Entscheidungsstichwort (Thema)
Vertragliche Ausschlussfrist für Anspruch auf Urlaubsabgeltung im Rahmen einer Abrechnungsverpflichtung aufgrund eines gerichtlichen Vergleichs
Leitsatz (amtlich)
1. Eine vertragliche Ausschlussfrist, die für alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis gilt, ist nicht gemäß § 3 S. 1 MiLoG i.V.m. § 134 BGB unwirksam. Der Begriff "insoweit" in § 3 S. 1 MiLoG beschränkt die Rechtsfolge der Unwirksamkeit auf Mindestlohnansprüche. Der Anspruch auf Urlaubsgeltung unterliegt nicht den §§ 1, 3 MiLoG. (im Anschluss an LAG Nürnberg, Urteil vom 09.05.2017 - 7 Sa 560/16 - juris).
2. Bei Altverträgen, die vor Inkrafttreten des Mindestlohngesetzes abgeschlossen worden sind, verstößt eine vertragliche Verfallklausel, die sich auf alle Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis bezieht, nicht gegen das Transparenzgebot des § 307 Abs. 1 S. 2 BGB. In diesen Fällen ist aus Gründen der Verhältnismäßigkeit eine einschränkende, das Mindestlohngesetz nicht umfassende Auslegung geboten.
3. Eine Klausel in einem gerichtlichen Vergleich, in der sich ein Arbeitgeber verpflichtet, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abzurechnen und sich ergebende Nettobeträge an den Arbeitnehmer zu zahlen, steht der Anwendung vertraglicher Ausschlussfristen im Regelfall nicht entgegen. Sofern die abzurechnenden Ansprüche im Vergleich nicht konkretisiert werden, besteht im Interesse der Rechtssicherheit und des Rechtsfriedens regelmäßig ein Bedürfnis nach der Geltung der Ausschlussfristen.
Normenkette
MiLoG § 3 S. 1; BGB §§ 134, 307 Abs. 1 S. 2; BUrlG § 7 Abs. 4; BGB §§ 242, 305 Abs. 1 S. 1, § 305c Abs. 1, § 307 Abs. 1 S. 1, §§ 611a, 779; ZPO § 278 Abs. 6
Verfahrensgang
ArbG Hamburg (Entscheidung vom 16.08.2017; Aktenzeichen 29 Ca 39/17) |
Nachgehend
Tenor
Auf die Berufung der Beklagten wird das Urteil des Arbeitsgerichts Hamburg vom 31. August 2017 - 29 Ca 39/17 - abgeändert.
Die Klage wird vollen Umfangs abgewiesen.
Die Kosten des Rechtsstreits erster Instanz und des Berufungsverfahrens hat der Kläger zu tragen.
Die Revision wird zugelassen.
Tatbestand
Die Parteien streiten über einen Anspruch auf Urlaubsabgeltung.
Der Kläger war seit dem 02. September 2013, zuletzt auf Grundlage eines Arbeitsvertrages vom 03. März 2014 (Anlage K 1, Bl. 3 bis 5 d. A.), als Fußbodenleger mit einem Stundenlohn von 11,10 € brutto und einer Arbeitszeit von 8 Stunden täglich beim Beklagten beschäftigt. Der Arbeitsvertrag enthält auszugsweise die folgenden Regelungen:
"§ 6 Urlaub
Der Arbeitnehmer erhält kalenderjährlich Urlaub in Höhe von 25 Arbeitstagen. ...
...
§ 11 Verfallfristen
Alle beiderseitigen Ansprüche aus dem Arbeitsverhältnis und solche, die mit dem Arbeitsverhältnis in Verbindung stehen, verfallen, wenn sie nicht innerhalb von drei Monaten nach Fälligkeit gegenüber der anderen Vertragspartei schriftlich geltend gemacht worden sind."
Der Beklagte kündigte das Arbeitsverhältnis am 17. Juni 2016 fristlos und am 24. Juni 2016 vorsorglich ordentlich. Gegen diese Kündigungen erhob der Kläger beim Arbeitsgericht Hamburg Kündigungsschutzklage (29 Ca 315/16). Am 15. August 2016 schlossen die Parteien in dem vorgenannten Rechtsstreit einen Vergleich (Anlage K 2, Bl. 6 bis 8 d. A.), der unter anderem folgende Regelungen enthält:
"1. Das Arbeitsverhältnis der Parteien endet aufgrund der fristgemäßen Kündigung des Beklagten vom 24.06.2016 aus betrieblichen Gründen auf Veranlassung des Arbeitgebers mit Ablauf des 15.08.2016. Der Beklagte leitet aus der fristlosen Kündigung vom 17.06.2016 keine Rechte mehr her. Der Kläger nimmt diesen Verzicht hiermit an.
2. Der Beklagte verpflichtet sich, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abzurechnen und sich ergebende Nettobeträge - unter Berücksichtigung etwaiger auf öffentliche Träger kraft Gesetzes übergegangener und gepfändeter Ansprüche - an den Kläger zu zahlen bis zum 15.09.2016.
...
5. Damit sind alle Ansprüche der Parteien gegeneinander aus dem Arbeitsverhältnis und seiner Beendigung sowie dieser Rechtsstreit erledigt."
Der Beklagte erstellte in der Folgezeit für den Monat August 2016 die als Anlage K 1 (Bl. 9 d. A.) vorliegende Abrechnung vom 24. August 2016, die Vergütung für 88 Stunden iHv 976,80 € brutto, jedoch keine Urlaubsabgeltung beinhaltet. Der Prozessbevollmächtigte des Klägers erhielt die Abrechnung mit Schreiben vom 06. Oktober 2016.
Mit seiner am 17. Januar 2017 bei Gericht eingegangenen und am 25. Januar 2017 dem Beklagten zugestellten Klage begehrt der Kläger Urlaubsabgeltung für 20 Urlaubstage in rechnerisch unstreitiger Höhe von 1.766,00 € brutto (20 Tage à 8 Stunden x 11,10 € brutto) nebst Zinsen.
Der Kläger hat vorgetragen, die im Arbeitsvertrag enthaltene Ausschlussfrist sei gemäß § 307 Abs. 1 BGB unwirksam. Es sei unstreitig, dass der Beklagte ihm Entgelt für nicht genommenen Urlaub schulde. Der Beklagte habe ihn bei Abschluss des Vergleichs arglistig über seine Bereitschaft getäuscht, das Arbeitsverhältnis ordnungsgemäß abzurechnen. Der Beklagte sei vor A...