Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiordnung. einfache und schwierige Anträge. Erforderlichkeit. Rechtsanwalt. Zahlungsklage
Leitsatz (amtlich)
1. Bei der Beurteilung der Frage, ob eine vermögende Partei in der Lage der bedürftigen Partei vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung ihrer Interessen beauftragt hätte, ist im arbeitsgerichtlichen Verfahren erster Instanz stets zu berücksichtigen, dass nach § 12 a Abs. 1 ArbGG kein Anspruch der obsiegenden Partei auf Erstattung der Kosten für die Zuziehung eins Prozessbevollmächtigten oder Beistands besteht.
2. Eine uneingeschränkte Beiordnung ist bei einer Klage, die mehrere Zahlungsansprüche zum Gegenstand hat, nicht unter dem Gesichtspunkt gerechtfertigt, dass für einen Teil der nicht den wirtschaftlichen Schwerpunkt des Verfahrens bildet, die Beiordnung vom Arbeitsgericht bewilligt wurde. Ob dies anders zu beurteilen ist wenn der Antrag, für den die Beiordnung erfolgt, wirtschaftlicher Schwerpunkt des Rechtsstreits ist, war nicht zu entscheiden.
Normenkette
ArbGG § 12a Abs. 1; ZPO § 121 Abs. 2 Alt. 1
Verfahrensgang
ArbG Siegen (Beschluss vom 26.05.2009; Aktenzeichen 3 Ca 153/09 O) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Klägerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegen vom 26. Mai 2009 (3 Ca 153/09) wird auf ihre Kosten zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen
Tatbestand
I.
Die Klägerin war bei dem Beklagten, der eine Einzelfirma bis zum 31. Oktober 2008 betrieb, als Sachbearbeiterin eingestellt. Die Firma wurde zum genannten Zeitpunkt aus finanziellen Gründen stillgelegt. Für die Monate September und Oktober 2008 erteilte der Beklagte Abrechnungen und zwar für September 2008 in Höhe von 1.600,00 Euro brutto und für Oktober 2008 über 1.496,17 Euro brutto. Er zahlte aber die dort ausgewiesenen Beträge nicht.
Unter dem 1. Dezember 2008 erhielt die Klägerin einen Berechtigungsschein für Beratungshilfe für eine arbeitsrechtliche Angelegenheit betreffend die Geltendmachung von Gehaltsansprüchen durch das Amtsgericht Olpe erteilt und wandte sich sodann an ihre spätere Prozessbevollmächtigte. Mit Schreiben vom 6. Dezember 2008 machte diese neben den abgerechneten Lohnforderungen für September und Oktober 2008 noch 6 Tage Urlaubsabgeltung in Höhe von 436,38 Euro brutto geltend. Der Beklagte erwiderte darauf mit Schreiben vom 12. Dezember 2008, dass er zur Abgeltung aller Forderungen aus dem Arbeitsverhältnis die Zahlung eines Einmalbetrages von 1.000,00 Euro anbiete. Weitere Zahlungen seien ihm nicht möglich. Einwendungen gegen die Forderungen erhob er nicht. Die Klägerin lehnte das Angebot ab und forderte ihrerseits die Zahlung eines Betrages von insgesamt 2.000,00 Euro zuzüglich der Kosten ihrer Prozessbevollmächtigten. Der Beklagte reagierte hierauf nicht mehr.
Daraufhin erhob die Klägerin Klage auf Zahlung der abgerechneten Forderungen für September und Oktober 2008 sowie der Urlaubsabgeltung in der o. g. Höhe. Das Arbeitsgericht hat durch die hier angefochtene Entscheidung Prozesskostenhilfe in vollem Umfang gewährt, jedoch die Prozessbevollmächtigte der Klägerin nur für den Antrag auf Zahlung einer Urlaubsabgeltung beigeordnet, im Übrigen aber eine Beiordnung abgelehnt. Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde.
Entscheidungsgründe
II.
Die gemäß § 46 Abs. 2, § 78 ArbGG, § 127 Abs. 2, §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde ist nicht begründet. Das Arbeitsgericht hat die Beiordnung einer Rechtsanwältin für die Klage auf Zahlung der Vergütung für die Monate September und Oktober 2008 zu Recht mangels Erforderlichkeit im Sinne des § 121 Abs. 2 Alt. 1 ZPO abgelehnt.
1. Nach § 46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, § 121 Abs. 2 ZPO ist im arbeitsgerichtlichen Verfahren erster Instanz einer Partei auf ihren Antrag ein zur Vertretung bereiter Anwalt ihrer Wahl beizuordnen, wenn die Vertretung durch einen Rechtsanwalt erforderlich erscheint oder der Gegner sich durch einen Rechtsanwalt vertreten lässt. Da der Beklagte anwaltlich nicht vertreten war, kommt es hier allein darauf an, ob die Beiordnung eines Rechtsanwalts „erforderlich erscheint”. Das ist hier nicht der Fall.
Was „erforderlich erscheint”, ist unter Berücksichtigung des allgemeinen Gleichheitssatzes in Art. 3 Abs. 1 GG in Verbindung mit dem in Art. 20 Abs. 3 GG verbürgten Rechtsstaats- und dem in Art. 20 Abs. 1 GG verbürgten Sozialstaatsprinzip zu ermitteln. Nach diesen Grundsätzen muss die Situation von bemittelten und unbemittelten Parteien bei der Verwirklichung des Rechtsschutzes weitgehend angeglichen werden. Der unbemittelten Partei darf die Rechtsverfolgung und Rechtsverteidigung im Vergleich zur Bemittelten nicht unverhältnismäßig erschwert werden. Der Unbemittelte muss grundsätzlich ebenso wirksamen Rechtsschutz in Anspruch nehmen können wie ein Begüterter. Ein Rechtsanwalt ist beizuordnen, wenn ein Bemittelter in der Lage des Unbemittelten vernünftigerweise einen Rechtsanwalt mit der Wahrnehmung seiner Interessen beauftragt hätte (vgl. BVerfG, 18. März 2003, 1 BvR 329/03, ZinsO 2003, 6...