Entscheidungsstichwort (Thema)

Keine rückwirkende Prozesskostenhilfebewilligung bei Instanzbeendigung oder Versäumnis einer Nachfrist. Verschuldensmaßstab bei der Versäumnis einer vom Gericht gewährten Nachfrist im Prozesskostenhilfebewilligungsverfahren

 

Leitsatz (amtlich)

1. Versäumt es eine Partei, bis zur Instanzbeendigung und dem Ablauf einer über das Ende der Instanz hinaus reichenden Frist (sog. Nachfrist) einen bewilligungsfähigen Antrag auf Gewährung von Prozesskostenhilfe vorzulegen, ist eine rückwirkende Prozesskostenhilfebewilligung grundsätzlich ausgeschlossen.

2. Dies gilt im Falle der Gewährung einer Nachfrist nicht, wenn die Partei diese ohne Verschulden versäumt und sie auch kein Verschulden daran trifft, dass sie die voraussichtliche Nichteinhaltung der Frist ebenfalls nicht rechtzeitig vor Fristablauf mitgeteilt hat.

3. Maßstab für ein fehlendes Verschulden ist dabei grundsätzlich derjenige des § 233 ZPO.

 

Normenkette

ZPO §§ 117, 118 Abs. 2 S. 4, § 233

 

Verfahrensgang

ArbG Iserlohn (Entscheidung vom 01.06.2018; Aktenzeichen 3 Ca 497/18)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird unter ihrer Zurückweisung im Übrigen der Beschluss des Arbeitsgerichts Iserlohn vom 1. Juni 2018 (3 Ca 497/18) abgeändert.

Dem Kläger wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe in vollem Umfang bewilligt.

Zur Wahrnehmung seiner Rechte in diesem Rechtszug wird ihm Rechtsanwalt U aus C zu den Bedingungen eines im Bezirk des Arbeitsgerichts Iserlohn niedergelassenen Rechtsanwalts beigeordnet.

Die Bewilligung der Prozesskostenhilfe erfolgt mit der Maßgabe, dass der Kläger aus seinem Einkommen monatliche Raten in Höhe von 102,00 Euro zu leisten hat.

Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.

Der Kläger trägt die Hälfte der Kosten des Beschwerdeverfahrens.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Gründe

Der Kläger erhob unter dem 23. März 2018 eine Kündigungsschutzklage. Der Rechtsstreit wurde durch den Abschluss eines Vergleichs im Gütetermin vom 16. April 2018 beendet.

Mit einem am 6. April 2018 eingegangenen Schriftsatz beantragte der Kläger die Bewilligung von Prozesskostenhilfe. Dem Antrag war eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse auf einem veralteten Formular nebst diversen Belegen beigefügt. Auf Anforderung des Arbeitsgerichts vom 10. April 2018 reichte der Kläger noch vor Ablauf der gesetzten Frist von zwei Wochen im Termin vom 16. April 2018 weitere Belege nach. Mit Schreiben vom 17. April 2018 teilte das Arbeitsgericht dem Kläger erst mit, dass er ein falsches, nicht mehr aktuelles Formular verwendet hatte, und forderte ihn auf, das ausgefüllte Formular ZP 1a einzureichen. Zudem fragte es nach einem aktuelleren Krankengeldbescheid und wies auf den fehlenden Beleg durch Kontoauszüge für zwei Ratenverbindlichkeiten hin. Innerhalb der zur Bearbeitung gesetzten Nachfrist von drei Wochen reagierte der Kläger nicht. Daraufhin wurde die Bewilligung von Prozesskostenhilfe durch einen vom Rechtspfleger erlassenen Beschluss vom 1. Juni 2018 wegen fehlender Mitwirkung trotz Fristsetzung gemäß § 118 Abs. 2 Satz 4 ZPO abgelehnt.

Mit der sofortigen Beschwerde vom 11. Juli 2018 reichte der Kläger die formgerechte Erklärung nebst Belegen nach. Hinsichtlich der mangelnden Mitwirkung berief er sich darauf, aufgrund seiner gesundheitlichen Beeinträchtigungen nicht in der Lage gewesen zu sein, die notwendigen Unterlagen beizubringen. Mit Beschluss des Beschwerdegerichts (LAG Hamm 9. Oktober 2018 - 14 Ta 378/18 - juris) wurde die Entscheidung des Arbeitsgerichts vom 1. Juni 2018 aufgehoben, weil eine wirksame Übertragung der Entscheidungsbefugnis auf den Rechtspfleger nach § 20 Abs. 2 RPflG nicht vorlag. Das Verfahren wurde zur abschließenden Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückverwiesen.

Durch Beschluss vom 16. Oktober 2018 lehnte das Arbeitsgericht erneut die Bewilligung von Prozesskostenhilfe wegen mangelnder Mitwirkung ab. Der Kläger habe trotz des Schreibens vom 17. April 2018 nicht das seit dem 1. Januar 2014 geltende Formular eingereicht. Vor dem Hintergrund des Formularzwangs nach § 117 Abs. 4 ZPO sie die Einreichung des alten Formulars unzureichend gewesen. Ein fehlendes Verschulden habe der Kläger weder dargelegt noch glaubhaft gemacht.

Der Beschluss wurde dem Kläger am 17. Oktober 2018 zugestellt. Mit seiner am 16. November 2018 eingegangenen sofortigen Beschwerde gegen diese Entscheidung trägt er ergänzend zu den Gründen für die verspätete Vorlage des Formulars und der Belege vor, aus den bereits vorgelegten Unterlagen ergebe sich, dass er im Jahr 2017 über viele Monate krank gewesen sei. Er leide bis heute unter schweren Depressionen. Im Frühjahr 2018 habe er einen Rückschlag erlitten, so dass er nicht in der Lage gewesen sei, sich mit seinem Prozessbevollmächtigten in Verbindung zu setzen und die Unterlagen, welche mit dem gerichtlichen Schreiben vom 10. April 2018 angefordert worden waren, diesem zwecks Weiterleitung e...

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