Entscheidungsstichwort (Thema)
Schulung. stellvertretender Betriebsratsvorsitzender. Rhetorik. Erforderlichkeit
Leitsatz (redaktionell)
Ein stellvertretender Betriebsratsvorsitzender kann seine gesetzlichen Aufgaben im Fall häufiger innerbetrieblicher Diskussionen nur dann sachgerecht erfüllen, wenn er seine rhetorischen Fähigkeiten durch eine einschlägige Schulung verbessert. Die Schulungsmaßnahme ist in diesem Fall erforderlich.
Normenkette
BetrVG § 37 Abs. 6 S. 1
Verfahrensgang
ArbG Siegen (Beschluss vom 30.10.2008; Aktenzeichen 1 BV 17/08) |
Nachgehend
Tenor
Die Beschwerde der Arbeitgeberin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Siegen vom 30.10.2008 1 BV 17/08 wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor wie folgt lautet:
Es wird festgestellt, dass die Teilnahme des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden S1 an einer einwöchigen Schulungsveranstaltung „Rhetorik für Betriebsräte Teil 1”, ausgerichtet von der A3 für A4- und S5 R1-W2 GmbH, H6, erforderlich ist.
Die Rechtsbeschwerde wird zugelassen.
Tatbestand
A.
Die Beteiligten streiten darum, ob die Teilnahme des stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden an einem einwöchigen Rhetorikseminar erforderlich ist.
Im Bereich der Unternehmensgruppe A1 N1 mit derzeit insgesamt 35 Regionalgesellschaften betreibt die Arbeitgeberin in B2 L1 eine Regionalgesellschaft mit Lager, Fuhrpark und Verwaltung, der derzeit 75 Filialen zugeordnet sind. Insgesamt werden dort ca. 900 Arbeitnehmer beschäftigt; es besteht ein Betriebsrat (Antragsteller zu 2).
Der stellvertretene Betriebsratsvorsitzende S1 (Antragsteller zu 1), ein gelernter Schlosser, der seit dem Jahr 1970 bei der Arbeitgeberin als Kraftfahrer fungiert, war zunächst ab April 2002 Betriebsratsmitglied und gehört seit seiner Wiederwahl im April 2006 dem 13köpfigen Betriebsrat als stellvertretender Vorsitzender an. In dieser Funktion hat er in der Vergangenheit den Betriebsratsvorsitzenden bei dessen Abwesenheit vertreten. Insoweit wird hinsichtlich der Einzelheiten verwiesen auf die Aufstellung im antragstellerseitigen Schriftsatz vom 13.10.2008 (Bl. 87 f. d.A.).
Auf einer ersten Sitzung am 06.02.2008 und erneut am 05.03.2008 fasste der Betriebsrat den Beschluss, seinen stellvertretenden Betriebsratsvorsitzenden zu einer vom 23. bis zum 27.06.2008 stattfindenden Schulung „Rhetorik für Betriebsräte – Teil 1”, ausgerichtet von der A3 für A4- und S5, R1-W2 GmbH, zu entsenden.
Weil die Arbeitgeberin sich weigerte, die Kosten zu übernehmen, wurde mit Schriftsatz vom 30.05.2008 das vorliegende Verfahren eingeleitet, gerichtet auf die Freistellung von den zu erwartenden Kosten der konkreten Schulungsmaßnahme vom 23. bis zum 27.06.2008 und später vom 08. bis zum 12.09.2008 sowie vom 11. bis zum 15.05.2009; hilfsweise wurde u.a. allgemein die Freistellung von den Kosten des genannten Rhetorikseminars begehrt.
Das Schulungsprogramm hat folgenden Inhalt:
„Reden und Argumentieren in Sitzungen, Beratungen und Versammlungen –
I. Grundlagen
Grundlagen der Kommunikationspsychologie
Grundlagen des freien und wirksamen Redens und Argumentierens
Abbau von Redehemmungen
Körpersprachliche Signale
Umgang mit und Abbau von Nervosität
Freies Formulieren von Gedanken
Aufbau und Wirkung von Argumenten
Auseinandersetzung mit Gegenargumenten der Gesprächspartner
Effektive Fragetechniken
Umgang mit überraschenden Situationen
Argumentationskonzepte in typischen Gesprächssituationen
II. Beratung von Kolleginnen und Kollegen als Aufgabe des Betriebsrats
Schaffung eines vertrauensvollen Gesprächsklimas
Was will mein Gegenüber?
Der richtige Einstieg ins Gespräch
Gesprächsverlauf und Gesprächsende
Abbau von Hemmungen beim Ratsuchenden
III. Überzeugendes Auftreten vor Publikum
Die Rede auf der Betriebsversammlung
Grundlagen für Reden und Vorträge
Vorbereitung der Redebeiträge
Reden mit Hilfe eines Stichwortkonzeptes
Gliederung einer Überzeugungsrede
Aufbau einer Präsentation
Aufbau eines Rechenschaftsberichts
Der Anfangs- und der Schlusssatz
Gestik, Mimik, Stimme
Gewinnen von Selbstsicherheit
Einsatz visueller Hilfsmittel
Umgang mit „Störern”
IV. Grundlagen der erfolgreichen Diskussion
V. Videounterstützte Praxisübungen
Individuelle Auswertung der Videoaufzeichnung
Persönliches Feedback”
Weil die Arbeitgeberin sich weigerte, die Kosten zu übernehmen, wurde mit Schriftsatz vom 30.05.2008 das vorliegende Beschlussverfahren eingeleitet, gerichtet auf Freistellung für die zu erwartenden Kosten.
Die Antragsteller haben die Auffassung vertreten, es sei erforderlich, dass der stellvertretende Betriebsratsvorsitzende an der Wochenschulung teilnehme, um der Arbeitgeberseite mit ihren rhetorisch befähigten Vertretern gewachsen zu sein. In seiner Funktion als stellvertretender Betriebsratsvorsitzender müsse er im Falle der Verhinderung des Vorsitzenden diesen vertreten und habe ihn auch in der Vergangenheit regelmäßig vertreten, namentlich in Betriebsratssitzungen. Auch müsse er vorbereitet sein, in Vertretung des Betriebsratsvorsitzenden Be...