Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschlussverfahren. Führung eines gemeinsamen Betriebs durch zwei Unternehmen. einheitlicher Leitungsapparat. arbeitgeberübergreifender Personaleinsatz. unternehmerische Zusammenarbeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Es ist von einem gemeinsamen Betrieb mehrerer Unternehmen auszugehen, wenn die in einer Betriebsstätte vorhandenen materiellen und immateriellen Betriebsmittel für einen einheitlichen arbeitstechnischen Zweck zusammengefasst, geordnet und gezielt eingesetzt werden und der Einsatz der menschlichen Arbeitskraft von einem einheitlichen Leitungsapparat gesteuert wird.

2. Soll der Betrieb von mehreren Unternehmen geführt werden, müssen sich die beteiligten Unternehmen zur gemeinsamen Führung des Betriebs rechtlich verbunden haben. Eine dahingehende Vereinbarung kann auch stillschweigend geschlossen werden und ihre Existenz sich aus den tatsächlichen Umständen ergeben.

3. Ergeben die Umstände des Einzelfalls, dass der Kern der Arbeitgeberfunktionen im sozialen und personellen Bereich von derselben institutionellen Leitung ausgeübt wird, so deutet dies regelmäßig darauf hin, dass eine Führungsvereinbarung vorliegt. Dies trifft aber nicht schon dann zu, wenn die Unternehmen lediglich unternehmerisch zusammenarbeiten. Vielmehr muss die Vereinbarung auf eine einheitliche Leitung für die Aufgaben gerichtet sein, die vollzogen werden müssen, um die in der organisatorischen Einheit zu verfolgenden arbeitstechnischen Zwecke erfüllen zu können. Für die Frage, ob der Kern der Arbeitgeberfunktionen in sozialen und personellen Angelegenheiten von derselben institutionalisierten Leitung ausgeübt wird, ist vor allem entscheidend, ob ein arbeitgeberübergreifender Personaleinsatz praktiziert wird, der charakteristisch für den normalen Betriebsablauf ist.

 

Normenkette

BetrVG § 1 Abs. 1-2, § 18 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Herne (Beschluss vom 15.02.2011; Aktenzeichen 2 BV 39/10)

 

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Herne vom 15.02.2011 – 2 BV 39/10 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A

Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren darüber, ob die Arbeitgeberinnen im Betriebsratsbezirk M2 einen gemeinsamen Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 1 BetrVG führen.

Die Firma A1 S2, die Beteiligte zu 2., betreibt bundesweit Drogerie märkte. Die einzelnen Verkaufsstellen sind aufgrund eines im Jahre 1995 abgeschlossenen Zuordnungstarifvertrages gemäß § 3 BetrVG organisatorisch bestimmten Bezirken zugeordnet, denen ein Bezirksleiter vorsteht. Im Bezirk 123 M2 ist der antragstellende Betriebsrat, der aus 7 Personen besteht, gewählt.

Die vormals zum Bezirk M2 gehörende Verkaufsstelle N1 in M2 wurde im Frühjahr 2010 von der Firma A1 S2, der Beteiligten zu 2., geschlossen. Anschließend wurde sie vergrößert und renoviert. Anschließend eröffnete die Firma S2 X1 GmbH, die Beteiligte zu 3., dort zum 01.04.2010 eine Filiale.

In der Folgezeit hat der antragstellende Betriebsrat die Auffassung vertreten, auch für diese Filiale zuständig zu sein.

Die Arbeitgeberin zu 2. ist ein Einzelhandelsunternehmen, Inhaber ist Herr A1 S2. Auf oberste Ebene im Betrieb der Arbeitgeberin zu 2. fungieren zwei Personaldirektoren. Ansprechpartner der jeweiligen Betriebsräte in personellen und sozialen Angelegenheiten ist zunächst und regelmäßig der für ihn zuständige Bezirksleiter, der die in seinem Bezirk befindlichen Verkaufsstellen betreut. Die Bezirksleiter, von denen es etwa 400 in der Bundesrepublik Deutschland gibt, verfügen über ein sogenanntes mobiles Büro. In wichtigeren Angelegenheiten, etwa bei Abschluss von Betriebsvereinbarungen, fungiert gegenüber dem Betriebsrat auch das übergeordnete Vertriebsbüro oder die Geschäftsführerebene. Im Betrieb der Arbeitgeberin zu 2. sind in der Bundesrepublik Deutschland vier Vertriebsbüros eingerichtet.

Die Arbeitgeberin zu 3., deren alleiniger Gesellschafter Herr A1 S2 ist, wurde im Dezember 2008 gegründet. Die bei Gründung der Arbeitgeberin zu 3. bestellte Geschäftsführerin war zuvor Geschäftsführerin der Tochtergesellschaft der Firma A1 S2 in Österreich. Inzwischen ist Geschäftsführerin der Arbeitgeberin zu 3. Frau G1 R3.

Sowohl die Arbeitgeberin zu 3. wie auch die Arbeitgeberin zu 2. haben ihren Sitz in E1, T1 12- 23, und verfügen über identische Telefon- einschließlich der Nebenanschlüsse.

Die Geschäftsführerin der Arbeitgeberin zu 3. ist dort mit zwei Sachbearbeitern tätig und verwaltet die Personalakten von 1.500 bis 2.100 Arbeitnehmern – bei inzwischen ca. 350 Märkten mit jeweils fünf bis sieben Mitarbeitern. Der Geschäftsführung der Arbeitgeberin zu 3. sind deutschlandweit vier Vertriebsleitungen unterstellt, denen ihrerseits die Regionalleitungen unterstellt sind. Die Regionalleitungen sind die Vorgesetzten der Marktverantwortlichen bzw. Verkaufsverantwortlichen (VV), denen alle Mitarbeiter eines Marktes, einer Filiale, unterstellt sind. Die Verkaufsverantwortlichen führen den Markt im...

Dieser Inhalt ist unter anderem im Deutsches Anwalt Office Premium enthalten. Sie wollen mehr?


Meistgelesene beiträge