Entscheidungsstichwort (Thema)

Luftfahrtunternehmen. Personalvertretung. Wahlvorschlag. Berechtigung. Wahlvorschlagsberechtigung. Wahl, Arbeitnehmervertreter. Aufsichtsrat. Verfassungswidrigkeit. Vorlage. Vorlagebeschluss. Bundesverfassungsgericht

 

Leitsatz (amtlich)

Die Kammer vertritt die Auffassung, dass § 6 Satz 1 des Gesetzes über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (DrittelbeteiligungsgesetzDrittelbG) vom 18.05.2004 (BGBl. I., S. 974) mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, soweit danach die gemäß § 117 Abs. 2 Satz 1 BetrVG errichteten Vertretungen für im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen nicht wahlvorschlagsberechtigt sind.

 

Normenkette

DrittelbG § 6 S. 1

 

Verfahrensgang

ArbG Dortmund (Aktenzeichen 6 BV 132/09)

 

Tenor

1. Das Verfahren wird hinsichtlich des Antrages der Personalvertretung, festzustellen, dass die Personalvertretung berechtigt ist, bei Aufsichtsratswahlen gemäß § 6 Satz 1 DrittelbG Wahlvorschläge zu machen, ausgesetzt.

2. Es soll eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG darüber eingeholt werden, ob § 6 Satz 1 des Gesetzes über die Drittelbeteiligung der Arbeitnehmer im Aufsichtsrat (DrittelbeteiligungsgesetzDrittelbG) vom 18. Mai 2004 (BGBl. I, S. 974) mit Art. 3 Abs. 1 GG unvereinbar ist, soweit danach die gemäß § 117 Abs. 2 BetrVG für im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer vom Luftfahrtunternehmen errichteten Vertretungen nicht wahlvorschlagsberechtigt sind.

 

Tatbestand

A.

Die Arbeitgeberin betreibt ein in D2 ansässiges Luftfahrtunternehmen, in dem an verschiedenen Standorten insgesamt ca. 1.400 Arbeitnehmer zum Einsatz kommen. Es gilt § 117 BetrVG, der wie folgt lautet:

Geltung für die Luftfahrt.

(1) Auf Landbetriebe von Luftfahrtunternehmen ist dieses Gesetz anzuwenden.

(2) 1Für im Flugbetrieb beschäftigte Arbeitnehmer von Luftfahrtunternehmen kann durch Tarifvertrag eine Vertretung errichtet werden. 2Über die Zusammenarbeit dieser Vertretung mit den nach diesem Gesetz zu errichtenden Vertretungen der Arbeitnehmer der Landbetriebe des Luftfahrtunternehmens kann der Tarifvertrag von diesem Gesetz abweichende Regelungen vorsehen.

Auf dieser gesetzlichen Grundlage werden im Unternehmen der Arbeitgeberin die insgesamt ca. 680 Arbeitnehmer in den Landbetrieben von Betriebsräten vertreten. Daneben bestehen für das Cockpit- und Kabinenpersonal mit jeweils ca. 360 Arbeitnehmern sog. Personalvertretungen, die auf der Basis des § 117 Abs. 2 Satz 1 BetrVG durch Tarifverträge errichtet wurden.

Am 13./14.05.2009 fand im Unternehmen die Wahl der beiden Arbeitnehmervertreter für den Aufsichtsrat statt. Dazu hatte die Personalvertretung Cockpit fristgerecht einen Wahlvorschlag eingereicht. Dieser wurde vom zuständigen Unternehmenswahlvorstand nicht zur Wahl zugelassen, und zwar unter Berufung auf § 6 DrittelbG. Die Vorschrift lautet:

Wahlvorschläge. 1Die Wahl erfolgt aufgrund von Wahlvorschlägen der Betriebsräte und der Arbeitnehmer. 2Die Wahlvorschläge der Arbeitnehmer müssen von mindestens einem Zehntel der Wahlberechtigten oder von mindestens 100 Wahlberechtigten unterzeichnet sein.

Nach der Veröffentlichung des Wahlergebnisses im Bundesanzeiger leiteten die Personalvertretung Cockpit – und daneben drei wahlberechtigte Arbeitnehmer – Wahlanfechtungsverfahren ein.

Die Personalvertretung Cockpit vertrat die Ansicht, dass sie anfechtungsberechtigt sei. In der Sache habe der Unternehmenswahlvorstand zu Unrecht ihren Wahlvorschlag abgelehnt.

Nachdem erstinstanzlich dem Wahlanfechtungsbegehren aus anderen Gründen stattgegeben worden war, haben gegen den Beschluss die beiden gewählten Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat Beschwerde erhoben. Neben den drei anfechtenden Arbeitnehmern hat die Personalvertretung Cockpit die Zurückweisung der Beschwerde beantragt; zugleich hat sie im Wege der Anschlussbeschwerde die Feststellung begehrt, dass sie berechtigt ist, bei Aufsichtsratswahlen gemäß § 6 Satz 1 DrittelbG Wahlvorschläge zu machen. Die beiden gewählten Arbeitnehmervertreter im Aufsichtsrat haben beantragt, die Anschlussbeschwerde zurückzuweisen.

Deren Beschwerde hat die erkennende Kammer durch Teilbeschluss vom 14.01.2011 zurückgewiesen, ohne auf die Problematik der Wahlvorschlagsberechtigung der Personalvertretung Cockpit eingehen zu müssen.

 

Entscheidungsgründe

B.

Das Verfahren war, soweit es den im Wege der Anschlussbeschwerde von der Personalvertretung Cockpit gestellten Feststellungsantrag angeht, gemäß Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG auszusetzen und eine Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts darüber einzuholen, ob § 6 Satz 1 DrittelbG mit Art. 3 Abs. 1 GG vereinbar ist, soweit danach die gemäß § 117 Abs. 2 Satz 1 BetrVG in Luftfahrtunternehmen gebildeten Vertretungen bei der Wahl von Aufsichtsratsmitgliedern der Arbeitnehmer kein Wahlvorschlagsrecht beanspruchen können.

I. Die Entscheidung über die Anschlussbeschwerde hängt von der Verfassungsmäßigkeit des § 6 Satz 1 DrittelbG ab.

1. Nach Art. 100 Abs. 1 Satz 1 GG i.V.m. § 80 Ab...

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