Entscheidungsstichwort (Thema)
Anwendbarkeit Verbandstarifvertrags durch arbeitsvertragliche Bezugnahmeklausel. Verdrängung durch FirmenTV mit einer Gewerkschaft. betriebliche Übung bzw. Gesamtbetriebsvereinbarung und Ablösung
Leitsatz (redaktionell)
Ein späterer FirmentarifV „verdrängt” die bisher qua Bezugnahmeklausel anwendbaren VerbandsTVe, auch wenn diese in einem anderen Tarifbezirk galten und wenn der FirmenTV auf ArbN-Seite von einer anderen Gewerkschaft abgeschlossen wurde.
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Urteil vom 20.04.1995; Aktenzeichen 23 Ca 154/94) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 20. April 1995 – 23 Ca 154/94 – dahin abgeändert, daß die Klage abgewiesen wird.
Die Kläger tragen die Kosten des Rechtsstreits zu je einem Sechstel.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über den Umfang der Wochenarbeitszeit der Klägerin und der Kläger sowie darüber, ob sie weiterhin Anspruch auf vermögenswirksame Leistungen haben, insbesondere darüber, ob die mit Wirkung ab 1. Januar 1994 abgeschlossenen Haustarifverträge zwischen der Beklagten und der Deutschen Angestellten Gewerkschaft (DAG) die diesbezüglichen Rechtspositionen der Klägerin und der Kläger nachteilig beeinflußt haben.
Die Klägerin zu 1) ist seit dem 1. November 1984 für die Rechtsvorgängerin der Beklagten, der IBM Deutschland GmbH, der Kläger zu 2) seit dem 28. August 1968, der Kläger zu 3) seit dem 1. Oktober 1964, der Kläger zu 4) seit dem 30. März 1977, der Kläger zu 5) – abgesehen vom Zeitraum von September 1990 bis August 1992 – seit dem 24. August 1973 und der Kläger zu 6) seit dem 1. Juli 1971, er wurde zunächst zum 1. Januar 1971 in Frankfurt angestellt und dann nach Hamburg versetzt, tätig.
In dem Arbeitsvertrag der Klägerin und der Kläger findet sich einheitlich folgende Mustervereinbarung:
„Neben den gesetzlichen und tariflichen Bestimmungen ist die IBM-Arbeitsordnung wesentlicher Bestandteil des Arbeitsvertrages.”
In der mit dem Gesamtbetriebsrat (GBR) vereinbarten Arbeitsordnung vom 1. Juli 1965 heißt es unter I 5, daß die Bestimmungen dieser Arbeitsordnung neben den gesetzlichen Vorschriften und den für das Unternehmen geltenden Tarifverträgen Bestandteil des Arbeitsvertrags sind.
Die IBM Deutschland GmbH war tarifgebunden in den Tarifgebieten Nordwürttemberg/Nordbaden, Rheinland-Pfalz und Berlin der Metallindustrie, nicht jedoch in anderen Tarifgebieten und mithin auch nicht in Hamburg, wo die Klägerin und die Kläger nach wie vor beschäftigt sind. Sie sind sämtlich nicht Mitglied der DAG.
Mit Wirkung vom 1. Januar 1993 hat die IBM Deutschtand GmbH Geschäftsfelder ausgegliedert, d.h., es wurden rechtlich selbständige Gesellschaften abgespalten, darunter die Beklagte. Das Arbeitsverhältnis der Klägerin und der Kläger ging auf die Beklagte über. Sie übernahm von den damals ca. 27.900 Arbeitnehmern 15.000 in insgesamt 46 Betrieben.
Die IBM Deutschland GmbH wandte bundesweit Metalltarifverträge des Tarifgebiets Nordwürttemberg/Nordbaden an, nicht jedoch in Berlin und Rheinland-Pfalz. Zu diesem Zweck wurden entsprechende Gesamtbetriebsvereinbarungen, aber auch Betriebsvereinbarungen geschlossen. Auf die dem Gericht vorliegende Rahmenbetriebsvereinbarung über gleitende Arbeitszeit vom 26. August 1974 (Bl. 129–132 d.A.), das Muster einer entsprechenden örtlichen Betriebsvereinbarung (Bl. 132 R–133 R d.A.), die Ergänzungen der Rahmenbetriebsvereinbarung zur gleitenden Arbeitszeit jeweils vom 12. Februar 1985 (Bl. 134–135 d.A.) sowie die weiteren Ergänzungen jeweils vom 25. November 1987 (Bl. 136–137 R und Bl. 138 d.A.), Gesamtbetriebsvereinbarung vom 1. April 1975 über IBM-Sonderzahlung (Bl. 139–140 R d.A.). Ergänzung hierzu vom 1. April 1975 (Bl. 141–141 R d.A.), die weiteren Ergänzungen vom 1. April 1976 (Bl. 142 und Bl. 142 R–143 d.A.) sowie vom 1. März 1977 (Bl. 143 R-144 d.A.) und vom 21. April 1978 (Bl. 144 R–145 d.A.) wird verwiesen. Ferner wird Bezug genommen auf die Betriebsvereinbarung über vermögenswirksame Anlage vom 1. Oktober 1970 nebst Protokollnotiz (Bl. 156–156 R, 157 d.A.) und die Änderung hierzu vom 8. Dezember 1976 (Bl. 157 R d.A.) sowie auf die Verfahrensanweisungen in bezug auf vermögenswirksame Leistungen (Bl. 159–166 R d.A.).
Dem Gericht liegt außerdem vor eine Mitarbeiterinformation, die bereits vom 12. August 1985 datiert und In sämtlichen Betrieben der Niederlassung Hamburg der IBM Deutschland GmbH zum Aushang kam. Darin informiert die Leitung der Niederlassung Hamburg über die „Geltung von tarifvertraglichen Regelungen in der Niederlassung Hamburg”. Auszugsweise heißt es (Bl. 11 d.A.):
„Die IBM Niederlassung Hamburg ist nicht tarifgebunden. Ein Tarifvertrag gelangt somit nicht unmittelbar zur Anwendung.
Personalpolitische Zielsetzung unseres Unternehmens ist, alle Mitarbeiter gleich zu behandeln. Die IBM Deutschland GmbH hat daher in den Niederlassungen, die durch einen Tarifvertrag nicht ...