Entscheidungsstichwort (Thema)

Anrechnung doppelter Haushaltsführung bei der Prozesskostenhilfe

 

Leitsatz (amtlich)

1. Eine aus beruflichen Gründen erforderliche doppelte Haushaltsführung ist als besondere Belastung gem. § 115 Abs. 1 S. 2 Ziff. 5 ZPO zu berücksichtigen.

2. § 3 Abs. 7 Ziff. 22 DVO zu § 82 SGB XII ist nicht heranzuziehen. Vielmehr berechnen sich die zu berücksichtigenden Beträge entsprechend § 9 Abs. 5 Satz 5, 6 EStG, soweit diese tatsächlich entstehen und nachgewiesen werden im angemessenen Umfang.

 

Normenkette

ZPO § 115 Abs. 1 S. 2 Nr. 5; SGB XII DVO zu § 82; EStG § 3 Abs. 7 Nr. 22, § 9 Abs. 5 Sätze 5-6; ZPO § 115 Abs. 1 S. 3 Nr. 5; SGB XII § 82 DVO § 3 Abs. 7; EStG § 9 Abs. 1 S. 3 Nrn. 5-6

 

Verfahrensgang

ArbG Hamm (Entscheidung vom 19.09.2017; Aktenzeichen 3 Ca 822/16)

 

Tenor

Auf die sofortige Beschwerde des Klägers vom 16.10.2017 gegen den Prozesskostenhilfe-Änderungsbeschluss des Arbeitsgerichts Hamm vom 19.09.2017 - 3 Ca 822/16 - wird der Beschluss aufgehoben.

Es verbleibt bei dem Beschluss vom 16.06.2016, mit dem dem Kläger Prozesskostenhilfe ohne Anordnung von Ratenzahlung bewilligt wurde.

 

Gründe

I. Der Kläger wendet sich gegen die Änderung der Prozesskostenhilfebewilligung wegen geänderter wirtschaftlicher Verhältnisse.

Mit Beschluss vom 16.06.2016 wurde dem Kläger Prozesskostenhilfe unter Beiordnung des Prozessbevollmächtigten ohne Anordnung einer Ratenzahlung bewilligt.

Auf Aufforderung des Arbeitsgerichtes legte der Kläger am 02.08.2017 eine aktuelle Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse vor. Nach Vorlage entsprechender Unterlagen errechnete das Arbeitsgericht eine nunmehr zu erbringende Ratenzahlung von 696,00 € (Berechnung Bl. 75 PKH-Akte). Unter dem 19.09.2017 erging ein dahingehender Abänderungsbeschluss.

Gegen diesen am 21.09.2017 zugestellten Beschluss wendet sich der Kläger mit seiner am 16.10.2017 eingegangenen sofortigen Beschwerde. Hier machte er geltend, dass ihm weiterhin ratenfreie Prozesskostenhilfe zu bewilligen sei.

Das Arbeitsgericht hat zuletzt aufgrund nachgereichter Unterlagen noch einen Ratenbetrag von 107,00 € errechnet (Berechnung Bl. 118 PKH-Akte). Der Kläger arbeitet in Deutschland und unterhält hier einen Wohnsitz. Er ist polnischer Staatsbürger. Seine Ehefrau lebt weiterhin in Polen und dort in einer Wohnung, für die der Kläger teilweise Kosten trägt. Diese hat das Arbeitsgericht auch als besondere Belastungen berücksichtigt.

Der Kläger hat aber zusätzlich Kosten für doppelte Haushaltsführung in Höhe von 386,75 € geltend gemacht für eine an jedem zweiten Wochenende durchgeführte Familienheimfahrt. Die einfache Strecke beträgt 595 km; er berechnet 595 x 0,30 €/km x 26 : 12 = 386,75 €. Diese Kosten hat das Arbeitsgericht nicht anerkannt.

II. Die gemäß § 11 Abs. 1 RPflG i. V. m. §§ 11a Abs. 1, 78 ArbGG und §§ 127 Abs. 2 S. 2, 567 ff ZPO an sich statthafte, form- und fristgerecht eingelegte sofortige Beschwerde ist zulässig und in der Sache begründet.

1. Nach § 11a Abs. 1 ArbGG i. V. m. § 120 a Abs. 1 S. 1 ZPO soll das Gericht die Entscheidung über die zu leistenden Zahlungen ändern, wenn sich die für die Prozesskostenhilfe maßgeblichen persönlichen oder wirtschaftlichen Verhältnisse maßgeblich verändert haben. Auf Verlangen des Gerichtes muss sich die Partei jederzeit erklären, ob eine Veränderung der Verhältnisse eingetreten ist (§ 120 a Abs. 1 S. 3 ZPO).

a) Dies war vorliegend anhand der zuletzt vorliegenden Unterlagen des Klägers aufgrund der zu seinen Gunsten im Rahmen des § 115 Abs. 1 S. 3 Ziff. 5 ZPO zu berücksichtigenden besonderen Belastungen der Fall.

aa) Zu den besonderen Belastungen, die gemäß § 115 Abs. 1 S. 3 Ziff. 5 ZPO zu berücksichtigen sind, gehören auch solche, die auf einer doppelten Haushaltsführung beruhen (so schon LAG Hamm, Beschluss vom 09. Februar 1989,7 Ta 440/87, juris, OLG Dresden, Beschluss vom 25. Oktober 2010, 24 WF 914/10, juris; dem Grunde nach ebenso LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 26. August 2008, 2 Ta 142/08, juris).

Uneinheitlich beantwortet wird von der Rechtsprechung die Frage, ob die Aufwendungen für eine doppelte Haushaltsführung entsprechend der Durchführungsverordnung gemäß § 82 Abs. 2 SGB XII vorzunehmen sind (so aber LAG Schleswig-Holstein, Beschluss vom 26. August 2008, a.a.O. dort mit Nachweisen zu den widerstreitenden Auffassungen), gemäß § 9 Abs. 1 Ziff. 5 EStG, welche gemäß § 33 Abs. 1 EStG vom Einkommen abzuziehen sind (so die Lösung des LAG Hamm, Beschluss vom 09. Februar 1989, 7 Ta 440/87, juris) oder entsprechend der Richtwerte des JVEG (so OLG Dresden, Beschluss vom 25. Oktober 2010, 24 WF 914/10, juris).

bb) Die Kammer vertritt die Auffassung, dass der Partei die tatsächlich erwachsenden Kosten im angemessenen Umfang entsprechend § 9 Abs. 1 Ziff. 5 EStG zu ersetzen sind, soweit deren Entstehen belegt ist.

Zwar hat der Bundesgerichtshof bei der Frage der Anwendbarkeit der Durchführungsverordnung zu § 82 SGB XII auf geltend gemachte beruflich bedingte Fahrtkosten zu Recht ausgeführt, dass di...

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