Entscheidungsstichwort (Thema)

Beschlussverfahren. Führung eines gemeinsamen Betriebs durch zwei Unternehmen. einheitlicher Leitungsapparat. arbeitgeberübergreifender Personaleinsatz. unternehmerische Zusammenarbeit

 

Leitsatz (redaktionell)

1. Ein Betrieb i.S.v. § 1 BetrVG kann auch von mehreren Arbeitgebern als gemeinsamer Betrieb geführt werden.

2. Von einem arbeitgeberübergreifenden Personaleinsatz ist nicht auszugehen, wenn die Übernahme von Personal des einen durch den anderen Arbeitgeber lediglich die Rechtsfolge des § 613a BGB darstellt.

3. Ob die Arbeitgeber an einem anderen Ort ggf. einen gemeinsamen Betrieb unterhalten, lässt keine Rückschlüsse für andere Betriebsstätten zu.

4. Eine gemeinsame räumliche Unterbringung stellt lediglich ein schwaches Indiz, nicht aber ein Tatbestandsmerkmal für einen gemeinsamen Betrieb dar.

 

Normenkette

BetrVG § 1 Abs. 1-2, § 18 Abs. 2

 

Verfahrensgang

ArbG Herne (Beschluss vom 01.03.2011; Aktenzeichen 3 BV 38/10)

 

Tenor

Die Beschwerde des Betriebsrates gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Herne vom 01.03.2011 – 3 BV 38/10 – wird zurückgewiesen.

Die Rechtsbeschwerde zum Bundesarbeitsgericht wird nicht zugelassen.

 

Tatbestand

A

Die Beteiligten streiten im vorliegenden Verfahren darüber, ob die Arbeitgeberinnen im Betriebsratsbezirk H1 einen gemeinsamen Betrieb im Sinne des § 1 Abs. 1 BetrVG führen.

Die Firma A1 S2, die Beteiligte zu 2., betreibt bundesweit Drogerie märkte. Die einzelnen Verkaufsstellen sind aufgrund eines im Jahre 1995 abgeschlossenen Zuordnungstarifvertrages gemäß § 3 BetrVG organisatorisch bestimmten Bezirken zugeordnet, denen ein Bezirksleiter vorsteht. Im Bezirk 123 H1 ist der antragstellende Betriebsrat, der aus 7 Personen besteht, gewählt.

Die vormals zum Bezirk H1 gehörende Verkaufsstelle B1. 12 in G1 wurde im Frühjahr 2010 von der Firma A1 S2, der Beteiligten zu 2., geschlossen. Anschließend wurde sie vergrößert und renoviert. Anschließend eröffnete die Firma S2 X1 GmbH, die Beteiligte zu 3., dort eine Filiale.

In der Folgezeit hat der antragstellende Betriebsrat die Auffassung vertreten, auch für diese Filiale zuständig zu sein.

Die Arbeitgeberin zu 2. ist ein Einzelhandelsunternehmen, Inhaber ist Herr A1 S2. Auf oberste Ebene im Betrieb der Arbeitgeberin zu 2. fungieren zwei Personaldirektoren. Ansprechpartner der jeweiligen Betriebsräte in personellen und sozialen Angelegenheiten ist zunächst und regelmäßig der für ihn zuständige Bezirksleiter, der die in seinem Bezirk befindlichen Verkaufsstellen betreut. Die Bezirksleiter, von denen es etwa 400 in der Bundesrepublik Deutschland gibt, verfügen über ein sogenanntes mobiles Büro. In wichtigeren Angelegenheiten, etwa bei Abschluss von Betriebsvereinbarungen, fungiert gegenüber dem Betriebsrat auch das übergeordnete Vertriebsbüro oder die Geschäftsführerebene. Im Betrieb der Arbeitgeberin zu 2. sind in der Bundesrepublik Deutschland vier Vertriebsbüros eingerichtet.

Die Arbeitgeberin zu 3., deren alleiniger Gesellschafter Herr A1 S2 ist, wurde im Dezember 2008 gegründet. Die bei Gründung der Arbeitgeberin zu 3. bestellte Geschäftsführerin war zuvor Geschäftsführerin der Tochtergesellschaft der Firma A1 S2 in Ö1. Inzwischen ist Geschäftsführerin der Arbeitgeberin zu 3. Frau G2 R3.

Sowohl die Arbeitgeberin zu 3. wie auch die Arbeitgeberin zu 2. haben ihren Sitz in E1, T1 23-34, und verfügen über identische Telefon- einschließlich der Nebenanschlüsse.

Die Geschäftsführerin der Arbeitgeberin zu 3. ist dort mit zwei Sachbearbeitern tätig und verwaltet die Personalakten von 1.500 bis 2.100 Arbeitnehmern – bei inzwischen ca. 350 Märkten mit jeweils fünf bis sieben Mitarbeitern. Der Geschäftsführung der Arbeitgeberin zu 3. sind deutschlandweit vier Vertriebsleitungen unterstellt, denen ihrerseits die Regionalleitungen unterstellt sind. Die Regionalleitungen sind die Vorgesetzten der Marktverantwortlichen bzw. Verkaufsverantwortlichen (VV), denen alle Mitarbeiter eines Marktes, einer Filiale, unterstellt sind. Die Verkaufsverantwortlichen führen den Markt im Rahmen allgemeiner Anweisungen, sie besitzen die Schlüsselgewalt, haben die bedarfsgerechte Disposition der Waren zu gewährleisten und erstellen die Dienstpläne vor Ort in den Märkten.

Die Arbeitgeberin zu 2. unterhält in der Zentrale in E1 eine Personalabteilung mit ca. 20 Mitarbeitern. Daneben gibt es eine Lohnbuchhaltung, die auch die Aufgaben für die Arbeitgeberin zu 3. mit erledigt. Auch die Immobilienabteilung der Arbeitgeberin zu 2. erbringt Dienstleistungen für die Arbeitgeberin zu 3..

Von Kunden bei den beiden Arbeitgeberinnen erworbene Gutscheine können bei beiden Arbeitgeberinnen eingelöst werden. Beide Arbeitgeberinnen benutzen eine gemeinsame Internetpräsenz.

Bei beiden Arbeitgeberinnen ist es Pflicht, ein Foto des Inhabers der Arbeitgeberin zu 2. in den nicht für die Öffentlichkeit zugänglichen Bereichen der Verwaltungs- und Personalräume auszuhängen.

Die Warenanlieferung für die Drogerie märkte beider Arbeitgeberinnen im Bezirk S3 erfolgt in einer Sendun...

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