Entscheidungsstichwort (Thema)

Einigungsstellenbesetzung. offensichtliche Unzuständigkeit. Betriebsänderung, Personalabbau in Wellen

 

Leitsatz (amtlich)

Im Einigungsstellenbesetzungsverfahren nach § 98 ArbGG, das lediglich die offensichtliche Unzuständigkeit der Einigungsstelle überprüft und einem besonderen Beschleunigungsgrundsatz unterliegt, kann vom Antragsgegner nicht gleichzeitig die Feststellung der Unzuständigkeit der Einigungsstelle beantragt werden.

 

Normenkette

ArbGG § 98; BetrVG § 111

 

Verfahrensgang

ArbG Bielefeld (Beschluss vom 05.05.2003; Aktenzeichen 4 BV 29/03)

 

Tenor

Die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 05.05.2003 – 4 BV 29/03 – wird zurückgewiesen.

 

Tatbestand

A

Die Beteiligten streiten um die Einrichtung einer Einigungsstelle.

Der Arbeitgeber produziert in seinem Betrieb Bäckereimaschinen und beschäftigt ca. 200 Mitarbeiter.

Antragsteller ist der im Betrieb des Arbeitgebers gewählte Betriebsrat, der aus neun Personen besteht.

Mit Schreiben vom 02.07.2002 (Bl. 10 ff.d.A.) wandte sich der Arbeitgeber wegen eines Auftragseinbruchs an den Betriebsrat und übermittelte diesem einen Maßnahmenkatalog zur Stellungnahme. Im letzten Absatz dieses Maßnahmenkatalogs heißt es:

„Der verbleibende Einsparungsbetrag von 500 TEUR für 2002 muß durch Freisetzung von Mitarbeitern erfolgen. Diese Maßnahme muß in 2002 eingeleitet werden, um in 2003 voll ergebniswirksam zu werden, damit ab dem 1.1.2003 die Regelarbeitszeit wieder auf 35 Stunden erhöht werden kann.

Laut Einschätzung der Geschäftsführung kann diese Maßnahme nur durch Schließung ganzer Abteilungen umgesetzt werden, die derzeit nicht mehr rentabel arbeiten. Konkrete Vorschläge zur Umsetzung dieser Maßnahme werden in den kommenden 14 Tagen erarbeitet werden.”

Die Beteiligten schlossen daraufhin unter dem 25.09.2002 eine Betriebsvereinbarung (Bl. 93 ff.d.A.), deren Ziel es war, betriebsbedingte Entlassungen und die Stilllegung von Betriebsabteilungen zu vermeiden. Diese Betriebsvereinbarung wurde zunächst für den Zeitraum vom 01.10.2002 bis zum 31.12.2002 abgeschlossen, sie wurde jedoch durch Betriebsvereinbarung vom 05.11.2002 (Bl. 96 d.A.) wegen vorteilhafter Umsatzentwicklung für den gesamten Monat November 2002 ausgesetzt.

In der Zeit von November 2002 bis zum 31.12.2002 schieden 11 der seinerzeit 209 beschäftigten Arbeitnehmer des Arbeitgebers aufgrund Eintritts in den Ruhestand, Aufhebungsvertrag, Eigenkündigung und Kündigung des Arbeitgebers aus dem Arbeitsverhältnis aus.

Am 15.01.2003 teilte der Geschäftsführer des Arbeitgebers dem Betriebsrat mit, dass die Abteilungen Nassschleiferei, Trockenschleiferei, Spachtelei, Schweißerei, Bohrwerk und Schmiede geschlossen werden müssten, es müsse weitere 18 Entlassungen geben.

Mit Schreiben vom 12.03.2003 (Bl. 97 d.A.) wurde der Personalleiter des Arbeitgebers durch die Geschäftsführung angewiesen, arbeitsrechtliche Schritte zur Beendigung der Arbeitsverhältnisse in den zu schließenden Abteilungen einzuleiten.

Daraufhin erhielt der Betriebsrat am 19.03.2003 schriftliche Anhörungen zu 13 beabsichtigten Kündigungen (Bl. 19 ff.d.A.), die inzwischen ausgesprochen wurden.

Durch die Schließung von Abteilungen waren auch zwei Mitarbeiter betroffen, denen wegen ihrer Mitgliedschaft im Betriebsrat nicht gekündigt werden konnte, diese Mitarbeiter wurden versetzt.

Mit Schreiben vom 26.03.2003 (Bl. 56 ff.d.A.) forderte der Betriebsrat den Arbeitgeber auf, Verhandlungen über einen Interessenausgleich und Sozialplan wegen einer Betriebsänderung aufzunehmen. Dies wurde mit Schreiben des Arbeitgebers vom 28.03.2003 (Bl. 59 d.A.) abgelehnt.

Mit dem am 11.04.2003 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren machte der Betriebsrat daraufhin die Einrichtung einer Einigungsstelle geltend.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, es liege eine Betriebseinschränkung im Sinne des § 111 Nr. 1 BetrVG vor. Die Leistungsfähigkeit des Betriebes werde durch die Schließung von zahlreichen Abteilungen und teilweise Fremdvergabe an Drittfirmen herabgesetzt. Darüber hinaus stelle allein der reine Personalabbau eine sozialplanpflichtige Betriebsänderung dar. Im Jahre 2002 seien 11 Arbeitsplätze abgebaut worden. Nunmehr seien 13 Kündigungen ausgesprochen worden. Zwei weitere Mitarbeiter seien von einer Versetzung betroffen.

Der Betriebsrat hat beantragt,

  1. den Vorsitzenden Richter am Landesarbeitsgericht Hamm Peter Schmidt zum Vorsitzenden einer Einigungsstelle im Betrieb der Arbeitgeberin zum Thema Interessenausgleich/Sozialplan wegen Betriebsänderung zu bestimmen,
  2. die Zahl der Beisitzer der Einigungsstelle für jede Seite auf drei Personen festzusetzen.

Der Arbeitgeber hat beantragt,

  1. die Anträge zurückzuweisen,
  2. festzustellen, dass die Einigungsstelle für die Errichtung eines Interessenausgleichs/Sozialplans wegen der mit dem Antrag auf Einsetzung der Einigungsstelle vom 10.04.2003 behaupteten Betriebsänderung nicht zuständig ist.

Der Arbeitgeber hat die Auffassung vertreten, die Einigungsstelle sei offens...

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