Entscheidungsstichwort (Thema)
Auskunftsanspruch des Betriebsrats. Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Mitarbeiter. Überwachungsaufgabe des Betriebsrats. Erforderlichkeit der begehrten Auskunft. Initiativrecht. Zulässigkeit der Beschwerde. fehlender Beschwerdeantrag
Leitsatz (redaktionell)
1. Das Fehlen eines besonderen Antrags ist dann unschädlich, wenn sich Umfang und Ziel des Rechtsmittels durch Auslegung bestimmen lassen.
2. Der Betriebsrat hat aus § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG einen Anspruch auf Auskunft über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit aller Arbeitnehmer der Arbeitgeberin. Der Betriebsrat benötigt die erbetenen Informationen zur Erfüllung seiner gesetzlichen Aufgaben. Dazu muss der Betriebsrat nur bestimmte Anhaltspunkte vortragen, die eine Aufgabenwahrnehmung durch ihn wahrscheinlich machen.
Normenkette
BetrVG § 80 Abs. 1-2; BetrVG 87 Abs. 1 Nr. 3; ArbGG § 87 Abs. 2, § 89 Abs. 2; ZPO 520 Abs. 3 S. 2 Nr. 1
Verfahrensgang
ArbG Bocholt (Beschluss vom 30.07.2009; Aktenzeichen 1 (4) BV 21/08) |
Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Bocholt vom 30.07.2009 – 1 (4) BV 21/08 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
A
Die Beteiligten streiten im Beschwerdeverfahren noch um die Auskunftsverpflichtung der Arbeitgeberin über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit ihrer Mitarbeiter.
Die Arbeitgeberin ist eine Genossenschaftsbank mit ca. 450 Mitarbeitern, die durch eine Verschmelzung zweier Banken im Juni 2005 entstanden ist. Sie betreut inzwischen in derzeit 23 Filialen/Geschäftsstellen ca. 46.000 Mitglieder und 120.000 Kunden mit einem Kundengeschäftsvolumen von rund. 3,3 Milliarden Euro und einer Bilanzsumme von rund 1,7 Milliarden Euro.
Am 05.12.2007 schlossen die Arbeitgeberin und der in ihrem Betrieb gebildete Betriebsrat im Rahmen eines Einigungsstellenverfahrens eine „Betriebsvereinbarung Arbeitszeit” ab (Bl. 4 f. d. A.). In § 6 Abs. 2 dieser Betriebsvereinbarung war folgendes geregelt:
„Die V1-Bank wird gemäß § 80 Abs. 2 Satz 1 BetrVG dem Betriebsrat zur Erfüllung seiner Aufgaben gem. § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG auf einer dem Betriebsrat zugänglichen Intranetplattform bis zum 20. eines jeden Kalendermonats folgende Arbeitszeitdaten der Arbeitnehmer für den vorangegangenen Monat zur Verfügung stellen:
a. Überschreitung der Grenze des § 3 Satz 1 ArbZG
b. Nichteinhaltung der Ruhezeitregelung des § 5 ArbZG
c. Nicht ausgeglichene Mehrarbeit im Sinne des § 4 Abs. 2 Manteltarifvertrag.”
In der Vergangenheit kam die Arbeitgeberin, ihrer Auskunftsverpflichtung nach § 6 Abs. 2 der Betriebsvereinbarung vom 05.12.2007 gegenüber dem Betriebsrat, dem eine Intranetplattform zur Verfügung steht, jedoch nicht nach. Auf Drängen des Betriebsrats legte die Arbeitgeberin dem Betriebsrat zeitweise lediglich manuelle Listen vor, die mit einer hohen Fehlerquote versehen waren. Der Betriebsrat forderte die Arbeitgeberin mehrfach auf, seiner Auskunftsverpflichtung gemäß § 6 Abs. 2 der Betriebsvereinbarung zu genügen. Die Arbeitgeberin verwies ihrerseits auf zurzeit noch bestehende Systemprobleme seitens des Zeiterfassungssystems ATOSS.
Der Betriebsrat leitete daraufhin am 30.12.2008 das vorliegende Beschlussverfahren beim Arbeitsgericht ein und verlangte mit der am 12.02.2009 beim Arbeitsgericht eingegangenen Antragserweiterung von der Arbeitgeberin zusätzlich die Auskunft, ihm Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit aller Arbeitnehmer für den Zeitraum ab 01.10.2008 mitzuteilen, um überprüfen zu können, inwieweit Mehrarbeit im Sinne des § 4 Abs. 2 des Manteltarifvertrages ausgeglichen worden sei.
Inzwischen wurde die Betriebsvereinbarung Arbeitszeit vom 05.12.2007 durch die Arbeitgeberin zum 31.03.2009 gekündigt. Dem Betriebsrat wurde mitgeteilt, dass die Arbeitgeberin beabsichtige, das System ATOSS abzuschaffen und ein anderes System eines anderen Anbieters zu nutzen.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, er habe Anspruch auf Mitteilung der geforderten Arbeitszeitdaten. Dies ergebe sich bereits aus § 6 Abs. 2 der Betriebsvereinbarung vom 05.12.2007. Er wolle und müsse überprüfen, ob die Arbeitszeiten im Betrieb der Arbeitgeberin eingehalten würden und inwieweit Mehrarbeit im Sinne des § 4 Abs. 2 Manteltarifvertrag ausgeglichen werde.
Die Arbeitgeberin könne sich auch nicht darauf berufen, dass die Mitteilung der geforderten Informationen gemäß § 6 Abs. 2 der Betriebsvereinbarung auf technischem Wege unmöglich sei. Offenbar habe die Arbeitgeberin kein Interesse an der Ausschöpfung der gegebenen technischen Möglichkeiten und an der Erfassung der streitigen Arbeitszeitdaten.
Der Betriebsrat hat beantragt,
die Arbeitgeberin zu verpflichten, dem Betriebsrat auf der dem Betriebsrat zugänglichen Intranetplattform bis zum 20. eines jeden Kalendermonats folgende Arbeitszeitdaten für den vorangegangenen Monat zur Verfügung zu stellen:
- Überschreitung der Grenzen des § 3 Satz 1 ArbZG
- Nichteinhaltung der Ruhezeitregelung des § 5 ArbZG
- Nicht ausgeglichene Mehrarbe...