Entscheidungsstichwort (Thema)
Keine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle bei Streit um die Einführung einer elektronischen Zeiterfassung
Leitsatz (amtlich)
Die Einigungsstelle ist jedenfalls nicht offensichtlich unzuständig, wenn der Betriebsrat sich auf ein Initiativrecht zur Einführung einer elektronischen Zeiterfassung beruft (Anschluss an LAG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse v. 22.01.2015, 10 TaBV 1812/14 und 10 TaBV 2124/14).
Normenkette
BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 6; ArbGG §§ 100, 100 Abs. 1 S. 2
Verfahrensgang
ArbG Minden (Entscheidung vom 07.12.2018; Aktenzeichen 2 BV 25/18) |
Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberinnen gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Minden vom 07.12.2018 - 2 BV 25/18 - wird zurückgewiesen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten um die Einsetzung einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Einführung und Anwendung einer elektronischen Zeiterfassung",nachdem die Arbeitgeberinnen gegenüber dem antragstellenden Betriebsrat erklärt haben, sie hätten die Entscheidung getroffen, vollständig auf die Einführung einer elektronischen Zeiterfassung zu verzichten.
Wegen des weitergehenden Tatbestandes wird auf A. der Gründe des angegriffenen Beschlusses Bezug genommen. Von einer umfassenden Darstellung wird abgesehen (vgl. § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO).
B.
Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberinnen ist nicht begründet, da das Arbeitsgericht zutreffend davon ausgegangen ist, dass ein Fall der offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle im Sinne des § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG nicht vorliegt und dementsprechend die Einigungsstelle wie vom Betriebsrat beantragt eingesetzt hat.
I. Da die Beteiligten im Beschwerdeverfahren allein über die Rechtsfrage streiten, ob dem Betriebsrat ein sogenanntes Initiativrecht zur Einführung und Anwendung einer elektronischen Zeiterfassung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zusteht, ging es nicht um die Frage, ob in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG schon bei summarischer Prüfung unter keinen Umständen bestehen kann, sondern vielmehr darum, inwieweit im Rahmen des Maßstabes der offensichtlichen Unzuständigkeit gemäß § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG festzustellen ist, ob dem Betriebsrat auch hinsichtlich der Einführung einer technischen Überwachungseinrichtung ein Initiativrecht zusteht.
1. Zwischen den Beteiligten ist nicht im Streit, dass eine elektronische Zeiterfassung als solche grundsätzlich dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG unterfällt, so dass die Beschwerdekammer in diesem Punkt von einer weiteren Begründung absieht.
2. Als Maßstab für die Frage der offensichtlichen Unzuständigkeit kommt als einziger Ansatzpunkt in Betracht, ob es eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung gibt, die das entsprechende Initiativrecht des Betriebsrates verneint (vgl. hierzu LAG Niedersachsen, Beschluss vom 22.10.2013, 1 TaBV 53/13).
a) Die Beschwerdekammer musste nicht entscheiden, ob sie dem Ansatz, dass eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung bei der Prüfung der offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle nach § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG maßgeblich ist, folgt. Jedenfalls scheint es bedenkenswert, dass auch die höchstrichterliche Rechtsprechung einem Wandel unterliegt und es gerade wegen des das Einigungsstelleneinrichtungsverfahren nach § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG prägenden Offensichtlichkeitsgrundsatzes Schwierigkeiten bereiten kann, hierauf zurückzugreifen.
b) Jedenfalls ist festzuhalten, dass es zur Frage des Initiativrechts zur Einführung einer technischen Kontrolleinrichtung jedenfalls im Bereich der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung allein die von den Beteiligten angeführte Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts vom 28.11.1989, 1 ABR 97/88, gibt, die zu dem Ergebnis gekommen ist, dass es sich bei dem Mitbestimmungsrecht des § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG um ein Abwehrrecht handele und jedenfalls diese Vorschrift ein Initiativrecht des Betriebsrates im oben genannten Sinne nicht begründe. Einer vertieften Auseinandersetzung mit dieser Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts durch die Beschwerdekammer bedurfte es nicht, obschon die Beschreibung eines Mitbestimmungsrechtes bei § 87 Abs. 1 BetrVG als "Abwehrrecht" auch durchaus Kritik erfahren hat, soll es sich doch bei der Formulierung "mitzubestimmen" um ein Recht auf Mitgestaltung, und nicht lediglich - wie es etwa § 99 BetrVG im Bereich der personellen Maßnahmen beschreibt - um ein sogenanntes Veto- oder Abwehrrecht handeln (hierzu ausführlich Wiese/Gutzeit, GK/BetrVG 11. Aufl., § 87 Rdnr. 142 sowie LAG Berlin-Brandenburg, Beschlüsse vom 22.01.2015, 10 TaBV 1812/14 und 10 TaBV 2124/14 m.w.N.).
c) Nach Auffassung der Beschwerdekammer - wenn man überhaupt den Ausgangspunkt, dass eine höchstrichterliche Rechtsprechung im Rahmen des § 100 ArbGG zu beachten ist - folgt, kann jedenfalls dann nicht (mehr) von einer "gefestigten" Rechtsprechung ausgegangen werden, wenn es sich um einzelne Entscheidungen - hier des B...