Entscheidungsstichwort (Thema)
Zumutbarer Einsatz von 10% der Kündigungs- oder Sozialplanabfindung
Leitsatz (amtlich)
1. Wenn das gesetzliche Schonvermögen durch die gezahlte Abfindung überschritten wird, hat der PKH-Empfänger im Kosteninteresse grundsätzlich mit einem Betrag in Höhe von 10% des Nennwertes einer Kündigungsabfindung (die Steuern ermäßigen den einzusetzenden Betrag nicht) für die entstandenen Kosten einzustehen (gegen LAG Bremen, Bes. v. 20.07.1988 – 1 Ta 38/88, LAGE § 115 ZPO Nr. 29; LAG Niedersachsen, Bes. v. 26.07.1998 – 16 Ta 143/98, LAGE § 115 ZPO Nr. 56).
2. Daß sich eine 10%-ige Anrechnung der Abfindungssumme nur innerhalb der Differenz von Schonvermögen und Abfindungsbetrag bewegen dürfte, würde den gesetzlichen Zielvorstellungen, wonach bei der bedürftigen Partei „kleinere Barbeträge” verbleiben sollen, der „Notgroschen” also nicht eingesetzt werden muß, nicht entsprechen. Es wäre allenfalls denkbar, an Stelle des 10%-igen Kostenbeitrags generell die Differenz zwischen Schonvermögen und Abfindungsbetrag als „freies” Vermögen anzusetzen.
Normenkette
ZPO §115; BSHG § 88 Abs. 2 Ziff. 8 Hs. 2, Abs. 3
Verfahrensgang
ArbG Naumburg (Beschluss vom 30.10.2002; Aktenzeichen 4 Ca 2894//02) |
Nachgehend
Tenor
Die sofortige Beschwerde des Klägers gegen den PKH-Abänderungsbeschluß des Arbeitsgerichts Dortmund vom 30.10.2002 – 4 Ca 2894//02 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
I. Das Arbeitsgericht Dortmund hat dem Kläger zur Durchführung eines Kündigungsschutzverfahrens im Gütetermin mit Beschluß vom 08.07.2002 mit Wirkung vom 07.05.2002 in vollem Umfang Prozeßkostenhilfe ohne Ratenzahlungsverpflichtung bewilligt und ihm Rechtsanwalt B1. aus D1. beigeordnet.
Im Gütetermin vom 08.07.2002 (4 Ca 2894/02) haben die Parteien sodann nach der PKH-Bewilligung einen Vergleich geschlossen, wonach das Arbeitsverhältnis aufgrund arbeitgeberseitiger Kündigung mit dem 31.05.2002 beendet worden ist und die Beklagte an den Kläger wegen des Verlustes des Arbeitsplatzes eine Abfindung gemäß §§ 9, 10 KSchG in Höhe von 4.100,00 EUR zahlt.
Mit Beschluß vom 30.10.2002 (4 Ca 2894/02) hat das Arbeitsgericht den PKH-Bewilligungsbeschluß vom 08.07.2002 abgeändert und angeordnet, daß der Kläger auf die Kosten des Verfahrens einen Teilbetrag in Höhe von 410,00 EUR aus seinem Vermögen zu zahlen hat.
Gegen den am 07.11. 2002 zugestellten Beschluß hat der Kläger mit Schriftsatz vom 22.11.2002, bei dem Arbeitsgericht am 26.11.2002 eingegangen, sofortige Beschwerde eingelegt.
Zur Begründung trägt er, er habe den Abfindungsbetrag zu einem erheblichen Teil zum Kontoausgleich eingesetzt, indem er den per Scheck ausgezahlten Vergleichsbetrag auf sein Konto eingezahlt habe. Danach habe sich auf seinem Konto nach dem Saldoausgleich nur ein Guthaben von 1.946,21 EUR befunden. Allenfalls ein Zehntel hiervon sei für die Prozeßkosten einzusetzen. Eine 10%-ige Anrechnung der Abfindungssumme dürfte sich – wenn überhaupt – nur innerhalb der Differenz von Schonvermögen und Abfindungsbetrag bewegen.
Das Arbeitsgericht hat der Beschwerde nicht abgeholfen.
Entscheidungsgründe
II. Die nach §§ 46 Abs. 2 Satz 3 ArbGG, 127 Abs. 2 ZPO zulässige, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist unbegründet. Mit Recht hat das Arbeitsgericht gegenüber dem Kläger die Zahlung eines Kostenbeitrags in Höhe von 10% der erhaltenen Abfindung gemäß § 115 Abs. 2 ZPO angeordnet.
1. Ein solcher Beitrag entspricht der ständigen Rechtsprechung der bisherigen beiden Beschwerdekammern des Landesarbeitsgerichts Hamm (vgl. LAG Hamm v. 21.02.1989 – 7 Ta 502/88, n.v.; LAG Hamm v. 21.01.1998 – 14 Ta 158/98, n.v.), der sich die beiden neuen Kammern angeschlossen haben (vgl. LAG Hamm v. 29.05.2002 – 4 Ta 320/02, n.v.; LAG Hamm v. 19.02.2003 – 18 Ta 40/03, n.v.). Nach dieser Rechtsprechung stellt eine vom Arbeitnehmer im Vergleichswege erzielte Abfindung grundsätzlich einen nach § 115 Abs. 2 ZPO berücksichtigungsfähigen Vermögenswert dar. Zwar wird vereinzelt die Auffassung vertreten, daß eine Kündigungsschutzabfindung als zweckgebundenes Vermögen nicht für die Kostenerstattung zur Verfügung steht (vgl. LAGBremen v. 20.07.1998 – 1 Ta 38/98, LAGE § 115 ZPO Nr. 29; LAGNiedersachsen v. 26.07.1998 – 16 Ta 143/98, LAGE § 115 ZPO Nr. 56). Diese Auffassung wird jedoch von der weit überwiegenden Mehrheit der übrigen Landesarbeitsgerichte nicht geteilt (vgl. LAGSchleswig-Holstein v. 24.06.1987 – 5 Ta 91/87, LAGE § 115 ZPO Nr. 25; LAGFrankfurt/Main v. 07.04.1988 – 13 Ta 28/88, LAGE § 115 ZPO Nr. 28; LAG Berlin v. 05.04.1989 – 9 Ta 6/89, LAGE § 115 ZPO Nr. 34; LAGNürnberg v. 24.08.1989 – 4 Ta 39/89, LAGE § 115 ZPO Nr. 40; LAGRheinland-Pfalz v. 06.03.1995 – 4 Ta 14/95, LAGE § 115 ZPO Nr. 51; LAGKöln v. 07.03.1995 – 7 Ta 22/95, LAGE § 115 ZPO Nr. 49; LAGHamburg v. 13.08.1997 – 1 Ta 3/97, LAGE § 115 ZPO Nr. 52; LAGSchleswig-Holstein v. 24.09.1997 – 5 Ta 153/97, LAGE § 115 ZPO Nr. 53).
1.1. Die Anrechnung...