Entscheidungsstichwort (Thema)
Auslegung und Vollstreckung eines gerichtlichen Vergleichs über die Erteilung eines Arbeitszeugnisses
Leitsatz (amtlich)
Haben die Parteien im Vergleich im Zusammenhang mit der Zeugniserteilung vereinbart, dass der Arbeitnehmer ein Vorschlagsrecht hat, von dem Arbeitgeber nur aus wichtigem Grund abweichen darf, haben sie zulässigerweise die Formulierungshoheit auf den Arbeitnehmer übertragen.
Weicht der Arbeitgeber vom Entwurf durch Steigerungen nach "oben" ab, ist der titulierte Zeugnisanspruch nicht erfüllt, wenn sich aus dem Gesamteindruck des Zeugnisses ergibt, dass die Bewertungen durch ihren ironisierenden Charakter nicht ernstlich gemeint sind.
Normenkette
GewO § 109
Verfahrensgang
ArbG Hamm (Entscheidung vom 04.08.2016; Aktenzeichen 3 Ca 1338/15) |
Tenor
Die sofortige Beschwerde der Schuldnerin gegen den Beschluss des Arbeitsgerichts Hamm vom 04.08.2016 - 3 Ca 1338/15 - wird zurückgewiesen.
Die Schuldnerin trägt die Kosten des Beschwerdeverfahrens.
Der Verfahrenswert wird auf 5.200,- € festgesetzt.
Gründe
I. Die Parteien streiten im Zwangsvollstreckungsverfahren darum, ob die Schuldnerin ihrer Verpflichtung aus einem Vergleich, ein Zeugnis nach einem Entwurf des Gläubigers zu erteilen, nachgekommen ist.
Der Gläubiger stand bei der Schuldnerin in der Zeit vom 01.08.2013 bis zum 31.07.2015 als Verkehrsfachwirt in einem befristeten Arbeitsverhältnis.
In dem zugrundeliegenden Rechtsstreit, in dem es um Vergütungsansprüche sowie um Arbeitspapiere und das Zeugnis ging, schlossen die Parteien am 28.10.2015 einen gerichtlichen Vergleich, indem es u. a. in Ziffer 3 heißt:
"Die Beklagte erteilt dem Kläger ein wohlwollendes, qualifiziertes Arbeitszeugnis. Dem Kläger bleibt nachgelassen, der Beklagten einen Zeugnisentwurf vorzulegen. Diese darf hiervon nur aus wichtigem Grund abweichen."
Am 17.12.2015 übermittelte der Gläubiger der Schuldnerin einen Zeugnisentwurf. Mit Schreiben vom 18.01.2016 übersandte die Schuldnerin dem Gläubiger ein unter dem 31.07.2015 gefertigtes Zeugnis, welches von dem übermittelten Entwurf in einigen Punkten sprachlich durch Synonyme oder Steigerungen abweicht:
Entwurf des Gläubigers |
Zeugnis der Schuldnerin |
stets sicher und |
zu jeder Zeit sicher und |
seiner sehr guten Auffassungsgabe |
seiner extrem guten Auffassungsgabe |
war Herr F immer |
war Herr F selbstverständlich immer |
Aufgaben mit beispielhaftem Engagement |
Aufgaben mit äußerst beispielhaftem Engagement |
auf ausgeprägte wirtschaftliche Kenntnisse |
auf sehr ausgeprägte wirtschaftliche Kenntnisse |
seine sehr gut entwickelte Fähigkeit |
seine extrem gut entwickelte Fähigkeit |
haben sich erfreulich entwickelt |
haben sich äußerst erfreulich entwickelt |
Herr F stets ein kompetenter |
Herr F zu jeder Zeit ein äußerst kompetenter |
bei wechselnden Anforderungen immer ausgezeichnet |
bei wechselnden Anforderungen immer hervorragend |
Wir bewerten ihn mit "sehr gut". |
Wenn es bessere Note als "sehr gut" geben würde, würden wir ihn damit beurteilen. |
Wegen seines freundlichen |
Wegen seines extrem freundlichen |
und Kunden war immer vorbildlich. |
und Kunden war zu jeder Zeit vorbildlich. |
für die stets sehr gute Zusammenarbeit |
für die stets hervorragende Zusammenarbeit |
"
Zudem heißt es im Zeugnisentwurf:
"Herr F verlässt unser Unternehmen zum 31.07.2015 auf eigenen Wunsch, was wir sehr bedauern."
Im erteilten Zeugnis heißt es demgegenüber:
"Herr F verlässt unser Unternehmen zum 31.07.2015 auf eigenen Wunsch, was wir zur Kenntnis nehmen."
Nach Zustellung der vollstreckbaren Ausfertigung des Vergleichs von Anwalt zu Anwalt beantragte der Gläubiger am 20.06.2016 beim Arbeitsgericht die Festsetzung eines Zwangsgeldes, weil er der Auffassung war, die Schuldnerin habe ihrer Pflicht zu Erstellung eines Zeugnisses nicht genügt. Die geänderten Formulierungen seien erheblich und dazu geeignet, das gesamte Zeugnis wertlos zu machen. Die Änderungen dienten nicht dem Grundsatz der Zeugniswahrheit, sondern zögen vielmehr den Zeugnistext ins Lächerliche.
Die Schuldnerin hat um Zurückweisung des Antrags gebeten.
Sie hat die Auffassung vertreten, das Zeugnis sei ordnungsgemäß erteilt. Es weiche nur in wenigen Punkten aus wichtigem Grund ab. Das begehrte Zeugnis entspreche nicht dem Grundsatz der Zeugniswahrheit, da sie das Verlassen des Betriebes durch den Gläubiger nicht bedauere. Die weiteren Abweichungen beschränkten sich lediglich auf eine alternative Wortwahl ohne Auswirkung auf den Gesamteindruck und die Gesamtbewertung der Arbeitsleitung. Letztlich sei die Frage, ob die Abweichungen im Entwurf gerechtfertigt seien, nicht im Zwangsvollstreckungsverfahren zu klären, sondern im Wege des Erkenntnisverfahrens auf Zeugnisberichtigung.
Mit Beschluss vom 04.08.2016, der der Schuldnerin am 09.08.2016 zugestellt worden ist und wegen der weiteren Einzelheiten in Bezug genommen wird, hat das Arbeitsgericht ein Zwangsgeld in Höhe von 1.000,- € und im Falle der Uneinbringlichkeit für je 250,- € durch einen Tag Zwangshaft zu vollstrecken an dem Geschäftsführer festgesetzt.
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