Betriebsrat darf Auskunft über Arbeitszeiten verlangen

In einem Rechtsstreit eines Betriebsrats mit dem Arbeitgeber um Auskünfte zu den Arbeitszeiten der Außendienstmitarbeitenden hatte der Betriebsrat mit seinem Anliegen Erfolg. Das LAG München entschied, dass sich Vertrauensarbeitszeit und Kontrollrecht des Betriebsrats nicht widersprechen.

Die Vertrauensarbeitszeit ist vorbei, so liest man es häufig seit dem aktuellen Grundsatzurteil, in dem das Bundesarbeitsgericht im Hinblick auf das EuGH-Urteil von 2019 entschied, dass Arbeitszeiten aus Gründen des Arbeitsschutzes erfasst werden müssen. Beim Konzept der Vertrauensarbeitszeit teilen sich Beschäftigte die Zeit eigenverantwortlich ein und entscheiden selbst, wann und wie lange sie arbeiten. Der Arbeitgeber verzichtet im Gegenzug darauf, die Arbeitszeit zu kontrollieren. Das bedeutete aber schon vor beiden Urteilen: Beschäftigte können flexibel arbeiten, nicht aber außerhalb der Vorgaben des Arbeitszeitgesetzes. Auch Arbeitnehmende mit Vertrauensarbeitszeit müssen Vorgaben zu Ruhezeiten und Wochenhöchstarbeitszeiten einhalten. Dies zu kontrollieren ist Sache des Betriebsrats, der hierfür vom Arbeitgeber Auskünfte zu Arbeitszeiten verlangen kann, entschied das LAG München. Arbeitgeber könnten sich dieser Kontrolle nicht entziehen, indem sie darauf verzichten, die tatsächliche Arbeitszeit zu erfassen.

Betriebsrat fordert Arbeitszeitaufzeichnung von Vertrieblern

Im konkreten Fall forderte der Betriebsrat vom Arbeitgeber, der ein Mobilfunk- und Telefonfestnetz betreibt, Aufzeichnungen über die Arbeitszeiten der Mitarbeitenden im Vertriebsaußendienst. Im Unternehmen ist die Arbeitszeit aller Außendienstmitarbeiter in einer Gesamtbetriebsvereinbarung geregelt. Diese sieht Vertrauensarbeitszeit vor. Danach dürfen "die Beschäftigten innerhalb des Arbeitszeitrahmens selbst bestimmen, wann sie die Arbeit aufnehmen und beenden." Sie sind aber zur Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes verpflichtet und müssen Arbeitstage aufschreiben, an denen sie mehr als acht Stunden - ohne Pausen - gearbeitet haben."

Der Betriebsrat war überzeugt, einen Anspruch aufgrund seines Kontrollrechts nach § 80 Abs. 1 Nr. 1 BetrVG zu haben. Demnach müsse der Arbeitgeber ihn konkret über Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, Über- bzw. Unterschreitungen der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit sowie über jede an Sonn - und Feiertagen geleistete Arbeitsstunde in Kenntnis setzen. Nur so könne er insbesondere die Einhaltung der nach § 5 Abs. 1 i. V. m. § 7 Abs. 1 Nr. 3 Arbeitszeitgesetz vorgeschriebenen Ruhezeiten überwachen.

Vertrauensarbeitszeit versus Arbeitszeiterfassung? 

Der Arbeitgeber erteilte dem Betriebsrat keine Auskünfte. Er verweigerte dies mit dem Hinweis darauf, dass für die Mitarbeitenden des Vertriebsaußendienstes keine Arbeitszeitdaten erfasst würden. Grund sei die für diese Mitarbeitenden geltende Vertrauensarbeitszeit. Dem Betriebsrat warf er vor, dass es ihm inhaltlich nicht um eine Auskunft gehe, sondern faktisch darum, eine betriebliche Regelung zur Arbeitszeiterfassung der Vertriebsaußendienstmitarbeitenden zu erzwingen.

Betriebsrat darf Auskunft über Arbeitszeit verlangen

Das LAG München teilte die Auffassung des Arbeitgebers nicht und gab dem Betriebsrat mit seinem Anliegen recht. Das Gremium sei berechtigt, Auskunft über die Arbeitszeiten der Vertriebsaußendienstmitarbeitenden zu verlangen. Der Arbeitgeber hingegen sei verpflichtet, dem Gremium Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit, Über- und Unterstunden gegenüber der wöchentlichen Arbeitszeit sowie Sonn- und Feiertagsstunden mitzuteilen.

Zur Begründung führte das Gericht aus, dass der Arbeitgeber den Betriebsrat nach § 80 Abs. 2 S. 1 BetrVG rechtzeitig und umfassend zur Durchführung dessen gesetzlicher Aufgaben unterrichten müsse. Es gehöre zur Aufgabe des Betriebsrats die Einhaltung des Arbeitszeitgesetzes zu überwachen.

Ohne Arbeitszeitaufzeichnungen keine Kontrolle möglich

Dafür seien die geforderten Informationen nötig, stellten die Richter fest: Nur mit dem Wissen um Beginn und Ende der täglichen Arbeitszeit der Mitarbeitenden sei es dem Betriebsrat möglich zu kontrollieren, ob die vorgegeben Ruhezeiten eingehalten würden. Die Abweichungen von der regelmäßigen wöchentlichen Arbeitszeit müsse der Arbeitgeber mitteilen, um dem Betriebsrat zu ermöglichen, die Einhaltung der von ihm genannten Wochenarbeitszeit von 38,5 Stunden zu überwachen. Demselben Zweck diene auch die Auskunft über Sonn- und Feiertagsarbeit.

Der Arbeitgeber könne die Herausgabe der Informationen nicht mit dem Hinweis verweigern, dass er die Arbeitszeiten nicht erfasse, stellte das LAG München unter Verweis auf das BAG fest. Die Zurückhaltung der Erhebung im Zusammenhang mit der Vertrauensarbeitszeit sei ein Zugeständnis des Arbeitgebers gegenüber seinen Beschäftigten. Dies könne aber nicht das betriebsverfassungsrechtliche Verhältnis zum Betriebsrat beeinflussen. Dies gelte umso mehr, weil die Informationen jedenfalls bei den Arbeitnehmenden vorhanden und vom Arbeitgeber leicht beschafft werden könnten.

Die Rechtsbeschwerde wurde nicht zugelassen.

Hinweis: Landesarbeitsgericht München, Beschluss vom 11. Juli 2022, Az.: 4 TaBV 9/22; Vorinstanz: ArbG München, Beschluss vom 18.10.2021, Az: 29 BV 61/21


Das könnte Sie auch interessieren:

Vertrauensarbeitszeit weiterhin möglich

Das BAG-Urteil zur Zeiterfassung – die größten Missverständnisse

Arbeitszeiterfassung: EuGH schafft neue Pflicht für Unternehmen


Schlagworte zum Thema:  Urteil, Arbeitszeit, Betriebsrat