Entscheidungsstichwort (Thema)

Arbeitsstätte. besondere Belastung. Fahrtkosten. Kraftfahrzeug. Kredit. Prozesskostenhilfe. Wohnung. Raten

 

Leitsatz (amtlich)

1. Die gemäß § 3 Abs. 6 Nr. 2 a DVO zu § 82 SGB XII pro Monat und Entfernungskilometer für die einfache Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte vorgesehenen 5,20 Euro sind als Fahrtkosten vom Einkommen gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 1 a ZPO i. V. m. § 82 Abs. 2 SGB XII abzusetzen. Es bleibt weiterhin offen, ob die in § 3 Abs. 6 Nr. 2 DVO zu § 82 SGB XII vorgesehene Höchstgrenze von 40 Kilometer im Rahmen der Prozesskostenhilfe Anwendung findet.

2. Neben diesen Fahrtkosten sind die für die Anschaffung eines Pkws zu zahlenden Kreditraten als besondere Belastung gemäß § 115 Abs. 1 Satz 3 Nr. 4 ZPO zu berücksichtigen.

3. Generelle Voraussetzung einer Berücksichtigung von Kreditraten aus einem Kfz-Kauf als besondere Belastung ist, dass die Anschaffung des Fahrzeugs im Hinblick auf Anlass und Höhe sowie dem Verhältnis zum laufenden Einkommen angemessen ist.

4. Für die Absetzbarkeit von Kreditraten aus der angemessenen Anschaffung eines Pkws vor dem Zeitpunkt, in dem die Prozessführung absehbar war, ist die berufliche Nutzung des Fahrzeugs keine Voraussetzung.

5. Wird der Pkw erst nach Bewilligung von Prozesskostenhilfe gekauft und finanziert, können die Kreditraten vom einzusetzenden Einkommen jedenfalls dann abgesetzt werden, wenn das Fahrzeug auch beruflich genutzt wird

 

Normenkette

ZPO §§ 115, 115 Abs. 1 S. 3 Nrn. 1a, 4; DVO § 3 Abs. 6 Nr. 2; SGB XII § 82

 

Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Beschluss vom 29.11.2011; Aktenzeichen 4 Ca 3969/09)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 29. November 2011 (4 Ca 3969/09) in der Fassung des Beschlusses vom 26. Januar 2012 aufgehoben.

Es verbleibt bei der durch Beschluss vom 24. September 2010 bewilligten Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen

 

Gründe

Die gemäß § 11 Abs.1 RPflG, § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs.2 Satz 2 und 3, §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist begründet. Die im Nachprüfungsverfahren des § 120 Abs.4 ZPO angeordnete Zahlung einer Rate ist nicht gerechtfertigt, weil der Kläger kein einzusetzendes Einkommen im Sinne des § 115 Abs.1 und 2 ZPO hat. Die durch die Vorlage der Eidesstattlichen Versicherungen sowohl des Klägers als Darlehensnehmer als auch seines Bruders, des Herrn W1 K1, wie auch seines Bekannten, des Herrn W1 S1, als Darlehensgeber nachgewiesenen Ratenzahlungen sind als besondere Belastungen im Sinne des § 115 Abs.1 Satz 3 Nr.4 ZPO zu berücksichtigen.

1. Es ist anerkannt, dass die Ratenaufwendungen für ein Fahrzeug als besondere Belastung abzusetzen sind (vgl. OLG Karlsruhe, 29.Januar 2009, 2 UF 102/08, NJW-RR 2009, 1233 <1235>; OLG Bremen, 16. Mai 2011, 4 WF 71/11, NJW-RR 2011, 1510).

a) Kreditraten für die Anschaffung eines Kraftfahrzeugs sind nicht durch die nach § 115 Abs.1 Satz 3 Nr.1 a ZPO i.V.m. § 82 Abs.2 SGB XII zu berücksichtigenden Fahrtkosten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte abgedeckt. Es ist unerheblich, dass nach dem Justizvergütungs- und -Entschädigungsgesetz die dortige Regelung in § 5 Abs.2 Nr.1 JVEG zum Fahrtkostenersatz abschließend ist.

Prozesskostenhilfe ist als Leistung der staatlichen Daseinsfürsorge und als Bestandteil der Rechtsschutzgewährung eine Einrichtung der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege. Die notwendigen Aufwendungen für Fahrten zwischen Wohnung und Arbeitsstätte sind daher nach den sozialhilferechtlichen Vorschriften zu bestimmen. Die Zielsetzung des Justizvergütungs- und -Entschädigungsgesetzes ist eine andere und besagt nichts für die Beurteilung der Absetzbarkeit von finanziellen Verpflichtungen im Zusammenhang mit der beruflichen und privaten Kfz-Nutzung nach § 115 Abs.1 Satz 3 Nr.1 und 4 ZPO. Das entspricht der ständigen Rechtsprechung der Beschwerdekammern des Landesarbeitsgerichts Hamm, wonach die gemäß § 3 Abs.6 Nr.2 a DVO zu § 82 SGB XII pro Monat und Entfernungskilometer für die einfache Entfernung zwischen Wohnung und Arbeitsstätte vorgesehenen 5,20 Euro gemäß § 115 Abs.3 Satz 1 Nr.1 a ZPO i.V.m. § 82 Abs.2 SGB XII als Fahrtkosten vom Einkommen des Antragstellers abzusetzen sind, wobei weiterhin offen bleiben kann, ob die in § 3 Abs.6 Nr.2 DVO zu § 82 SGB XII vorgesehene Höchstgrenze von 40 Kilometer im Rahmen der Prozesskostenhilfe Anwendung findet (vgl. LAG Hamm, 21. Juli 2008, 4 Ta 41/08, n.v.; 22.Dezember 2009, 5 Ta 655/09, nv.; 7. Februar 2011, 14 Ta 28/11, n.v.).

b) Die Anrechnung von Fahrtkosten nach § 3 Abs. 6 Nr. 2 DVO zu § 82 SGB XII deckt die reinen Betriebskosten und Steuern (vgl. OLG Karlsruhe, 29.Januar 2009, 2 UF 102/08, NJW-RR 2009, 1233 <1235>; ebenso LAG Baden-Württemberg, 2. September 2009, 4 Ta 7/09, juris; LAG Köln, 3. November 2010, 3 Ta 257/10, juris). Die im Falle einer Fremdfinanzierung daneben entstehenden Aufwendungen für ein Fahrzeug werden hiervon nicht erfasst, so dass diese ...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?