Entscheidungsstichwort (Thema)
Unterlassungsanspruch des Betriebsrats. Mitbestimmung bei der Anordnung von Mehrarbeit. Einverständnis des Mitarbeiters zur Mehrarbeit. kollektiver Tatbestand. Wiederholungsgefahr
Leitsatz (redaktionell)
1. Dem Betriebsrat steht grundsätzlich ein Anspruch auf Unterlassung von mitbestimmungswidrigen Maßnahmen zu, wenn der Arbeitgeber Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus § 87 BetrVG verletzt ohne dass eine grobe Pflichtverletzung des Arbeitgebers i.S.v. § 23 Abs. 3 BetrVG vorliegt.
2. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 BetrVG erstreckt sich nur auf die Entscheidung kollektiver Regelungsfragen. Dagegen unterliegt die individuelle Arbeitsvertragsgestaltung, die mit Rücksicht auf die besonderen Umstände des einzelnen Arbeitsverhältnisses getroffen wird, die keine Auswirkungen auf andere Arbeitsplätze hat und bei der kein innerer Zusammenhang zur Entlohnung oder Arbeitsvertragsgestaltung anderer Arbeitnehmer besteht, nicht der Mitbestimmung.
Normenkette
BetrVG § 23 Abs. 3, § 87 Abs. 1 Nr. 3; ZPO § 890
Verfahrensgang
ArbG Detmold (Beschluss vom 26.06.2008; Aktenzeichen 3 BV 8/08) |
Tenor
Die Beschwerde des Arbeitgebers gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Detmold vom 26.06.2008 – 3 BV 8/08 – wird zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Tatbestand
A
Im vorliegenden Verfahren begehrt der Betriebsrat die Unterlassung der Anordnung von Mehrarbeit durch den Arbeitgeber ohne vorherige Mitbestimmung des Betriebsrats.
Der Arbeitgeber betreibt ein Berufsausbildungszentrum. In seinem Betrieb ist ein fünfköpfiger Betriebsrat, der Antragsteller des vorliegenden Verfahrens, gebildet.
Die Beteiligten streiten seit längerem über Arbeitszeitregelungen im Betrieb. Im Betrieb des Arbeitgebers war eine Einigungsstelle gebildet, die sich mit Regelungen zur Arbeitszeit befasste. Auf das Protokoll der Sitzung der Einigungsstelle vom 31.03.2008 (Bl. 17 ff.d.A.) wird Bezug genommen. Bezug genommen wird ebenfalls auf den Spruch der Einigungsstelle vom 31.03.2008 „Betriebsvereinbarung zur Einführung der flexiblen Arbeitszeitgestaltung und Zeiterfassung im S9.O3.S9.-B1 D1” (Bl. 20 ff.d.A.).
Ob der Spruch der Einigungsstelle vom 31.03.2008 ordnungsgemäß oder unter Verletzung wesentlicher Verfahrensvorschriften gefällt worden ist, ist unter den Beteiligten streitig. Durch Beschluss vom 21.08.2008 hat das Arbeitsgericht Detmold – 3 BV 25/08 – den Beschluss der Einigungsstelle vom 31.03.2008 aufgehoben (Bl. 123 ff.d.A.). Über die hiergegen von der Arbeitgeberin eingelegte Beschwerde zum Landesarbeitsgericht – 10 TaBV 161/08 – ist noch nicht entschieden.
Bereits am 06.03.2008 – während des laufenden Einigungsstellenverfahrens – erhielt der Betriebsrat von dem Arbeitgeber ein Formular „Nachweis für Mehrarbeit” (Bl. 5 d.A.), mit dem der Betriebsrat nachträglich um Zustimmung von 1,5 Überstunden gebeten wurde, die für den 29.02.2008 für den Mitarbeiter M3 O1 durch den Bereichsleiter O2 angeordnet worden waren. Diese Überstunden für den 29.02.2008 waren durch den Einrichtungsleiter Herrn M4 durch seine Unterschrift genehmigt worden.
Mit dem am 11.03.2008 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren machte der Betriebsrat daraufhin den vorliegenden Unterlassungsanspruch geltend.
Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die unstreitige Anordnung von Überstunden für den Mitarbeiter O1 am 29.02.2008 verletze seine Mitbestimmungsrechte, dies könne er nicht länger hinnehmen. Die Überstunden seien wiederum ohne vorherige Zustimmung des Betriebsrats oder der Ersetzung der Zustimmung angeordnet worden. Selbst der Einrichtungsleiter Herr M4 habe die Überstunden ohne vorherige Einschaltung des Betriebsrats genehmigt. Insgesamt handele es sich auch um eine kollektive Regelungsfrage.
Der Arbeitgeber könne auch nicht die erforderliche Wiederholungsgefahr im Hinblick auf die inzwischen abgeschlossene Betriebsvereinbarung vom 31.03.2008 in Abrede stellen. Der Spruch der Einigungsstelle vom 31.03.2008 sei angefochten. Darüber hinaus sei die in § 5 Ziff. 3 Satz 2 des Spruches der Einigungsstelle vom 31.03.2008 ohnehin wegen Verzicht des Betriebsrats auf sein Mitbestimmungsrecht unwirksam.
Für die Anordnung der Überstunden vom 29.02.2008 habe auch kein Notfall vorgelegen. Die Gleitzeit des Mitarbeiters O1 habe um 16.00 Uhr geendet, das Arbeitszeitkonto des Mitarbeiters habe ein Guthaben von 5,8 Stunden aufgewiesen.
Der Betriebsrat hat beantragt,
dem Arbeitgeber zu untersagen, gegenüber Arbeitnehmern des Berufsausbildungszentrums A2 G1 22, 32 D1, Mehrarbeit anzuordnen, solange der Betriebsrat nicht zugestimmt hat oder ein die Zustimmung ersetzender Beschluss der Einigungsstelle nicht vorliegt, es sei denn, es hat einen Notfall oder eine Arbeitskampfmaßnahme gegeben,
hilfsweise
dem Arbeitgeber zu untersagen, gegenüber Arbeitnehmern des Berufsausbildungszentrums A2 G1 22, 32 D1, Mehrarbeit anzuordnen, solange der Betriebsrat nicht zugestimmt hat oder ein die Zustimmung ersetzender Beschluss der Ei...