Entscheidungsstichwort (Thema)
Wahl eines einheitlichen Betriebsrats. Wahl bei bereits bestehendem Betriebsrat. Nichtigkeit einer Betriebsratswahl
Leitsatz (redaktionell)
Existieren bereits zwei rechtmäßig gebildete Betriebsräte, darf für deren Zuständigkeitsbereiche keine weitere Betriebsvertretung gewählt werden. Daraus resultiert als notwendige Rechtsfolge, dass die angestrebte regionalweite Wahl eines einheitlichen Betriebsrates insoweit als nichtig einzustufen ist, wie sie auch die beiden genannten Teilbereiche erfasst. Nur so kann nämlich das gleichzeitige Bestehen mehrerer Betriebsräte mit den damit verbundenen Unklarheiten für die Wahrnehmung bestehender Mitwirkungs- und Mitbestimmungsrechte verhindert werden.
Normenkette
BetrVG § 1 Abs. 1 S. 1, § 4 Abs. 1, § 19; WO § 2 Abs. 2 S. 1; BetrVG § 17 Abs. 2 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Arnsberg (Entscheidung vom 21.02.2014; Aktenzeichen 1 BVGa 1/14) |
Tenor
Auf die Beschwerde des Arbeitgebers - unter Zurückweisung der Beschwerde im Übrigen - wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 21.02.2014 - 1 BVGa 1/14 - teilweise abgeändert und insgesamt wie folgt neu gefasst:
Dem Wahlvorstand wird aufgegeben, es zu unterlassen, weitere Handlungen vorzunehmen, die darauf gerichtet sind, das begonnene Verfahren zur Durchführung der Wahl eines einheitlichen Betriebsrats für die Region Westfalen-Süd innerhalb des Sozialwerks St. H e.V. fortzuführen, soweit sich das Wahlverfahren auf die "Geschäftsstelle des Geschäftsbereichs Westfalen-Süd" und den "Wohnverbund B" erstreckt.
Im Übrigen wird der Antrag abgewiesen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten im Rahmen eines Verfahrens auf Erlass einer einstweiligen Verfügung darum, ob das begonnene Verfahren zur Wahl eines einheitlichen Betriebsrates für eine bestimmte Region abzubrechen ist.
Der Arbeitgeber (Beteiligter zu 1) ist ein gemeinnütziger, karitativ tätiger Verein mit Sitz in H1. In mehr als 40 überregional verteilten Einrichtungsverbünden, verteilt auf das nördliche und südliche Westfalen sowie das Ruhrgebiet, bietet er unterschiedliche Leistungen mit den Schwerpunkten (teil-)stationärer Angebote der Eingliederungshilfe sowie der Jugendhilfe für Menschen mit Behinderungen, Erkrankungen und sozialen Schwierigkeiten an.
Mit insgesamt rund 2.000 Arbeitnehmern fiel der Arbeitgeber bis zum 31.12.2013 unter das kirchliche Arbeitsrecht, wobei drei Mitarbeitervertretungen für die Regionen Westfalen-Nord, Westfalen-Süd und Ruhrgebiet bestanden.
Den einzelnen Einrichtungsverbünden mit den ihnen zugeordneten Häusern und Diensten steht jeweils ein Einrichtungsleiter vor. Oberhalb dieser Ebene hat der Arbeitgeber die "Betriebsführung und Verwaltung der Einrichtungen" auf drei als gGmbH's ausgegründete Tochtergesellschaften übertragen, getrennt nach den drei genannten Regionen. In den abgeschlossenen sog. Anschluss-Betriebsführungsverträgen heißt es unter § 3:
"Arbeits- und Dienstverhältnisse
1. Die Arbeits- und Dienstverhältnisse zwischen dem e.V. und seinen in den Einrichtungen beschäftigten Arbeitnehmern werden durch diesen Vertrag nicht berührt. Neuabschlüsse und Änderungen von Arbeitsverträgen mit Arbeitnehmern der Einrichtungen erfolgen durch die GmbH im Namen und für Rechnung des e.V..
2. Zum Zwecke der Betriebsführung übernimmt die GmbH in Vertretung des e.V. gegenüber den in den Einrichtungen tätigen Mitarbeitern Arbeitgeberfunktion wahr mit disziplinarischem und fachlichem Weisungsrecht. (...)."
Hinsichtlich der weiteren Einzelheiten wird verwiesen auf die eingereichte Kopie als Anlage zum arbeitgeberseitigen Schriftsatz vom 05.02.2014 (Bl. 111 ff. d. A.).
Die Geschäftsführer der jeweils mit der Betriebsführung beauftragten gGmbH's haben allen Einrichtungsleitern schriftlich Vollmachten namentlich für die Durchführung mitbestimmungsrechtlicher und personeller Maßnahmen erteilt. Hinsichtlich des genauen Inhalts wird verwiesen auf eine mit arbeitgeberseitigem Schriftsatz vom 05.02.2014 eingereichte Kopie (Bl. 106 ff. d. A.).
Auf einer Betriebsversammlung am 29.01.2014 "für die Wahl eines Wahlvorstandes zur Durchführung der Betriebsratswahl im Geschäftsbereich Westfalen-Süd des Sozialwerks St. H e.V." wurde in Anwesenheit von über 100 Arbeitnehmern ein Wahlvorstand für die Region Westfalen-Süd (Beteiligter zu 2) gewählt.
Mit einem am 05.02.2014 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag verfolgt der Arbeitgeber das Ziel, das begonnene Wahlverfahren abzubrechen.
Er hat die Auffassung vertreten, es sei ersichtlich eine nichtige Wahl beabsichtigt. So liege offensichtlich eine Verkennung des Betriebsbegriffs vor. Alle betriebsverfassungsrechtlich relevanten Entscheidungen würden nämlich selbständig von den Einrichtungsleitern getroffen, so dass dort für die einzelnen Betriebe ein Betriebsrat zu wählen sei; im Übrigen müssten die Voraussetzungen des § 4 Abs. 1 Satz 1 BetrVG beachtet werden.
Daneben leide die Berufung des Wahlvorstandes an erheblichen Verfahrensfehlern, was namentlich die Ladung zur Betriebsversammlung am 29.01.2014 angehe. Es kön...