Entscheidungsstichwort (Thema)

Wahl. Arbeitnehmervertreter. Aufsichtsrat. Anfechtung. Wahlvorschlag. Prüfung. Unverzüglichkeit. Wahlvorstand. rechtliches Gehör

 

Leitsatz (amtlich)

Die Kammer vertritt die Auffassung, dass § 6 Satz 1 des Gesetzes über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (DrittelbeteiligungsgesetzDrittelbG) vom 18.05.2004 (BGBl. I., S. 974) mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, soweit danach die gemäß § 117 Abs. 2 Satz 1 BetrVG errichteten Vertretungen für im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen nicht wahlvorschlagsberechtigt sind.

 

Normenkette

DrittelbG §§ 6, 11; WODrittelbG § 9 Abs. 2; GG Art. 103 Abs. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Beschluss vom 26.11.2009; Aktenzeichen 6 BV 132/09)

 

Tenor

Die Beschwerde der Arbeitnehmerin D2 und des Arbeitnehmers H1 gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Dortmund vom 26.11.2009 – 6 BV 132/09 – wird mit der Maßgabe zurückgewiesen, dass der Tenor klarstellend wie folgt lautet:

Die Wahl der Arbeitnehmer in den Aufsichtsrat der Arbeitgeberin vom 13./14.05.2009 wird für unwirksam erklärt.

Die Rechtsbeschwerde wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A.

Die Beteiligten streiten um die Wirksamkeit der bei der Arbeitgeberin durchgeführten Wahl zweier Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat; im Wege der Anschlussbeschwerde begehrt die Personalvertretung Cockpit die Feststellung, dass sie wahlvorschlagsberechtigt sei.

Die Arbeitgeberin betreibt ein in D3 ansässiges Luftfahrtunternehmen, in dem an verschiedenen Standorten insgesamt 1.400 Arbeitnehmer beschäftigt sind. Während ca. 680 Beschäftigte im Bodenbereich von Betriebsräten vertreten werden, bestehen für das Cockpit- und Kabinenpersonal mit jeweils ca. 360 Arbeitnehmern sog. Personalvertretungen, die auf der Basis des § 117 Abs. 2 Satz 1 BetrVG durch Tarifverträge errichtet wurden.

Mit Wahlausschreiben vom 10.03.2009, ausgehängt am 31.03.2009, leitete der Unternehmenswahlvorstand, bestehend aus den Mitgliedern K1, B5, G2, P2 und D4 sowie den Ersatzmitgliedern K3, S2, B2 und C1, das Verfahren zur Wahl der beiden Arbeitnehmervertreter in den Aufsichtsrat der Arbeitgeberin am 13./14.05.2009 ein.

In dem Wahlausschreiben heißt es auszugsweise wie folgt:

„8. Die Betriebsräte und die Arbeitnehmer der E1 L1 AG können Wahlvorschläge einreichen. Die Frist zur Einreichung der Wahlvorschläge endet am 14. April, um 14 Uhr.

9. Wahlvorschläge der Arbeitnehmer müssen nach § 6 DrittelbG von mindestens 10 % der wahlberechtigten Arbeitnehmer aber mindestens 100 wahlberechtigten Arbeitnehmern unterzeichnet sein.”

Die Personalvertretung Cockpit, eine der Antragsteller im vorliegenden Verfahren, hat nach entsprechender Beschlussfassung vom 07.04.2009 am 08.04.2009 beim Unternehmenswahlvorstand einen Wahlvorschlag für die Besetzung der beiden Aufsichtsratssitze mit den Kandidaten K2 und C1 eingereicht.

Als Ergebnis einer bereits am 10.03.2009 mit den Tagesordnungspunkten „Überarbeitung der Wählerliste” und „Wahlvorschläge” anberaumten Sitzung am 14.04.2009, an der die Arbeitnehmer K1, P2, B2 und C1 teilnahmen, teilte der Unternehmenswahlvorstand dem Vorsitzenden der Personalvertretung Cockpit am 14.04.2009 um 14.32 Uhr seinen Beschluss mit, den Wahlvorschlag nicht zur Wahl zuzulassen.

Den Antrag auf Erlass einer auf die Zulassung gerichteten einstweiligen Verfügung lehnte das Arbeitsgericht Dortmund im Verfahren 1 BVGa 11/09 mit Beschluss vom 30.04.2009 ab.

Nachdem das Ergebnis der Wahl am 25.05.2009 im Bundesanzeiger veröffentlicht worden war, leiteten die Personalvertretung Cockpit am 05.06.2009 und die drei wahlberechtigten Arbeitnehmer G1, B3 und S1 am 08.06.2009 Wahlanfechtungsverfahren ein.

Die Personalvertretung Cockpit hat die Auffassung vertreten, sie sei nach § 11 DrittelbG zur Anfechtung der Wahl berechtigt. In der Sache habe der Unternehmenswahlvorstand zu Unrecht ihren Wahlvorschlag abgelehnt, was die Wahl unwirksam mache.

Die anfechtenden drei Arbeitnehmer haben die Meinung vertreten, die Wahl sei nichtig, jedenfalls aber anfechtbar. So sei das Wahlausschreiben in Ziffer 9) fehlerhaft verfasst worden. Danach hätte man angesichts der Unternehmensgröße davon ausgehen müssen, für Wahlvorschläge mindestens 140 Unterschriften von Arbeitnehmern haben zu müssen, während nach § 6 Satz 2 DrittelbG in jedem Fall 100 Unterschriften ausgereicht hätten.

Was den von der Personalvertretung Cockpit gemachten Wahlvorschlag angehe, habe diesen der Unternehmenswahlvorstand erst verspätet am letzten Tag der Frist zurückgewiesen, so dass gar keine Möglichkeit mehr bestanden habe, Stützunterschriften zu sammeln. Davon abgesehen sei der Wahlvorschlag zu Unrecht abgelehnt worden. Schon die zugrunde liegende Beschlussfassung am 14.04.2009 sei fehlerhaft, weil keine ordnungsgemäße Tagesordnung vorgelegen habe und das Gremium nicht ordnungsgemäß besetzt gewesen sei. Im Übrigen seien unzulässigerweise zwei Beschlüsse mit jeweils zwei Ja- und zwei Nein-Stimmen gefasst worden, nämlich zunächst über den Antrag auf Nichtzulass...

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