Entscheidungsstichwort (Thema)
Aufhebung. Belastungen. Bewilligungszeitpunkt. Prozesskostenhilfebewilligung. Ratenrückstand. Verschulden
Leitsatz (amtlich)
1. Bereits zum ursprünglichen Bewilligungszeitpunkt bestehende, bislang von der bedürftigen Partei jedoch nicht angegebene Belastungen sind vor der Entscheidung über eine Aufhebung nach § 124 Nr. 4 ZPO bei der Prüfung, ob der Rückstand mit der Zahlung einer Monatsrate oder eines sonstigen Betrags verschuldet ist, zu berücksichtigen. Das Gericht darf die Bewilligung nicht allein mit der Begründung aufheben, der Bedürftige habe keine nachträgliche Änderung der Verhältnisse dargetan.
2. Eine Abänderung der Prozesskostenhilfeentscheidung gemäß § 120 Abs. 4 ZPO nach Eintritt einer wesentlichen Veränderung darf nicht isoliert nach dieser Veränderung vorgenommen werden, sondern nach den bestehenden persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen ist zu überprüfen, ob und in welcher Höhe die Anordnung von Raten- bzw. Einmalzahlungen gerechtfertigt ist. Das umfasst auch die Berücksichtigung von ursprünglich bei Bewilligung bereits bestehenden, aber bislang nicht geltend gemachten Belastungen. Voraussetzung bleibt aber, dass überhaupt eine wesentliche Veränderung vorliegt.
Normenkette
ZPO § 124 Nr. 4
Verfahrensgang
ArbG Herne (Beschluss vom 22.09.2009; Aktenzeichen 2 Ca 409/09) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Herne vom 22. September 2009 aufgehoben.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG, § 46 Abs. 2, § 78 ArbGG, § 127 Abs. 2, §§ 567 ff ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Der Rückstand der Klägerin mit der Zahlung der Raten seit dem Monat Mai 2009 ist nicht verschuldet.
1. Nach § 124 Nr. 4 ZPO kann das Gericht die Bewilligung der Prozesskostenhilfe aufheben, wenn die Partei länger als drei Monate mit der Zahlung einer Monatsrate in Rückstand ist. Nach ihrem Wortlaut setzt die Vorschrift nur einen „Rückstand” voraus. Zwar ist streitig, ob damit ein – schuldhafter – Verzug gemeint ist oder das Gericht lediglich im Rahmen der von ihm zu treffenden Ermessensentscheidung zu berücksichtigen hat, ob der Rückstand unverschuldet ist (vgl. Nachweise bei BGH, 9. Januar 1997, IX ZR 61/94, NJW 1997, 1077). Nach übereinstimmender Meinung darf aber die Prozesskostenhilfebewilligung nicht aufgehoben werden, wenn die unterbliebene Ratenzahlung nicht auf einem Verschulden der bedürftigen Partei beruht (vgl. BGH, 9. Januar 1997, a.a.O.; LAG Hamm, 19. März 2003, 18 Ta 60/03, NZARR 2003, 382; Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 5. Aufl., 2010, Rn. 849; Zöller/Geimer, ZPO, 28. Aufl., 2010, § 124 Rn. 19; Natter/Groß/Perschke, ArbGG, 2010, § 11a Rn. 118). Eine Aufhebung der Prozesskostenhilfe wegen Rückstands mit der Ratenzahlung ist unzulässig, wenn die festgesetzten Raten der Leistungsfähigkeit der Partei nicht (mehr) entsprechen. Eine Aufhebung nach § 124 Nr. 4 ZPO wegen der in diesen Zeitraum fallenden rückständigen Beträge kommt in einem solchen Fall nicht in Betracht (vgl. LAG Hamm, 2. September 2004, 4 Ta 695/03; 22. September 2005, 4 Ta 395/04, FA 2006, 192; 12. Oktober 2007, 4 Ta 221/07).
Bereits zum ursprünglichen Bewilligungszeitpunkt bestehende, bislang von der bedürftigen Partei jedoch nicht angegebene Belastungen sind vor der Entscheidung über eine Aufhebung nach § 124 Nr. 4 ZPO bei der Prüfung, ob der Rückstand mit der Zahlung einer Monatsrate oder eines sonstigen Betrags verschuldet ist, zu berücksichtigen. Das Gericht ist nicht an die Feststellungen und Bewertungen im Rahmen des ursprünglichen Bewilligungsbeschlusses gebunden. Für die Prüfung des Verschuldens erwachsen die der früheren Zahlungsanordnung zugrunde liegenden tatsächlichen Feststellungen nach allgemeinen Regeln nicht in Rechtskraft (vgl. BGH, 9. Januar 1997, a.a.O.). Im Rahmen der Entscheidung nach § 124 Nr. 4 ZPO hat vielmehr eine nochmalige Prüfung der Leistungsfähigkeit der Partei zu erfolgen (vgl. Schoreit/Groß, Prozesskostenhilfe, Beratungshilfe, § 124 Rn. 22). Das Ausbleiben der Zahlungen ist demnach unverschuldet, wenn das Einkommen der Partei so gering ist, dass ihr Prozesskostenhilfe ohne Raten gewährt werden müsste, wenn sie erneut Prozesskostenhilfe beantragen würde (vgl. Zöller/Geimer, a.a.O). Das Verschulden fehlt auch dann, wenn die Ratenzahlung von Anfang an zu hoch festgesetzt wurde. Es handelt sich nicht um eine Kontrolle der Richtigkeit der ursprünglichen Entscheidung über die Bewilligung von Prozesskostenhilfe, sondern um die Prüfung der Aufhebungsvoraussetzung „verschuldeter Rückstand”. Es verbleibt zwar, wenn eine Beschwerde nicht erhoben wurde, bei den ursprünglich festgesetzten Raten, die auch weiterhin eingezogen werden können. Mangels Verschuldens kommt es aber nicht zu einer Aufhebung der Bewilligung mit der Folge, dass die Vergünstigungen insgesamt entfallen (vgl. Kalthoener/Büttner/Wrobel-Sachs, a.a.O., Rn 850). Das Gericht darf die B...