Entscheidungsstichwort (Thema)
Betriebsänderung. Einsetzung einer Einigungsstelle. Offensichtliche Unzuständigkeit. Betriebsänderung, neue Fertigungsmethode. Installation einer Roboterstraße
Leitsatz (redaktionell)
1. Nach § 98 Abs. 1 S. 1 ArbGG kann ein Antrag auf Bestellung eines Einigungsstellenvorsitzenden und auf Festsetzung der Zahl der Beisitzer wegen fehlender Zuständigkeit der Einigungsstelle nur dann zurückgewiesen werden, wenn die Einigungsstelle offensichtlich unzuständig ist.
2. Offensichtlich unzuständig ist die Einigungsstelle, wenn bei fachkundiger Beurteilung durch das Gericht sofort erkennbar ist, dass ein Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats in der fraglichen Angelegenheit unter keinem rechtlichen Gesichtspunkt in Frage kommt und sich die beizulegende Streitigkeit zwischen Arbeitgeber und Betriebsrat erkennbar nicht unter einen mitbestimmungspflichtigen Tatbestand des Betriebsverfassungsgesetzes subsumieren lässt.
3. In der Installation und anschließenden Inbetriebnahme einer Roboterstraße an Einpackbändern zur vollautomatischen Verpackung kann eine Betriebsänderung i.S.v. § 111 BetrVG liegen. Diese Maßnahmen können eine grundlegende Änderung der Betriebsanlagen bzw. eine Einführung grundlegend neuer Arbeitsmethoden und Fertigungsverfahren i.S.v. § 111 S. 3 Nr. 4 und 5 BetrVG darstellen.
Normenkette
ArbGG § 98 Abs. 1 S. 1; BetrVG §§ 111-112
Verfahrensgang
ArbG Detmold (Beschluss vom 09.05.2003; Aktenzeichen 2 BV 11/03) |
Tenor
Die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Detmold vom 09.05.2003 – 2 BV 11/03 – wird zurückgewiesen.
Tatbestand
A
Die Beteiligten streiten um die Einrichtung einer Einigungsstelle.
Der Arbeitgeber ist ein holzverarbeitender Betrieb der Möbelherstellung mit ca. 500 Arbeitnehmern. Antragsteller ist der im Betrieb des Arbeitgebers gewählte Betriebsrat.
Die vom Arbeitgeber hergestellten Möbel wurden bislang an drei Einpackstraßen eingepackt.
Anfang des Jahres 2000 hatte der Arbeitgeber ein Konzept zur Automatisierung des Einpackvorganges erarbeitet. Mit Schreiben vom 24.01.2000 (Bl. 64 d.A.) machte der Betriebsrat insoweit ein Mitbestimmungsrecht nach § 111 BetrVG geltend.
Im Jahre 2001 konkretisierte sich die Planung des Arbeitgebers, alle Packstraßen vollständig zu automatisieren. Einer Grobplanung des Arbeitgebers vom 07.02.2001 (Bl. 5 d.A.) war zu entnehmen, dass der Arbeitgeber insoweit von einem Personalüberhang von 44 Mitarbeitern ausging. Seit August 2001 wurde zunächst eine Einpackstraße durch eine sogenannte Roboterstraße ersetzt. Das Roboterband wurde im September/Oktober 2001 installiert. Im Februar/März 2002 wurde dieser Roboterstraße eine Kartonfaltmaschine hinzugefügt. Seit wann diese Roboterstraße in Betrieb genommen und erprobt wird, ist zwischen den Beteiligten streitig. Die Beteiligten streiten ferner darüber, ob und in welchem Umfange in Zukunft weitere Roboterstraßen aufgebaut werden.
Mit Schreiben vom 23.09.2002 (Bl. 87 d.A.), vom 12.12.2002 (Bl. 88 d.A.) und vom 16.12.2002 (Bl. 89 d.A.) machte der Betriebsrat erneut wegen der Automatisierung des Einpackbandes seine Mitbestimmungsrechte nach § 111 BetrVG geltend.
Zum 01.01.2003 wurden acht Arbeitnehmer von den Einpackbändern in den Versand versetzt. Im Versand wird nicht – wie an den Einpackbändern – im Prämienlohn gearbeitet.
Mit Schreiben vom 13.02.2003 (Bl. 6 d.A.) verlangte der Betriebsrat vom Arbeitgeber die Bildung einer Einigungsstelle. Dies lehnte der Arbeitgeber mit Schreiben vom 19.02.2003 (Bl. 7 ff.d.A.) ab.
Mit dem am 24.03.2002 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antrag machte der Betriebsrat daraufhin die Einrichtung einer Einigungsstelle geltend.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, bei der Automatisierung des Einpackbandes handele es sich um eine Betriebsänderung im Sinne des § 111 BetrVG. Die Automatisierung der Einpackbänder mache, wie die Grobplanung des Arbeitgebers vom 07.02.2001 ergebe, die Entlassung von 44 Mitarbeitern notwendig. Ein Teil dieser personellen Maßnahmen sei bereits umgesetzt worden. Auch die Versetzung von acht Arbeitnehmern von den Einpackstraßen in den Versand, die zum 01.01.2003 erfolgt seien, sei Teil der Automatisierungsmaßnahme. Diese Maßnahme sei für die betroffenen Arbeitnehmer zudem mit einer erheblichen Lohneinbuße verbunden.
Hinzu komme, dass nunmehr weitere personelle Maßnahmen geplant seien. Am 17.04.2003 sei der Betriebsrat – wie zwischen den Beteiligten unstreitig ist – zu insgesamt weiteren 27 betriebsbedingten Kündigungen und Änderungskündigungen angehört worden. Von den Kündigungen seien fünf Personen an Einpackbändern und zehn Personen im Versand betroffen. Die nunmehr vollzogenen 12 Änderungskündigungen beträfen vielfach Fälle, in denen Arbeitnehmern zuvor von den Einpackbändern in den Versand versetzt worden seien. Aus diesen Gründen könne der Arbeitgeber sich nicht darauf berufen, dass die Installation des Roboterbandes bereits mehr als 1,5 Jahre zurückliege. Der Betriebsrat hat insoweit behauptet, dass die Roboterstraße...