Entscheidungsstichwort (Thema)
Rechtswegzuständigkeit
Leitsatz (amtlich)
Für Schadensersatzansprüche des Entleihers gegen den Leiharbeitnehmer ist der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen eröffnet.
Normenkette
ArbGG § 2 Abs. 1 Nr. 3a; AÜG Art. 1 § 1 Abs. 1 S. 1; AÜG § 11 Abs. 6
Verfahrensgang
ArbG Siegen (Beschluss vom 13.09.2002; Aktenzeichen 2 Ca 1142/02) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Siegen vom 13.09.2002 – 2 Ca 1142/02 – abgeändert:
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen wird für zulässig erklärt.
Der Wert des Beschwerdegegenstandes wird auf 2.550,51 EUR festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I
Der Kläger nimmt den Beklagten auf Schadensersatz in Anspruch.
Der Kläger ist Inhaber eines Transportunternehmens. Der Beklagte war bei ihm aufgrund eines mit der in O1xx ansässigen Firma I1x GmbH geschlossenen Arbeitnehmerüberlassungsvertrages vom 28.01.2002 als Leiharbeitnehmer eingesetzt. Am 29.01.2002 verursachte der Beklagte bei der Erledigung eines Transportauftrages einen Motorschaden, weil er etwa 40 Liter Dieselkraftstoff über den Öleinfüllstutzen in den Motor des von der Firma O2x gestellten Lkw einfüllte.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Sach- und Streitstandes wird auf die Gründe des angefochtenen Beschlusses und auf den Akteninhalt verwiesen.
Das Arbeitsgericht hat im Gütetermin am 05.07.2002 auf Bedenken hinsichtlich des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten hingewiesen.
Durch Beschluss vom 13.09.2002, welcher dem Kläger am 22.10.2002 zugestellt worden ist, hat das Arbeitsgericht den Rechtsweg zu Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt und den Rechtsstreit an das Landgericht Siegen verwiesen. Zur Begründung hat es ausgeführt, es handele sich nicht um eine arbeitsrechtliche Streitigkeit. Zwischen den Parteien hätte kein Arbeitsverhältnis bestanden. Wegen der Einzelheiten wird auf die Gründe des Beschlusses Bezug genommen.
Der am 30.10.2002 eingegangenen sofortigen Beschwerde des Klägers hat das Arbeitsgericht nicht abgeholfen. Zur Begründung seines Rechtsmittels trägt der Kläger vor, aufgrund der Rechtsnatur und der Eigenart des Leiharbeitsverhältnisses sei die Arbeitgeberfunktion bei der Arbeitnehmerüberlassung zwischen Verleiher und Entleiher aufgeteilt. Nach der überwiegenden Meinung in der Literatur seien für Streitigkeiten zwischen dem Entleiharbeitgeber und dem Leiharbeitnehmer die Arbeitsgerichte zuständig.
Der Beklagte stellt keinen Antrag und äußert sich zur Frage des Rechtsweges nicht.
Wegen der weiteren Einzelheiten des Vortrags der Parteien wird auf den Inhalt der gewechselten Schriftsätze nebst Anlagen Bezug genommen.
Entscheidungsgründe
II
Die gemäß §§ 48 Abs. 1 ArbGG, 17 a Abs. 4 Satz 2 GVG, 78 Abs. 1 ArbGG statthafte und im Übrigen gemäß den §§ 569, 571, 572 ZPO zulässige Beschwerde des Klägers hat Erfolg. Das Beschwerdegericht vermag sich der Auffassung des Arbeitsgerichts nicht anzuschließen. Die Arbeitsgerichte sind zuständig, weil es sich um eine arbeitsrechtliche Streitigkeit im Sinne von § 2 Abs. 1 Nr. 3 a ArbGG handelt.
1. Dem Arbeitsgericht ist zuzustimmen, dass zwischen dem Kläger als Entleiher und dem Beklagten als Leiharbeitnehmer kein Arbeitsverhältnis besteht. Der Gesetzge-ber hat den Leiharbeitnehmer arbeitsrechtlich dem gewerbsmäßig handelnden Ver-leiher zugeordnet und allein diese Beziehung als Arbeitsverhältnis qualifiziert (vgl. im Einzelnen Schüren, AÜG, 2. Aufl. 2003, Einl. Rdnr. 86; Becker/Wulfgramm, AÜG, Rdnr. 60, Art. 1, § 1). Arbeitgeber des Leiharbeitnehmers bleibt während der Über-lassungszeit der Verleiher, § 1 Abs. 1 Satz 1 AÜG. Andererseits bestehen auch ar-beitsrechtliche Beziehungen zwischen dem Leiharbeitnehmer und dem Entleiher, der das Weisungsrecht ausübt und demgegenüber der Leiharbeitnehmer bei Verletzung der Arbeitspflicht haftet (Schüren, aaO, Einl. Rdnr. 83; Erf.Komm./Wank, 3. Aufl., Einl. AÜG Rdnr. 50 ff; Becker/Wulfgramm, aaO, Rdnr. 58 zu Art. 1 § 1 AÜG). Des-halb wird bei der legalen Arbeitnehmerüberlassung von einem gespaltenen Arbeits-verhältnis gesprochen, welches einerseits durch das Bestehen arbeitsvertraglicher Beziehungen zum Verleiher und andererseits durch die Aufspaltung der Arbeitgeber-funktionen zwischen Verleiher und Entleiher charakterisiert wird (Becker/Wulfgramm, aaO, Rdnr. 57 zu Art. 1 § 1 AÜG sowie Becker, NJW 1971, 691). Nach dieser Theo-rie wird ein arbeitsrechtliches Schuldverhältnis zwischen Entleiher und Leiharbeit-nehmer angenommen, welches dem Entleiher ein Forderungsrecht auf die Arbeits-leistung gibt und aus dem bei Pflichtverletzungen Schadensersatzansprüche abge-leitet werden können. Nach anderer Auffassung wird der Anspruch auf die Arbeits-leistung an den Entleiher abgetreten oder ein Vertrag zugunsten Dritter angenom-men (vgl. im Einzelnen Schüren, aaO, Einl. Rdnrn. 88, 89 und 141, Erf.Komm./Wank, 3. Aufl., Einl. AÜG Rdnr. 48; Kasseler Handbuch/Düwell, 4.5 Rdnr. 442).
Es kann offen bleiben, welche Auffassung den Vorzug ver...