Entscheidungsstichwort (Thema)
Entscheidung über Prozesskostenhilfeantrag. Auslegung und konkludente Antragstellung. Anhängige Streitgegenstände und Mehrvergleich
Leitsatz (amtlich)
Ist über einen Prozesskostenhilfeantrag noch nicht entschieden, erfasst die Antragstellung alle bis zum Zeitpunkt der Entscheidung anhängigen Streitgegenstände sowie einen bereits geschlossenen Mehrvergleich. Eines erneuten ausdrücklichen Bewilligungsantrags bedarf es nicht.
Normenkette
ZPO §§ 117, 114, 278 Abs. 6
Verfahrensgang
ArbG Bielefeld (Entscheidung vom 29.05.2013; Aktenzeichen 7 Ca 1269/13) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Bielefeld vom 29. Mai 2013 (7 Ca 1269/13) abgeändert und zur Klarstellung wie folgt neu gefasst:
Der Klägerin wird für den ersten Rechtszug Prozesskostenhilfe für den Klageantrag zu 1. aus der Klageschrift vom 6. Mai 2013 sowie für den Vergleich vom 29. Mai 2013, auch soweit er einen über die Klageanträge zu 1. und 2. hinausgehenden Mehrvergleich beinhaltet, mit Wirkung vom 8. Mai 2013 bewilligt.
Zur Wahrnehmung ihrer Rechte in diesem Rechtszug wird ihr Rechtsanwalt B1 aus V1 im Umfang der Bewilligung beigeordnet.
Die Bewilligung erfolgt mit der Maßgabe, dass die Klägerin keinen eigenen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten hat.
Im Übrigen wird der Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurückgewiesen.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin erhob mit dem am 8. Mai 2013 eingegangenen Schriftsatz vom 6. Mai 2013 gegen die Beklagte eine Kündigungsschutzklage (Antrag zu 1.) sowie eine Klage auf Weiterbeschäftigung bis zur Beendigung des Kündigungsschutzrechtsstreits (Antrag zu 2.). Zugleich beantragte sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihres Prozessbevollmächtigten. Dem Antrag war eine vollständige Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen beigefügt. Die unter dem 13. Mai 2013 vorgenommene Prüfung ergab, dass die Klägerin nicht in der Lage ist, einen Beitrag zu den Kosten der Prozessführung zu leisten.
Mit dem am selben Tag eingegangenen Schriftsatz der Beklagten vom 28. Mai 2013 teilte diese mit, dass sich die Parteien geeinigt hätten, und bat um die Feststellung des in diesem Schriftsatz mitgeteilten Vergleichs. Mit dem am 29. Mai 2013 eingegangenen Schriftsatz vom Vortage bestätigte die Klägerin die Einigung, bat ebenfalls um Protokollierung gemäß § 278 Abs. 6 ZPO sowie um Entscheidung über das Prozesskostenhilfegesuch und die Festsetzung des Streitwerts.
Das Arbeitsgericht stellte durch Beschluss vom 29. Mai 2013 einen gerichtlichen Vergleich gemäß § 278 Abs. 6 ZPO fest. Danach endete das Arbeitsverhältnis zum 31. Mai 2013. Die Beklagte verpflichtete sich zur Zahlung einer Abfindung. Die Parteien waren sich einig, dass Urlaub in Natura gewährt worden war und die Klägerin bis zum Ende des Arbeitsverhältnisses unwiderruflich von der Arbeitsleistung freigestellt wird. Darüber hinaus vereinbarten die Parteien, dass die Klägerin ein Zeugnis mit der Note "gut" erhält. Damit sollten alle Ansprüche erledigt sein.
Durch Beschluss vom selben Tage bewilligte das Arbeitsgericht der Klägerin Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung für die Kündigungsschutzklage und ordnete ihr hierfür ihren Prozessbevollmächtigten bei. Im Übrigen wies es den Antrag auf Bewilligung von Prozesskostenhilfe zurück. Der Beschluss wurde der Klägerin am 3. Juni 2013 zugestellt. Mit der am Folgetag eingegangenen sofortigen Beschwerde wendet sich die Klägerin gegen diese Entscheidung, soweit ihr für den Abschluss des Vergleichs keine Prozesskostenhilfe bewilligt wurde, die Versagung der Prozesskostenhilfe für den Weiterbeschäftigungsantrag hat die Klägerin ausdrücklich hingenommen. Das Arbeitsgericht half der Beschwerde nicht ab, weil für den Mehrvergleich kein entsprechender Antrag gestellt worden sei.
II.
Die gemäß § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3 in der bis zum 31. Dezember 2013 gültigen Fassung (im Folgenden "a. F."), §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin vom 3. Juni 2013 ist im vollen von ihr geltend gemachten Umfang begründet. Der Klägerin war Prozesskostenhilfe auch für den Vergleich zu bewilligen, soweit er einen über die Klageanträge zu 1. und 2. hinausgehenden Mehrvergleich beinhaltet. Entgegen der Auffassung des Arbeitsgerichts lag ein Antrag hierfür vor.
1. Prozesskostenhilfe kann nur auf Antrag bewilligt werden, eine Gewährung von Amts wegen scheidet ebenso aus wie eine rückwirkende Bewilligung aus Billigkeitsgründen auf einen früheren Zeitpunkt für einen erst nach Beendigung der Instanz gestellten Antrag (vgl. Büttner/Wrobel-Sachs/Gottschalk/Dürbeck, Prozess- und Verfahrenskostenhilfe, Beratungshilfe, 7. Auflage, 2014, Rn. 77, 80; Zöller/Geimer, ZPO, 30. Auflage, 2014, § 114 ZPO Rn. 13). Einen solchen Antrag hat die Klägerin in ihrer Klageschrift ausdrücklich gestellt und in ihrem Schriftsatz vom 29. Mai 2013 wiederholt. Diese...