Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschlussverfahren. Unterlassungsanspruch des Betriebsrats. Anordnung/Duldung von Mehrarbeit. Ausschluss des Mitbestimmungsrechts durch Zeitausgleich für Mehrarbeit durch freiwillige Leistung. Eil-/Notfälle. Wiederholungsgefahr

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Grundsätzlich steht dem Betriebsrat ein Anspruch auf Unterlassung von mitbestimmungswidrigen Maßnahmen zu, wenn der Arbeitgeber Mitbestimmungsrechte des Betriebsrats aus § 87 BetrVG verletzt.

2. Das Mitbestimmungsrecht des Betriebsrats nach § 87 Abs. 1 Nr. 3 BetrVG besteht auch in sog. Eilfällen.

3. Für eine Wiederholungsgefahr besteht dann eine tatsächliche Vermutung, wenn in der Vergangenheit ständig Mitbestimmungsrechte verletzt worden sind.

 

Normenkette

BetrVG § 23 Abs. 3, § 87 Abs. 1 Nr. 3; ZPO § 890

 

Verfahrensgang

ArbG Paderborn (Beschluss vom 26.10.2006; Aktenzeichen 1 BV 13/06)

 

Tenor

Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Paderborn vom 26.10.2006 – 1 BV 13/06 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A

Im vorliegenden Verfahren begehrt der Betriebsrat die Unterlassung der Anordnung oder Duldung von Mehrarbeit durch die Arbeitgeberin ohne vorherige Mitbestimmung.

Die Arbeitgeberin betreibt einen Betrieb der Möbelindustrie mit ca. 100 Mitarbeitern.

Antragsteller des vorliegenden Verfahrens ist der im Betrieb der Arbeitgeberin gewählte Betriebsrat.

Am 25.05.2005 schlossen die Arbeitgeberin und der Betriebsrat eine Rahmenbetriebsvereinbarung über betriebliche Arbeitszeitgestaltung (AZK), die am 01.06.2005 in Kraft trat und eine Laufzeit bis zum 31.03.2006 hatte (Bl. 94 ff.d.A.). Die Laufzeit der Rahmenbetriebsvereinbarung vom 25.05.2006 wurde einvernehmlich verlängert bis zum 30.11.2006.

Gemäß Ziffer 2.1. der Rahmenbetriebsvereinbarung betrug die Dauer der regelmäßigen Arbeitszeit im Jahresdurchschnitt 35 Stunden gemäß Ziffer 19 a MTN (Sollstunden). Die jeweilige Wochenarbeitszeit konnte nach Ziffer 3.1. der Rahmenbetriebsvereinbarung je nach Auftragslage und/oder Belastung der einzelnen Abteilungen/Kostenstellen aus Serieninhalten auf bis zu 0 Stunden abgesenkt, oder bis zu 40 Stunden pro Woche erhöht werden.

Die Arbeitszeit richtete sich gemäß Ziffer 3.2. der Rahmenbetriebsvereinbarung nach dem Arbeitszeitkalender.

Den Mitarbeitern wurde die jeweilige Arbeitszeit im voraus angezeigt. Die verbindliche Festsetzung der Arbeitszeit sollte den Mitarbeitern der betroffenen Abteilungen 11 Kalendertage (jeweils freitags, spätestens 12.00 Uhr) vor Beginn durch Aushang bekannt gegeben werden (Ziffer. 4.1. und 4.2. der Rahmenbetriebsvereinbarung). Auf die Aushänge aus Dezember 2005, Januar und Februar 2006 (Bl. 16 ff.d.A.) wird Bezug genommen.

In Ziffer 9.2. der Rahmenbetriebsvereinbarung war geregelt, dass Arbeitszeit über die per Aushang festgelegte Wochenarbeitszeit Mehrarbeit ist und zu Gunsten des persönlichen Arbeitskontos geht.

Aufgrund der Durchsicht der Zeiterfassungskarten für bestimmte Mitarbeiter stellte der Betriebsrat im März 2006 fest, dass die Mitarbeiter P4xxxx, R2xxxx, H5xxxxxxxxx, T1xxxxx, H6xxxxxx und D2xxxx in den Monaten Januar 2006 und Februar 2006 die maximale Arbeitszeit von acht Stunden pro Tag erheblich überschritten und Mehrarbeit im Sinne der Rahmenbetriebsvereinbarung geleistet hatten, ohne dass zuvor die Zustimmung des Betriebsrats eingeholt worden war. Auf die Zeiterfassungskarten der genannten Mitarbeiter (Bl. 9 ff. d.A.) und die Aufstellung über Mehrarbeit in der Antragsschrift (Bl. 2 ff.d.A.) wird Bezug genommen.

Mit dem am 23.03.2006 beim Arbeitsgericht eingeleiteten Beschlussverfahren machte der Betriebsrat daraufhin den vorliegenden Unterlassungsanspruch geltend.

Der Betriebsrat hat die Auffassung vertreten, die unstreitige Anordnung oder Duldung von Mehrarbeit verletze seine Mitbestimmungsrechte, dies könne er nicht länger hinnehmen. Die Arbeitgeberin habe nach ihren eigenen Vortrag Mehrarbeit leisten lassen, ohne ihn, den Betriebsrat, auch nur zu unterrichten und um seine Zustimmung zu ersuchen. Die Arbeitgeberin könne sich auch nicht darauf berufen, die Mitarbeiter hätten die vorher oder nachher geleistete Mehrarbeit ausgeglichen. Notfälle im Sinne der Rechtsprechung des Bundesarbeitsgerichts hätten nicht vorgelegen.

Der Betriebsrat habe auch zu keinem Zeitpunkt auf seine Mitbestimmungsrechte verzichtet oder die angeordnete oder geduldete Mehrarbeit auch nur zustimmend geduldet. Bereits mit Schreiben vom 15.01.2004 (Bl. 42 d.A.) und vom 17.08.2001 (Bl. 43 d.A.) habe der Betriebsrat die Verletzung seiner Mitbestimmungspflichten im Hinblick auf geleistete Mehrarbeit schriftlich bemängelt.

Der Betriebsrat hat beantragt,

  1. der Arbeitgeberin aufzugeben, es zu unterlassen, Überstunden der in der P1-M1xxxxxxx S1xxxxxxx GmbH beschäftigten Mitarbeiter anzuordnen, zu vereinbaren oder zu dulden, sofern nicht die Zustimmung des Betriebsrats dazu erteilt ist oder die fehlende Zustimmung des Betriebsrats durch den Spruch der Einigungsstelle ersetzt ist oder N...

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