Entscheidungsstichwort (Thema)
Zulässigkeit des Rechtswegs zu den Arbeitsgerichten für die Feststellung der Unwirksamkeit der Kündigung des Arbeitsverhältnisses eines GmbH-Geschäftsführers
Leitsatz (amtlich)
1. Die Fiktionswirkung des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG greift nur für die Dauer des Bestehens der Organbestellung ein (vgl. BAG, Beschluss vom 08.09.2015 - 9 AZB 21/15, NZA 2015, 1342). Sie beginnt daher mit der Bestellung zum Organ und endet mit der Abberufung als Organ. Unterbleibt die im Anstellungsvertrag vorgesehene Organbestellung, ist der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten nicht bereits aufgrund der Sperrwirkung des § 5 Abs. 1 S. 3 ArbGG ausgeschlossen, sondern nach allgemeinen Grundsätzen zu prüfen.
2. Bei mehreren prozessualen Streitgegenständen ist die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten für jeden Streitgegenstand gesondert zu prüfen (vgl. BAG, Beschluss vom 22.10.2014 - 10 AZB 46/14, NZA 2015, 60.
3. Ist das Bestehen eines Arbeitsverhältnisses sowohl Voraussetzung für die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten als auch zwingende Voraussetzung für die Begründetheit des jeweiligen Klageantrags, reicht bei diesen doppelt relevanten Tatsachen (sic-non-Fälle) die bloße Rechtsansicht des Klägers aus, dass das Rechtsverhältnis ein Arbeitsverhältnis ist. Dies gilt auch dann, wenn die im Anstellungsvertrag vorgesehene Bestellung zum Geschäftsführer einer GmbH unterblieben ist oder die Organbestellung noch vor Abschluss des Rechtswegverfahrens durch Abberufung oder Amtsniederlegung beendet wird (vgl. dazu: BAG, Beschluss vom 03.12.2014 - 10 AZB 98/14, NZA 2015, 180; Beschluss vom 08.09.2015 - 9 AZB 21/15, NZA 2015, 1342).
4. Die Tatsache allein, dass der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten unter dem Gesichtspunkt eines sic-non-Falles für einen Klageantrag eröffnet ist, reicht für die Begründung der Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten für andere Klageanträge unter dem Gesichtspunkt einer Zusammenhangsklage im Sinne des § 2 Abs. 3 ArbGG nicht aus (vgl. BAG, Beschluss vom 11.06.2003 - 5 AZB 43/02, NJW 2003, 1906).
5. Durch eine Parteivereinbarung kann der Geltungsbereich der zwingenden Arbeitnehmerschutzbestimmungen nicht eingeschränkt werden, so dass die Wünsche und Vorstellungen der Parteien für die Beurteilung der Rechtsnatur eines Vertragsverhältnisses unbeachtlich sind, sofern dadurch der zwingende Charakter des Arbeitnehmerschutzrechts umgangen werden könnte. Die objektiven Umstände der Vertragsdurchführung sind demnach nur dann für die Beurteilung der Rechtsnatur eines Vertragsverhältnisses maßgeblich, wenn nach dem Willen oder Vorstellungen der Parteien kein Arbeitsverhältnis begründet werden sollte, da die Geltung des zwingenden Arbeitnehmerschutzrechts nicht zur Disposition der Arbeitsvertragsparteien steht. Soll dagegen nach dem Willen oder Vorstellungen der Parteien das Vertragsverhältnis ein Arbeitsverhältnis sein, so ist es jedenfalls regelmäßig auch als ein solches einzuordnen mit der Folge, dass für Streitigkeiten daraus der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten zulässig ist (vgl. BAG, Beschluss vom 08.09.2015 - 9 AZB 21/15, NJW 2015, 3469; Urteil vom 18.03.2014 - 9 AZR 694/12, juris).
Normenkette
ArbGG § 5 Abs. 1 S. 3
Verfahrensgang
ArbG Bocholt (Entscheidung vom 14.08.2015; Aktenzeichen 2 Ca 445/15) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde des Klägers wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bocholt vom 14.08.2015 - 2 Ca 445/15 abgeändert und der Rechtsweg zu den Arbeitsgerichten für zulässig erklärt.
Die Kosten des Beschwerdeverfahrens werden den Beklagten auferlegt.
Der Gegenstandswert für das Beschwerdeverfahren wird auf 31057,41 € festgesetzt.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Parteien streiten im Beschwerderechtszug um die Zulässigkeit des Rechtsweges zu den Arbeitsgerichten für die Klage auf Feststellung der Unwirksamkeit der von den Beklagten erklärten Kündigung sowie für die vom Kläger geltend gemachten Zahlungsansprüche.
Der 1967 geborene, verheiratete Kläger ist Vater von vier Kindern. Unter dem 04.03.2014 schloss er mit den Beklagten einen als "Anstellungsvertrag" bezeichneten schriftlichen Vertrag ab, der u.a. folgende Regelungen enthält: in dem es auszugsweise heißt:
§ 1 Tätigkeit und Aufgabengebiet
Gemäß Gesellschafterbeschlüsse vom (sind noch erforderlich, erfolgen im März 2014) wird Herr Q zum 01.04.2014 * zum alleinvertretungsberechtigen und von den Beschränkungen des § 181 BGB befreiten Geschäftsführer der oben genannten Firmen bestellt.
* siehe Anlage III 1
Herr Q führt die Geschäfte der o.g. Firmen in eigener Verantwortung und unter Beachtung der gesetzlichen und gesellschaftsrechtlichen Bestimmungen. Er ist außerdem verpflichtet, auch alle Bestimmungen der Gesellschaftsverträge, die noch im Zuge des Beiratsvertrages beschlossen werden müssen, soweit sie sich auf seine Geschäftsführung beziehen, zu befolgen.
Siehe Anlage III.
§ 5 Arbeitszeit
Her Q ist zur Einhaltung der von der Firmengruppe T festgesetzten und im Einklang mit den gesetz...