Entscheidungsstichwort (Thema)
Entscheidung über Prozesskostenhilfeantrag. Auslegung und konkludente Antragstellung. Anhängige Streitgegenstände und Mehrvergleich. Bewilligung von Prozesskostenhilfe in vollem Umfang
Leitsatz (amtlich)
1. Ist über einen Prozesskostenhilfeantrag noch nicht entschieden, erfasst die Antragstellung alle bis zum Zeitpunkt der Entscheidung anhängigen Streitgegenstände sowie einen bereits geschlossenen Mehrvergleich. Eines erneuten ausdrücklichen Bewilligungsantrags bedarf es nicht.
2. Dies gilt für einen erst beabsichtigten Mehrvergleich auch dann, wenn das Arbeitsgericht Prozesskostenhilfe "in vollem Umfang" bewilligt, nachdem der Gegner der bedürftigen Partei den im Wege des § 278 Abs. 6 ZPO beabsichtigten Abschluss eines Vergleichs, der streitwerterhöhende Regelungen enthält, angezeigt hat.
Normenkette
ZPO §§ 117, 114, 278 Abs. 6
Verfahrensgang
ArbG Dortmund (Entscheidung vom 01.10.2013; Aktenzeichen 1 Ca 731/13) |
Tenor
Auf die sofortige Beschwerde der Klägerin wird der Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 1. Oktober 2013 (1 Ca 731/13) als gegenstandslos aufgehoben.
Es verbleibt bei der durch den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 18. März 2013 auch für den Mehrvergleich vom 27. März 2013 bewilligten Prozesskostenhilfe und Beiordnung ohne Zahlungsanordnung.
Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.
Gründe
I.
Die Klägerin erhob am 21. Februar 2013 Klage auf Zahlung von Arbeitsentgelt unter dem Gesichtspunkt des Annahmeverzuges. Zugleich beantragte sie die Bewilligung von Prozesskostenhilfe und Beiordnung ihrer Rechtsanwältin. Beigefügt war eine Erklärung über die persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnisse nebst Belegen. Nach einer ergänzenden Stellungnahme vom 13. März 2013 wurde laut Berechnung des zuständigen Rechtspflegers des Arbeitsgerichts am 14. März 2013 die für eine Bewilligung von Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsanordnung notwendige wirtschaftliche Bedürftigkeit der Klägerin festgestellt.
Mit dem am 15. März 2013 eingegangenen Schriftsatz der Beklagten vom selben Tage wurde das Gericht gebeten, den Parteien gemäß § 278 Abs. 6 ZPO einen in diesem Schriftsatz formulierten Vergleichsvorschlag zu unterbreiten. Dieser beinhaltete eine Einigung der Parteien über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses mit dem Ablauf des 31. Januar 2013, die Zahlung der vollständigen Vergütung einschließlich der Gewährung des ihr zustehenden Urlaubsanspruches an die Klägerin, die Zahlung einer Abfindung, die Erteilung eines qualifizierten Zeugnisses sowie eine Ausgleichsklausel. Der Vergleich wurde mit gerichtlichem Schreiben vom 18. März 2013 vorgeschlagen und nach Zustimmung der Parteien durch Beschluss vom 27. März 2013 gemäß § 278 Abs. 6 ZPO festgestellt.
Mit Beschluss vom 18. März 2013 bewilligte das Arbeitsgericht der Klägerin "in vollem Umfang mit Wirkung vom 21. Februar 2013" Prozesskostenhilfe nebst Beiordnung ohne Zahlungsanordnung. Unter dem 11. April 2013 setzte es die Vergütung der Prozessbevollmächtigten auf 377,83 € fest, berechnet nach dem Streitwert der Zahlungsforderung i .H. v. 1.177,47 €. Eine Berücksichtigung des Mehrvergleichs (bei einem Vergleichsstreitwert von 2.090,34 €) lehnte es mit der Begründung ab, dass es an einem besonderen Bewilligungsbeschluss fehle. Mit Schreiben vom 16. April 2013 teilte die Klägerin mit, dass vorliegend von einer stillschweigenden Antragstellung auf Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich auszugehen sei; im übrigen beantragte sie ausdrücklich die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den Mehrvergleich. Diesen Antrag lehnte das Arbeitsgericht durch die hier angefochtene Entscheidung vom 1. Oktober 2013 ab. Dagegen richtet sich die unmittelbar beim Landesarbeitsgericht am 16. Oktober 2013 eingegangene sofortige Beschwerde der Klägerin.
II.
Die gemäß § 46 Abs. 2 Satz 3, § 78 Satz 1 ArbGG, § 127 Abs. 2 Satz 2 und 3 in der bis zum 31. Dezember 2013 gültige Fassung (im Folgenden: a. F.), §§ 567 ff. ZPO zulässige sofortige Beschwerde der Klägerin vom 16. Oktober 2013 ist begründet. Der angefochtene Beschluss, mit dem die Bewilligung von Prozesskostenhilfe für den (aufgrund des Vergleichs vom 27. März 2013 entstandenen) Mehrvergleich abgelehnt wurde, war als gegenstandslos aufzuheben. Der Bewilligungsbeschluss vom 18. März 2013 erstreckt sich auf diesen Mehrvergleich. Das Arbeitsgericht hatte in diesem Beschluss der Klägerin für den ersten Rechtszug "in vollem Umfang" Prozesskostenhilfe gewährt. Ein einschränkender Zusatz, dass diese nur für den Zahlungsantrag gewährt werden sollte, nicht aber für den zu diesem Zeitpunkt bereits mitgeteilten Mehrvergleich, findet sich weder im Tenor noch in der Begründung der Entscheidung. Hätte das Arbeitsgericht nur für die Anträge aus der Klageschrift Prozesskostenhilfe bewilligen wollen, hätte es dies in geeigneter Weise deutlich machen müssen.
1. Es ist anerkannt, dass Prozesskostenhilfebeschlüsse der Auslegung zugänglich sind. Für die Auslegung gerichtlicher Entscheidungen gilt dabei allein der obje...