Entscheidungsstichwort (Thema)

Rückwirkung nur bis zur vollständigen Antragstellung

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine Frist für das PKH-Gesuch sieht das Gesetz zwar nicht vor, jedoch muß das Gesuch bis zum Abschluß der Instanz oder des Verfahrens beim zuständigen Gericht eingehen, denn sonst bietet die Rechtsverfolgung bzw. -verteidigung keine Aussicht auf Erfolg mehr. Eine PKH-Bewilligung ist noch für die Instanz möglich, wenn zwischen Abschluß eines Prozeßvergleichs und Ablauf der Widerrufsfrist ein vollständiges PKH-Gesuch bei Gericht eingeht.

2. Solange der amtliche Vordruck „Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse” nicht eingereicht ist, ist der PKH-Antrag nicht formgerecht gestellt. Wird der Vordruck zusammen mit den „entsprechenden Belegen” nachgereicht wird, dann kann Prozeßkostenhilfe rückwirkend nicht auf den Zeitpunkt der Antragstellung, sondern frühestens auf den Zeitpunkt des vollständigen Nachreichens der PKH-Unterlagen bewilligt werden.

 

Normenkette

ZPO § 117 Abs. 2, 4

 

Verfahrensgang

ArbG Herne (Beschluss vom 18.02.2003; Aktenzeichen 4 Ca 3817/02)

 

Nachgehend

BAG (Beschluss vom 08.11.2004; Aktenzeichen 3 AZB 54/03)

 

Tenor

Auf die als sofortige auszudeutende Beschwerde wird der PKH-Bewilligungsbeschluß des Arbeitsgerichts vom 18.02.2003 – 4 Ca 3817/02 – dahingehend abgeändert, daß die Klägerin einstweilen ratenfrei bleibt. Im übrigen wird die (sofortige) Beschwerde zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.

 

Tatbestand

I. Die Klägerin hat mit Klageschrift vom 31.10.2002, bei dem Arbeitsgericht am gleichen Tage per Telefax eingegangen, eine Kündigungsschutz- und Zahlungsklage erhoben. Im Gütetermin vom 10.12.2002 hat ihre Prozeßbevollmächtigte beantragt,

der Klägerin Prozeßkostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwältin A1xxxxxxxxx zu bewilligen.

Sodann haben die Parteien einen Widerrufsvergleich geschlossen und sich darin gütlich auf eine Beendigung des Arbeitsverhältnisses zum 15.11.2002 gegen Zahlung einer Abfindung durch die Beklagte an die Klägerin in Höhe von 1.000,00 EUR geeinigt. Die Widerrufsfrist lief bis zum 24.12.2002; der Vergleich ist nicht widerrufen worden.

Die Prozeßbevollmächtigte hat mit einem nicht unterzeichneten Schriftsatz vom 09.12.2002, bei dem Arbeitsgericht am 13.12.2002 eingegangen, eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse (ohne Datum) sowie eine Lohn-/Gehaltsabrechnung für 09/2002 der Klägerin zu den Gerichtsakten gereicht. Mit Schriftsatz vom 20.12.2002, bei dem Arbeitsgericht am 23.12.2002 eingegangen, ist eine Krankengeldbescheinigung der BEK vom 11.11.2002 nachgereicht worden.

Das Arbeitsgericht Herne hat der Klägerin durch Beschluß vom 18.02.2003 – 4 Ca 3817/02 – mit Wirkung vom 13.12.2002 in vollem Umfang Prozeßkostenhilfe bewilligt und ihr antragsgemäß Rechtsanwältin A1xxxxxxxxx aus W1xxxxxxx unter Ausschluß der Erstattungsfähigkeit von Tage- und Abwesenheitsgeldern sowie etwaiger Reisekosten vom Ort der Kanzlei zum Gerichtsort mit der Maßgabe beigeordnet, daß die Klägerin aus ihrem Einkommen monatliche Raten in Höhe von 60,00 EUR zu zahlen hat.

Gegen diesen nicht förmlich zugestellten Beschluß, der keine Rechtsmittelbelehrung enthält, hat die Klägerin mit Schriftsatz vom 11.03.2003, bei dem Arbeitsgericht am 14.03.2003 eingegangen, zunächst nur gegen den festgelegten Bewilligungszeitpunkt Beschwerde eingelegt. Sie meint, Prozeßkostenhilfe sei ihr rückwirkend ab Antragstellung zu bewilligen. Das PKH-Gesuch bereits vor dem 13.12.2002, nämlich am 09.12.2002, spätestens aber in der mündlichen Verhandlung am 10.12.2002 gestellt worden. Die PKH-Erklärung nebst Anlagen sei dann spätestens am 13.12.2002 eingereicht worden, mithin noch im laufenden Verfahren, denn die Widerrufsfrist für den Vergleich vom 10.12.2002 sei bis zum 24.12.2002 gelaufen.

Mit Schriftsatz vom 19.03.2003, bei dem Arbeitsgericht am 20.03.2003 eingegangen, hat die Klägerin die Beschwerde erweitert und auf den PKH-Bewilligungsbeschluß insgesamt gerichtet. Sie trägt vor, es sei ihr auch nicht möglich, Raten von 60,00 EUR monatlich zu zahlen, da sie derzeit ausweislich der überreichte Lohn- und Gehaltsabrechnung 2/2003 der G1xxxxxxxxx S4xxxxxxxxxxx G2xx nur noch über ein monatliches Einkommen von 325,00 EUR verfüge. Außerdem müsse sie gemäß der Ratenzahlungsvereinbarung vom 23.12.2002 eine Forderung in Höhe von insgesamt 732,81 EUR mit monatlich 25,00 EUR begleiche und zahle gemäß einer weiteren Ratenzahlungsvereinbarung vom 07.01.2003 monatliche Raten von 50,00 EUR.

Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.

 

Entscheidungsgründe

II. Die als sofortige auszudeutende Beschwerde ist zulässig (§§ 46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, 127 Abs. 2 ZPO), denn sie ist formgerecht eingelegt. Sie ist auch fristgerecht innerhalb der Jahresfrist, die mangels Rechtsmittelbelehrung gemäß § 9 Abs. 5 Satz 3 ArbGG zur Anwendung gelangt, eingelegt worden. Die (sofortige) Beschwerde ist begründet, soweit sie sich gegen die Ratenzahlungsanordnung richtet, sie ist unbegründet, sow...

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