Entscheidungsstichwort (Thema)

Fristversäumnis. Mitwirkungspflicht. Nachfrist. Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

Wird der Partei, welche Prozesskostenhilfe beantragt, durch die Einräumung einer über die Beendigung der Instanz hinaus reichenden Nachfrist die Möglichkeit gegeben, bei rechtzeitiger Vervollständigung der Angaben und Belege noch rückwirkend Prozesskostenhilfe zu erhalten, muss sie die Gründe für die Nichteinhaltung der Frist rechtzeitig selbst dann mitteilen, wenn sie objektiv gehindert ist, einen ihr noch nicht zur Verfügung stehenden Beleg (z. B. Arbeitslosengeldbescheid) vorzulegen.

 

Normenkette

ZPO §§ 117-118

 

Verfahrensgang

ArbG Herne (Beschluss vom 06.01.2009; Aktenzeichen 3 Ca 3183/08)

 

Tenor

Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Herne vom 6. Januar 2009 (3 Ca 3183/08) wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Die als sofortige Beschwerde auszulegende und gemäß § 46 Abs. 2, § 78 ArbGG, § 127 Abs. 2, §§ 567 Abs. 2 ZPO zulässige Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Mitwirkung des Klägers gemäß § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO zurückgewiesen.

Das Prozesskostenhilfegesuch muss vollständig begründet und belegt bis zur Beendigung einer Instanz bzw. Verfahrensbeendigung eingereicht sein, sonst bietet die Rechtsverfolgung bzw. Rechtsverteidigung keine Aussicht auf Erfolg. Eine rückwirkende Bewilligung scheidet aus (vgl. BAG, 3. Dezember 2003, 2 AZB 19/03, MDR 2004, 415; LAG Hamm, 8. Oktober 2007, 18 Ta 509/07; 3. September 2003, 4 Ta 245/03, LAGReport 2003, 369). Vollständig ist die Prozesskostenhilfeantragstellung, wenn sie die Voraussetzungen des § 117 Abs. 2, Abs. 4 ZPO erfüllt. § 117 Abs. 4 ZPO schreibt für die Abgabe der Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse die Benutzung des amtlichen Vordrucks vor. Diesem sind entsprechende Belege beizufügen (§ 117 Abs. 2 Satz 1 ZPO). Nach § 118 Abs. 2 Satz 1 ZPO kann das Gericht darüber hinaus verlangen, dass der Antragsteller seine tatsächlichen Angaben glaubhaft macht. Es kann Erhebungen anstellen, insbesondere die Vorlegung von Urkunden anordnen und Auskünfte einholen. Hat der Antragsteller innerhalb der vom Gericht gesetzten Frist Angaben über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nicht glaubhaft gemacht oder bestimmte Fragen nicht oder nur ungenügend beantwortet, lehnt es die Bewilligung von Prozesskostenhilfe insoweit ab (§ 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO). Erst mit der Beschwerde eingereichte Angaben und Unterlagen können nicht mehr berücksichtigt werden. § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO statuiert eine Ausschlussfrist, welche der allgemeinen Vorschrift des § 571 Abs. 2 Satz 1 ZPO, wonach die sofortige Beschwerde grundsätzlich auf neue Tatsachen gestützt werden kann, als speziellere gesetzliche Regelung vorgeht (vgl. BAG, 3. Dezember 2003, a.a.O.).

Der Kläger hat seinen Mitwirkungspflichten im vorstehenden Sinne nicht genügt. Nach Einreichung seines Antrages auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe sowie der Erklärung über seine persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen war er durch das gerichtliche Schreiben vom 17. November 2008 unter Hinweis auf § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO aufgefordert worden, bis spätestens 10. Dezember 2008 den Arbeitslosengeldbescheid vorzulegen. Nachdem er mit Schriftsatz vom 25. November 2008 mitgeteilt hatte, dass der Arbeitslosengeld-II-Bescheid noch nicht vorliege und dieser nachgereicht werde, ist er mit Schreiben vom 16. Dezember 2008 unter erneuter Fristsetzung bis zum 31. Dezember 2008 um die Übersendung dieses Bescheides gebeten worden. Weder geschah letzteres noch teilte der Kläger mit, dass und aus welchen Gründen eine Übersendung des Bescheides nicht erfolgen konnte. Dem Kläger war mit dieser Frist, die ihm trotz der Beendigung der Instanz durch den bestandskräftigen gerichtlichen Vergleich vom 10. Dezember 2008 die Möglichkeit einräumte, rückwirkend Prozesskostenhilfe zu erhalten, eine in den Bewilligungsvorschriften des PKH-Rechts nicht vorgesehene Vergünstigung durch die Schaffung eines Vertrauenstatbestands gewährt worden. Dieser Vertrauenstatbestand endete jedoch mit dem Ablauf der vom Kläger nicht genutzten Frist. Anders als möglicherweise während eines noch laufenden Verfahrens (vgl. dazu LAG Hamm, 2. November 2009, 4 Ta 287/09) ist es im Falle der Beendigung der Instanz erforderlich, dass der Antragsteller anzeigt, dass und aus welchen Gründen er die ihm eingeräumte Nachfrist nicht einhalten kann. Will er sich den Vertrauenstatbestand erhalten, muss er rechtzeitig innerhalb der Frist die Gründe mitteilen, die ihm deren Einhaltung unmöglich machten. Nur dann ist eine weitere Aufrechterhaltung der Möglichkeit gerechtfertigt, durch unverzügliche Nachreichung eines fehlenden Beleges noch rückwirkend Prozesskostenhilfe zu bewilligen. Dies ist nicht geschehen. Mangels Einhaltung der zuletzt gesetzten Frist ist die Ablehnung der beantr...

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