Entscheidungsstichwort (Thema)
Bestellung eines Vorsitzenden für die Einigungsstelle "Einführung einer elektronischen Zeiterfassung". Keine offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle beim Einführen elektronischer Zeiterfassung. Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG bei Einführung elektronischer Zeiterfassung
Leitsatz (redaktionell)
1. Ob die mitbestimmungspflichtige Einführung einer elektronischen Zeiterfassung in die Rechte der Arbeitnehmer eingreift, ist nicht im Vorfeld abstrakt zu klären, sondern durch die Einigungsstelle bei Durchführung des Verfahrens.
2. Von einer gefestigten Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts kann nicht ausgegangen werden, wenn es nur einzelne Entscheidungen wie hier zum Initiativrecht des Betriebsrats gibt.
Normenkette
ArbGG § 100 Abs. 1; BetrVG § 87 Abs. 1 Nr. 6; GG Art. 12, 14; ZPO § 308
Verfahrensgang
ArbG Siegen (Entscheidung vom 05.10.2020; Aktenzeichen 1 BV 20/20) |
Tenor
- Auf die Beschwerde der Arbeitgeberin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Siegen vom 05.10.2020, 1 BV 20/20, teilweise abgeändert und zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems" Herr Dr. Jansen, Vorsitzender Richter am Landesarbeitsgericht Hamm, bestellt.
- Im Übrigen wird die Beschwerde der Arbeitgeberin zurückgewiesen.
Gründe
A.
Die Beteiligten streiten um die Einsetzung einer Einigungsstelle mit dem Regelungsgegenstand "Einführung eines elektronischen Zeiterfassungssystems", nachdem die Arbeitgeberin gegenüber dem antragstellenden Betriebsrat erklärt hat, sie werde mangels Initiativrechts des Betriebsrates in keine Verhandlungen zu diesem Thema eintreten, sei es innerbetrieblich oder in einer Einigungsstelle.
Nach Beschlussfassung im Rahmen einer Betriebsratssitzung am 03.06.2020 und endgültiger Ablehnung von Verhandlungen verfolgt der Betriebsrat die Einsetzung einer Einigungsstelle mit dem vorliegenden, beim Arbeitsgericht Siegen am 28.07.2020 eingegangenen Antrag weiter.
Das Arbeitsgericht hat dem Begehren des Betriebsrates durch Beschluss vom 05.10.2020 vollumfänglich stattgegeben, wobei die Arbeitgeberin dem vom Betriebsrat benannten Einigungsstellenvorsitzenden widersprochen hatte. Hiergegen richtet sich die rechtzeitig eingegangene Beschwerde der Arbeitgeberin.
Wegen des weitergehenden Tatbestandes wird auf A. der Gründe des angegriffenen Beschlusses Bezug genommen. Von einer umfassenden Darstellung wird abgesehen (vgl. § 313 a Abs. 1 Satz 1 ZPO).
B.
Die zulässige Beschwerde der Arbeitgeberinnen ist zum Teil begründet, da das Arbeitsgericht einerseits zutreffend davon ausgegangen ist, dass ein Fall der offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle im Sinne des § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG nicht vorliegt und dementsprechend die Einigungsstelle wie vom Betriebsrat beantragt eingesetzt hat, aber andererseits an dem vom Betriebsrat benannten Vorsitzenden trotz "Widerspruchs" der Arbeitgeberin festgehalten hat.
I. Da die Beteiligten im Beschwerdeverfahren allein über die Rechtsfrage streiten, ob dem Betriebsrat ein Initiativrecht zur Einführung und Anwendung einer elektronischen Zeiterfassung gemäß § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG zusteht, ging es nicht um die Frage, ob in der vorliegenden Sachverhaltskonstellation ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrates aus § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG schon bei summarischer Prüfung unter keinen Umständen bestehen kann, sondern vielmehr darum, inwieweit im Rahmen des Maßstabes der offensichtlichen Unzuständigkeit gemäß § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG festzustellen ist, ob dem Betriebsrat auch hinsichtlich der Einführung einer technischen Überwachungseinrichtung ein Initiativrecht zusteht.
1. Zwischen den Beteiligten ist nicht im Streit, dass eine elektronische Zeiterfassung als solche grundsätzlich dem Mitbestimmungsrecht nach § 87 Abs. 1 Nr. 6 BetrVG unterfällt, so dass die Beschwerdekammer in diesem Punkt von einer weiteren Begründung absieht.
2. Als Maßstab für die Frage der offensichtlichen Unzuständigkeit kommt als einziger Ansatzpunkt in Betracht, ob es eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung gibt, die das entsprechende Initiativrecht des Betriebsrates verneint (vgl. hierzu LAG Niedersachsen, Beschluss vom 22.10.2013, 1 TaBV 53/13).
a) Die Beschwerdekammer musste nicht entscheiden, ob sie dem Ansatz, dass eine gefestigte höchstrichterliche Rechtsprechung bei der Prüfung der offensichtlichen Unzuständigkeit der Einigungsstelle nach § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG maßgeblich ist, folgt. Jedenfalls scheint es bedenkenswert, dass auch die höchstrichterliche Rechtsprechung einem Wandel unterliegt und es gerade wegen des das Einigungsstelleneinrichtungsverfahren nach § 100 Abs. 1 Satz 2 ArbGG prägenden Offensichtlichkeitsgrundsatzes Schwierigkeiten bereiten kann, hierauf zurückzugreifen.
b) Jedenfalls ist festzuhalten, dass es zur Frage des Initiativrechts zur Einführung einer technischen Kontrolleinrichtung jedenfalls im Bereich der arbeitsgerichtlichen Rechtsprechung a...