier Tagen in Anspruch genommen, da sie an jeweils zwei Tagen, an denen sie frei gehabt hätte, Betriebsrats-Tätigkeit verrichtet habe. Die Beklagte hat sich geweigert, der Klägerin die freien Tage nachzugewähren.
Die Klägerin hat die Auffassung vertreten, sie habe gemäß § 37 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz Anspruch auf Arbeitsbefreiung zum Ausgleich der Betriebsratstätigkeit außerhalb der Arbeitszeit. Sie sei gegenüber vollzeitbeschäftigten Arbeitnehmern schlechtergestellt. Dies stelle einen Verstoß gegen § 2 Beschäftigungsförderungsgesetz dar.
Im übrigen hat sich die Klägerin auf eine betriebliche Übung bei der Beklagten berufen, nach der auch teilzeitbeschäftigte bei derartigen Schulungen, die die volle wöchentliche Arbeitszeit in Anspruch nehmen, Freizeitausgleich erhielten.
Die Klägerin hat beantragt,
die Beklagte zu verurteilen, der Klägerin Freizeitausgleich im Umfang von zwei bezahlten Arbeitstagen für ihre Teilnahme an der Betriebsräteschulung vom 23. bis 27. September 1991 und Freizeitausgleich im Umfang von zwei bezahlten Arbeitstagen für ihre Teilnahme an der Betriebsräteschulung vom 25. bis 29. November 1991 zu gewähren.
Die Beklagte hat beantragt,
die Klage abzuweisen.
Die Beklagte hat die Auffassung vertreten, nach der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts stehe der Klägerin kein Anspruch auf Freizeitausgleich zu, da § 37 Abs. 6 Betriebsverfassungsgesetz nicht auf § 37 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz verweise. Eine Benachteiligung der Klägerin sei nicht erkennbar, weil Betriebsratstätigkeit auch in der Freizeit ohne Ausgleich verrichtet werden könne.
Die Beklagte hat die von der Klägerin behauptete betriebliche Übung bestritten.
Durch Urteil vom 23. September 1992 – 6 Ca 415/91 – Bl. 80 f. – hat das Arbeitsgericht Hamburg der Klage stattgegeben und zur Begründung im wesentlichen ausgeführt:
Der Anspruch der Klägerin folge aus § 37 Abs. 3 Betriebsverfassungsgesetz. Bei der Teilnahme an Betriebsratsschulungen handele, es sich um Betriebsratstätigkeit, die aus betriebsbedingten Gründen außerhalb der Arbeitszeit stattfinde. Betriebsbedingte Gründe lägen auch dann vor, wenn ein teilzeitbeschäftigtes Betriebsratsmitglied eine zeitlich nicht veränderbare Betriebsratstätigkeit außerhalb seiner persönlichen Arbeitszeit, jedoch innerhalb der Normalarbeitszeit ausführe, denn die Festlegung der Arbeitszeit sei Teil der betrieblichen Organisation. Die bisher herrschender Meinung und bisherige Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts, daß ein Betriebsratsmitglied keinen Anspruch auf Freizeitausgleich habe, wenn die Schulungsveranstaltung nicht in seiner persönlichen Arbeitszeit liegt, könne nach der Rechtsprechung des Europäischen Gerichtshofes nicht mehr aufrechterhalten werden. Danach sei § 37 Betriebsverfassungsgesetz so auszulegen, daß, durch die Verweisung in § 37 Abs. 6 auf Abs. 2 eine Anwendung des Abs. 3 nicht ausgeschlossen werde. Im übrigen müsse die Beklagte aber auch in unmittelbarer Anwendung des Artikel 119 EWG-Vertrag, der nationalen Gesetzen vorgehe, der Klägerin Betriebsratstätigkeit in Höhe der Vollarbeitszeit vergüten.
Gegen dieses dem Prozeßbevollmächtigten der Beklagten am 7. Dezember 1992 zugestellte Urteil hat die Beklagte mit ...