Entscheidungsstichwort (Thema)
Vergütung für geleistete Arbeit eines Arbeitnehmers als ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch aus einem Arbeitsverhältnis
Leitsatz (redaktionell)
Im Fall eines zur Aufrechnung gestellten bürgerlich-rechtlichen Bereicherungsanspruchs, dessen Rechtsgrund davon abhängen kann, ob ein öffentlich-rechtlicher Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG bestanden hat oder nicht, hat das Arbeitsgericht durch Vorbehaltsurteil zunächst über den Vergütungsanspruch des Arbeitnehmers zu entscheiden, soweit es für die Entscheidung über die Berechtigung der Aufrechnung auf diese Vorfrage ankommt.
Normenkette
BGB § 611a
Verfahrensgang
ArbG Arnsberg (Entscheidung vom 10.10.2022; Aktenzeichen 2 Ca 269/22) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Arnsberg vom 10. Oktober 2022 (2 Ca 269/22) aufgehoben.
Der Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen wird für derzeit zulässig erklärt.
Die Beklagte trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens, das Land A die Kosten der Streithilfe.
Der Wert des Gegenstands des Beschwerdeverfahrens wird auf 202,50 Euro festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird für die Beklagte und den Streithelfer zugelassen.
Gründe
I. Der Kläger verlangt von der Beklagten die Zahlung von Vergütung in Höhe von 675,00 Euro netto für den Monat März 2022. In dieser Höhe hat die Beklagte einen Einbehalt von der auszuzahlenden Vergütung vorgenommen, weil sie der Auffassung ist, dass sie dem Kläger für die Zeit einer behördlich angeordneten Quarantäne vom 4. bis 14. Februar 2022 aufgrund eines positiven Covid-19-Test nicht zur Zahlung einer Entschädigung nach § 56 IfSG verpflichtet gewesen sei. Denn der Kläger habe - unstreitig - keine Corona-Schutzimpfung nachgewiesen. Eine Entschädigung nach § 56 IfSG für die Zeit der behördlichen Quarantäneanordnung im Februar 2022 habe ihm deswegen nicht zugestanden.
Die Beklagte hat im Hinblick auf die Regelung in § 68 Abs. 1 IfSG die Zulässigkeit des Rechtsweges gerügt, weil der Kläger eine Entschädigung nach § 56 IfSG geltend mache, für die der Verwaltungsrechtsweg gegeben sei. Dem hat sich das Land A, dem die Beklagte den Streit verkündet hat, angeschlossen. Der Kläger hält die Zuständigkeit der Gerichte für Arbeitssachen für gegeben. Es bestehe neben dem Entschädigungsanspruch nach § 56 IfSG auch ein Zahlungsanspruch nach § 616 BGB sowie - hilfsweise - ein Schadensersatzanspruch.
Das Arbeitsgericht hat den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt. Wegen der Begründung wird auf die Gründe der angefochtenen Entscheidung verwiesen. Der Beschluss wurde dem Kläger am 13. Oktober 2022 zustellt. Hiergegen richtet sich seine am 27. Oktober 2022 eingelegte und begründete sofortige Beschwerde, welcher das Arbeitsgericht nicht abgeholfen hat.
II. Die gemäß § 48 Abs. 1 ArbGG, § 17 Abs. 4 Satz 3 GVG, § 78 Satz 1 ArbGG, § 567 Abs. 1 Nr. 1, § 569 ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist begründet. Das Arbeitsgericht hat zu Unrecht den Rechtsweg zu den Gerichten für Arbeitssachen für unzulässig erklärt.
1. Entgegen den von den Parteien, dem Streitverkündeten und dem Arbeitsgericht vertretenen Rechtsansichten werden nach dem unstreitigen Sachverhalt im vorliegenden Verfahren lediglich bürgerlich-rechtliche Ansprüche wechselseitig geltend gemacht.
a) Streitgegenstand der Klage ist ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch aus einem Arbeitsverhältnis im Sinne des § 2 Abs. 1 Nr. 3 a) ArbGG. Der Kläger verlangt die Vergütung für geleistete Arbeit im Monat März 2022 gemäß § 611a BGB.
b) Gegenstand der Aufrechnung der Beklagten ist ein bürgerlich-rechtlicher Anspruch, der im rechtlichen oder zumindest im unmittelbaren wirtschaftlichen Zusammenhang mit dem Arbeitsverhältnis steht und für dessen Geltendmachung nicht die ausschließliche Zuständigkeit eines anderen Gerichts gegeben ist (§ 2 Abs. 3 ArbGG). Ein unmittelbarer wirtschaftlicher Zusammenhang der Streitgegenstände i.S. von § 2 Abs. 3 ArbGG ist anzunehmen, wenn die Ansprüche auf demselben wirtschaftlichen Verhältnis beruhen oder wirtschaftliche Folgen desselben Tatbestands sind. Die Ansprüche müssen innerlich eng zusammengehören, also einem einheitlichen Lebenssachverhalt entspringen und nicht nur rein zufällig in Verbindung miteinander stehen (vgl. BAG 11. September 2002 - 5 AZB 3/02 - juris, Rn. 11; 23. August 2001 - 5 AZB 20/01 - juris, Rn. 10).
Die Beklagte hat wegen der von ihr für den Monat Februar 2022 bereits im Voraus aus eigenen Mitteln vorgenommenen Zahlung der Entschädigung nach § 56 IfSG gegen den Nettoentgeltanspruch für den Monat März 2022 aufgerechnet, weil sie im Nachhinein davon ausgeht, dass dem Kläger diese Entschädigung nicht zusteht, also ihrerseits eine Leistung ohne Rechtsgrund erfolgt ist. Der aus dieser Vorleistung folgende Bereicherungsanspruch im Sinne des § 812 Abs. 1 BGB stellt unabhängig davon, dass der Arbeitgeber nach der gesetzlichen Konzeption des Entschädigungsanspruches des § 56 IfSG lediglich eine Zahlstelle der zuständigen Behörde ...