Entscheidungsstichwort (Thema)
Beiordnung. Erforderlichkeit. Prozesskostenhilfe
Leitsatz (amtlich)
1. Die Beiordnung eines Rechtsanwalts im Sinne des § 121 Abs. 2 Alt. 1 ZPO ist erforderlich, wenn aus Gründen in dem der Rechtsverfolgung zugrundeliegenden Anspruch oder in dem dafür erforderlichen Verfahren (Sach- und Rechtslage) oder aus Gründen in der Person der Partei eine anwaltliche Vertretung im Verfahren notwendig ist. Entscheidend ist, ob eine Partei, welche nicht auf Prozesskostenhilfe angewiesen ist, unter Abwägung ihrer Prozessrisiken und Berücksichtigung ihres Kostenrisikos in einem vergleichbaren Fall vernünftigerweise einen Rechtsanwalt hinzuziehen würde.
2. Die Annahme, der erste Rechtszug sei gerade in Arbeitssachen voller materiell-rechtlicher und verfahrensrechtlicher Fallstricke, rechtfertigt eine Beiordnung nicht (gegen LAG Sachsen, 23. Juni 1998, 2 Ta 99/98, LAGE ZPO § 114 Nr. 31). Ebenso wenig reicht es aus, dass zum Zeitpunkt der Entscheidungsreife des Prozesskostenhilfe- und Beiordnungsgesuchs der weitere Verfahrensablauf nicht absehbar ist, insbesondere ob, wie und wann der Arbeitgeber sich gegen die Klage verteidigen wird (gegen LAG Niedersachsen, 4. Juni 2004, 10 Ta 241/04, LAGE ZPO 2002 § 114 Nr. 2).
3. Sind im Falle einer Zahlungsklage zum Zeitpunkt der Entscheidung über eine Beiordnung die Ermittlung der tatsächlichen und rechtlichen Voraussetzungen des Anspruchsgrundes sowie die Berechnung der Höhe der Zahlungsforderung einfach und liegen Einwendungen der Gegenseite nicht vor, so dass insgesamt Schwierigkeiten bei der gerichtlichen Durchsetzung des Zahlungsanspruchs nicht zu erwarten sind, hat die Partei – unter Inanspruchnahme der Hilfe der Rechtsantragsstelle – ihre Zahlungsforderung zunächst selbst klageweise zu verfolgen.
Normenkette
ZPO § 121 Abs. 2
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Beschluss vom 18.06.2009; Aktenzeichen 4 Ca 919/09) |
Nachgehend
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 18. Juni 2009 (4 Ca 919/09) wird auf seine Kosten zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Gründe
Die gemäß § 46 Abs. 2, § 78 ArbGG, § 127 Abs. 2, §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde des Klägers ist unbegründet. Zu Recht hat das Arbeitsgericht trotz Bewilligung von Prozesskostenhilfe für die Zahlungsklage die Beiordnung eines Rechtsanwalts abgelehnt.
Die Voraussetzungen einer Beiordnung nach § 121 Abs. 2 ZPO liegen nicht vor. Eine Beiordnung nach der zweiten Alternative dieser Vorschrift scheidet aus, weil die Beklagte in dem Verfahren anwaltlich nicht vertreten war. Ebenso wenig war die Beiordnung erforderlich im Sinne des § 121 Abs. 2 Alt. 1 ZPO. Die Voraussetzungen hierfür sind im vorliegenden Fall nicht erfüllt.
1. Die nach § 121 Abs. 2 Alt. 1 ZPO bestehende Voraussetzung, dass in Verfahren, in denen eine anwaltliche Vertretung nicht vorgeschrieben ist, einer Partei ein zur Vertretung bereiter Anwalt beigeordnet wird, wenn die Vertretung erforderlich erscheint, ist nur dann erfüllt, wenn Art und Inhalt des durchzuführenden Rechtstreits und Gründe in der Person der Partei eine anwaltliche Unterstützung im Verfahren notwendig machen. Unter Berücksichtigung von Sinn und Zweck sowohl der Prozesskostenhilfe als auch der Beiordnung reicht es nicht, dass eine anwaltliche Vertretung nützlich oder ratsam ist; sie muss andererseits aber auch nicht unerlässlich sein.
a) Die Prozesskostenhilfe dient dazu, unbemittelten Personen den Zugang zu den staatlichen Gerichten zu eröffnen. Sie stellt als Leistung der staatlichen Daseinsfürsorge und als Bestandteil der Rechtschutzgewährung eine Einrichtung der Sozialhilfe im Bereich der Rechtspflege dar, die ihre verfassungsrechtliche Legitimation im Gebot des sozialen Rechtsstaats und im allgemeinen Gleichheitssatz findet. Wegen des Sozialhilfecharakters der Prozesskostenhilfe und der damit verbundenen Belastung der Allgemeinheit mit den Kosten für die Rechtsdurchsetzung ergeben sich für die Bewilligung von Prozesskostenhilfe Grenzen. Deshalb ist Voraussetzung, dass sich die bedürftige Partei erst dann eines Rechtsanwalts bedient, wenn das im Einzelfall wirklich notwendig ist. Nur dann ist es gerechtfertigt, die Staatskasse mit den hierdurch entstehenden Kosten zu belasten (vgl. BAG, 15. Februar 2005, 5 AZN 781/04, NZA 2005, S. 431).
Eine Berücksichtigung der für die Allgemeinheit bestehenden Kostenbelastung durch die Gewährung von Prozesskostenhilfe bei der Auslegung und Anwendung der dafür maßgeblichen Vorschriften ist zulässig und stellt kein fiskalisches Denken der Justiz dar, wie der Kläger meint. Zwar ist es richtig, dass ein Vorbehalt der günstigen Kassenlage der öffentlichen Haushalte oder der Finanzierbarkeit der Folgen der gegenwärtigen gesetzlichen Bestimmungen in §§ 114 ff. ZPO nicht enthalten ist und dieser auch nicht in die Bestimmungen durch die Gerichte hineininterpretiert werden darf (vgl. LAG Niedersachsen, 4. Juni 2004, 10...